Chaetogaster diaphanus

[90] Weit verbreitet und schon im vorigen Jahrhunderte beschrieben ist die gezüngelte Naide (Nais proboscidea), so genannt von einer schmalen, fühlerähnlichen Verlängerung des Kopflappens, mit dem sie tastend und züngelnd ihren Weg sondirt. Zwei Augen trägt, gleich ihr, die noch häufigere zungenlose Naide, mit einfach abgerundetem Kopfsegmente. Diese und noch einige andere Arten haben am Bauche zwei Reihen Hakenborsten, an jeder Seite aber eine Reihe zu je ein bis vier stehender, langer Haarborsten. Bei diesen beiden und verwandten Arten ist die Mundöffnung unter dem Vorderende, noch überragt von den vorderen Schlingen der an dem gelblichen Blute leicht erkennbaren, pulsirenden Blutgefäße. Anders ist das Vorderende der Gattung Chaetogaster beschaffen, von welcher eine fast krystalldurchsichtige Art, Chaetogaster diaphanus, im Jugendzustande als häufiger Schmarotzer auf unseren Wasserschnecken angetroffen wird. Ihr Kopf ist quer abgestutzt und endigt mit der Mundöffnung, hinter welcher ein mit vielen winzigen Papillen besetzter und zum Theile hervorstülpbarer Schlund liegt. Ein ferneres Unterscheidungszeichen der Gattung ist, daß sie bloß Reihen von Hakenborsten hat. Alle diese Würmchen sind für die mikroskopische Beobachtung angelegentlich zu empfehlen, da am lebenden Thiere, das man leicht in einem Wassertröpfchen, bedeckt mit einem leichten Glasblättchen, unter das Mikroskop bringen kann, eine Menge von feinen Organisationsverhältnissen zu erschauen sind, und die Mühe der Erforschung durch die Lieblichkeit des Anblickes reichlich aufgewogen wird. Die Bekanntschaft mit ihren Aufenthaltsorten macht uns den Gang auch in sonst einförmiger Gegend angenehm. Wo der Blick nicht durch die Mannigfaltigkeit der Umgebung, die Schönheit und Größe der Landschaft auf unseren Spaziergängen angezogen wird, versenkt er sich in das so vielen Tausenden gänzlich verborgene, mikroskopische Leben, das an Vielfältigkeit dem großen, dem makroskopischen Leben nichts nachgibt, an Sauberkeit der Erscheinung aber oft über demselben steht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 90.
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