Magot (Macacus Inuus)

[139] In gewisser Hinsicht der wichtigste aller Makaken ist der Magot, seiner Schwanzlosigkeit halber neuerlich als Vertreter einer besonderen Sippe angesehen, sonst auch unter dem Namen türkischer, berbischer und gemeiner Affe bekannt (Macacus Inuus, Simia Inuus, Pithecus Inuus, Inuus ecaudatus, Inuus Pithecus usw.). Ihn kennzeichnet außerdem der schmächtige Leibesbau und die Schlankheit seiner hohen Glieder, ein ziemlich reicher, auf der Unterseite des Leibes spärlicherer Pelz und der dichte Backenbart. Das runzelige Gesicht, Ohren, Hände und Füße sehen fleischfarbig, die Schwielen blaßroth aus; der Pelz ist röthlich olivenfarbig, da die Haare am Grunde schwärzlich, an der Spitze aber röthlich sind. Bei sehr alten Stücken zeigen die [139] Haare übrigens auch schwarze Spitzen, und der gesammte Pelz erhält dann einen dunkleren Schein. Die Unterseite und die Innenseite der Gliedmaßen hat lichtere, mehr graugelbliche oder weißliche Färbung. Bei etwa 75 Centim. Leibeslänge erreicht der Magot eine Schulterhöhe von 45 bis 50 Centim.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Affe bereits den alten Griechen unter dem Namen Pithecus bekannt und der erste war, welcher nach Europa übergeführt wurde. Aus diesem Grunde rechtfertigt es sich, wenn neuere Schriftsteller ihm insbesondere den Namen Pithecus gewahrt wissen wollen. Plinius sagt von ihm, daß er alles nachahme, das Bretspiel lerne, ein mit Wachs gemaltes Bild zu unterscheiden verstehe, es gern habe, wenn man sich mit ihm beschäftige, in den Häusern Junge hervorbringe usw. Unter den späteren Schriftstellern berichtet namentlich Leo Africanus über ihn, daß er in den mauritanischen Wäldern, besonders in den Bergen von Bugir und Konstantine lebe, nicht nur an Händen und Füßen, sondern auch im Gesichte menschenähnlich sei und von der Natur mit wunderbarem Verstande und Klugheit versehen worden wäre. Ernähre sich, so schildert unser Gewährsmann, von Kräutern und Körnern, ziehe herdenweise in die Kornfelder, stelle am Rande Wachen auf, welche bei eintretender Gefahr durch einen Schrei die anderen warnten, worauf der ganze Trupp durch die Flucht sich zu retten suche und in großen Sprüngen sich auf die Bäume begäbe. Auch die Weibchen sprängen mit und trügen dabei ihre Jungen an der Brust. Diese Affen würden abgerichtet und brächten es sehr weit: einzelne wären wahre Künstler; doch hätte man von ihrem Zorne und ihrer Bissigkeit mancherlei zu leiden. Von den alten Griechen und Römern an genoß der Magot bis in die neuere Zeit dieselbe Beachtung. Er war der beständige Begleiter der Bären- und Kamelführer, welche in unserem gebildeten Zeitalter leider nicht mehr die liebe Jugend in derselben Weise belustigen wie früher. Unter den herumziehenden Künstlern stand oder steht er im höchsten Ansehen, und zwar nicht allein seiner Klugheit halber, sondern mehr noch wegen seines Leibesbaues. Für den Besitzer eines Affentheaters ist es nämlich, wie ich neuerdings belehrt worden bin, besonders wichtig, daß der zu verwendende Affe einen möglichst kurzen biegsamen Schwanz oder besser gar keinen habe, weil gedachtes Anhängsel, wenn das Thier bekleidet werden soll, stets erhebliche Schwierigkeiten verursacht. Aus diesem Grunde wird der Mandril dem Paviane, der Bunder anderen Makaken und der Magot allen Gliedern seiner Sippe vorgezogen. Seine schöne schlanke Gestalt, so versicherte mir Broekmann, erleichtert das Bekleiden sehr; jeder Anzug paßt ihm vorzüglich; vom Schwanze bemerkt man gar nichts, wenn er auf die Bühne kommt, und da er nun außerdem noch leicht lernt und das Gelernte vorzüglich gut behält, verdient er, allen übrigen Affen seines Geschlechtes bei weitem vorangestellt zu werden. Bei guter Behandlung und verständiger Abrichtung bleibt er auch im hohen Alter sanft und gutartig, während er, wenn er einmal »verschlagen« wurde, einer der tückischsten aller Affen ist.

Reichenbach nennt den Magot einen Spieler für das gemeine Rollenfach: »sein Gesichtsausdruck«, meint er, »macht den Eindruck eines pfiffigen, dabei überlegten, entschiedenen Charakters. Der breite Querdurchmesser des Gesichts deutet entschiedene Beharrlichkeit an, und ebenso die breite Kopfmitte auf Gutmüthigkeit hin. Die kleinen Augen zeigen zwar den pfiffigen, die minder hohe Stirn aber den beschränkten Denker. Seine Rollen beschränken sich deshalb auch nur auf die gewöhnlichen Späße, auf das An- und Auskleiden, Hutabnehmen, Grüßen, Reiten auf anderen Thieren, Schaukeln und Seiltanzen, Auffangen zugeworfener Nüsse, auf das Trinken und Essen aus Gefäßen und Geschirren usw.« Hiermit stimmt Broekmann, welchem wir in dieser Hinsicht wohl die erste Stimme zusprechen dürfen, keineswegs überein. Seiner Versicherung nach gibt es gerade unter den Magots ganz ausgezeichnete »Künstler«, welche in jeder Hinsicht Anerkennenswerthes leisten.

Die Heimat des Magot ist das nordwestliche Afrika, Marokko, Algier und Tunis. Nach Rüppell soll er noch in den westlich von Egypten liegenden Oasen häufig vorkommen und von [140] dort aus in Menge nach Alexandrien und Kairo ausgeführt werden – eine Angabe, welche ich nicht zu bestätigen vermag, da ich unseren Affen in Egypten stets in weit geringerer Anzahl gesehen habe als die aus Mittelafrika stammenden Arten. So viel wir wissen, lebt er in seinem Vaterlande in großen Gesellschaften unter Leitung alter, erfahrener Männchen. Er ist sehr klug, listig und verschlagen, gewandt, behend und kräftig und weiß sich im Nothfalle mit seinem vortrefflichen Gebiß ausgezeichnet zu vertheidigen. Bei jeder leidenschaftlichen Erregung verzerrt er das Gesicht in einem Grade, wie kein anderer Affe, bewegt dabei die Lippen schnell nach allen Richtungen hin und klappert auch wohl mit den Zähnen. Nur wenn er sich fürchtet, stößt er ein heftiges, kurzes Geschrei aus. Verlangen sowie Freude, Abscheu, Unwillen und Zorn gibt er durch Fratzen und Zähneklappern zu erkennen. Wenn er zornig ist, bewegt er seine in Falten gelegte Stirn heftig auf und ab, streckt die Schnauze vor und zwängt die Lippen so zusammen, daß der Mund eine kleine zirkelrunde Oeffnung bildet. In der Freiheit lebt er in Gebirgsgegenden, auf felsigen Wänden, ist aber auch auf Bäumen zu Hause. Man sagt, daß er, wie die Paviane, viele Kerbthiere und Würmer fresse, deshalb beständig die Steine umwälze und sie gelegentlich die Berge herabrolle. An steilen Gehängen soll er hierdurch nicht selten gefährlich werden. Skorpione sind, wie behauptet wird, seine Lieblingsnahrung; er weiß ihren giftigen Stachel geschickt auszurupfen und verspeist sie dann mit großer Gier. Aber auch mit kleinen Kerbthieren und Würmern begnügt er sich, und je kleiner seine Beute sein mag, um so eifriger zeigt er sich in der Jagd, um so begieriger verzehrt er den gemachten Fang. Das erhaschte Kerbthier wird sorgfältig aufgenommen, vor die Augen gehalten, mit einer beifälligen Fratze begrüßt und nun sofort gefressen.

Auffallender und eigentlich unerklärlicher Weise gehört der Magot gegenwärtig auf dem europäischen Thiermarkte zu den Seltenheiten, und nur sehr ausnahmsweise gelangt er einmal in wenigen Stücken in die Hände des Händlers. Aus diesem Grunde sieht man ihn auch höchst einzeln in den Thiergärten und zum Kummer aller herumziehenden Künstler im Affentheater. Die Gefangenen werden uns in der Regel von Magador in Marokko gebracht; doch scheint es, als ob man sich gegenwärtig weit weniger als früher damit befasse, solche Affen zu fangen, zu zähmen und zu verhandeln. Ich selbst erhielt vor einigen Jahren vier Stück von ihnen, und hatte somit Gelegenheit, sie geraume Zeit zu beobachten. Alle vier zeichneten sich durch ein ernstes Wesen aus, ohne jedoch mürrisch zu sein. Der Grundzug ihres Charakters war entschiedene Gutmüthigkeit; doch fand ich die bereits von den Alten erwähnte leichte Erregbarkeit auch bei ihnen bestätigt. Am meisten ähneln sie dem Rothsteißaffen, ihrem indischen Verwandten. Sie sind gute Fußgänger, aber mangelhafte Kletterer, obwohl sie immerhin mit größerer Leichtigkeit als Paviane Bäume besteigen und mit ziemlichem Geschick Sätze von einem Baume zum anderen ausführen können. Mit ihrem Wärter hatten sich die in Rede stehenden Stücke binnen kurzem innig befreundet, obgleich sie die ihnen innewohnende Tücke niemals ganz lassen konnten. Kleine Hunde, Katzen und andere Säugethiere warteten sie mit besonderer Vorliebe, und stundenlang konnten sie sich beschäftigen, ihnen das Fell nach schmarotzenden Gästen abzusuchen, erkannten es auch dankbar an, wenn der Wärter ihnen scheinbar dieselbe Gefälligkeit erwies, d.h. ihnen die Haare des Felles auseinanderlegte und that, als ob er reiche Jagd mache. Alle vier starben in kurzer Zeit dahin, ohne daß es uns möglich war, eine Ursache dafür aufzufinden.

Der Magot ist der einzige Affe, welcher noch heutigen Tages wild in Europa gefunden wird. Leider konnte ich während meines Aufenthaltes in Südspanien (1856) über die Affenherde, welche die Felsen von Gibraltar bewohnt, nichts Genaues und Ausführliches erfahren. Man erzählte mir, daß jene Gesellschaft noch immer ziemlich zahlreich sei, aber nicht eben häufig gesehen werde. Von der Festung aus beobachte man die Thiere oft mit Fernröhren, wenn sie, ihrer Nahrung nachgehend, die Steine umwälzen und den Berg herabrollen. In die Gärten kämen sie selten. Auch die Spanier wissen nichts darüber anzugeben, ob die Thiere von allem Anfange an Europäer waren, oder solches erst durch ihre Verpflanzung aus Afrika herüber wurden.

[141] A.G. Smith berichtet über seine an Ort und Stelle gesammelten Erfahrungen. Er theilt zunächst mit, daß das Vorkommen der Thiere in Europa wiederholt in Zweifel gezogen, ja als einfältiges Märchen betrachtet und selbst von einem vielfach in Gibraltar verkehrenden Schiffskapitän geleugnet worden sei, und versichert, daß er beinahe selbst allen Glauben verloren gehabt habe. Aber er wurde eines Besseren belehrt, als er den Flaggenstock auf dem Gipfel des Felsens besuchte, um sich an der herrlichen Rundschau zu laben. Der Flaggenwächter theilte ihm ganz gelegentlich mit, daß »die Affen im Umzuge begriffen seien«. Nunmehr zog unser Gewährsmann die sorgsamsten Erkundigungen ein, und ihnen verdanken wir das Nachstehende.

»Auf diesem Felsen haben die Affen seit unvordenklichen Zeiten Fuß gefaßt; wann aber oder wie sie über die See gekommen sind, ist nicht leicht zu bestimmen, und die maurische Sage, daß sie zwischen Gibraltar und Marokko noch jetzt durch einen unterirdischen Gang unter der Meerenge ab- und zugehen, klingt doch etwas gar zu märchenhaft. Gewiß ist nur, daß sie da sind, obschon bedeutend an Zahl zurückgebracht, sodaß während einiger Jahre die ganze Gesellschaft sich auf eine kleine Bande von vier belief. Man sieht sie selten; sobald aber der Wind wechselt, ändern auch sie gewöhnlich ihren Aufenthalt. Weichlich und zärtlich, wie sie sind, scheuen sie jede plötzliche Abwechselung des Wetters, namentlich das Umsetzen des Windes von Ost nach West oder umgekehrt, und suchen sich dagegen zu schützen, indem sie sich hinter die Felsen ducken. Sie sind sehr lebendig und wählen zu ihrer Wohnung am liebsten die steilen Abgründe, wo sie sich im ungestörten Besitze vieler Höhlen und Löcher in dem lockeren Felsen befinden. Jedenfalls kann es ihnen nicht schwer werden, sich ihre Nahrung zu verschaffen; denn sie erscheinen sehr wohlgenährt. Ueppig wachsen zwischen den losen Steinen viele Pflanzen, deren Blätter und Früchte sie fressen; besonders aber lieben sie die süßen Wurzeln der Zwergpalme, welche dort sehr häufig ist; zur Abwechselung verzehren sie sonst auch Käfer und andere Kerbthiere. Manchmal sollen sie auch (ich kann es aber nicht verbürgen) von den Felsen herunterkommen und die Gärten der Stadt plündern, wenn reifes Obst allzu sehr lockt, als daß es nicht natürliche Liebe zur Einsamkeit besiegen sollte. Man hält sie gewöhnlich für außerordentlich scheu und sagt, daß sie bei dem geringsten Geräusche flüchteten; mein Berichterstatter stellte dies jedoch in Abrede und zeigte mir zum Beweise seiner Behauptung einige Felsen, von wo aus sie ihn an demselben Morgen angestiert hatten, ohne durch die Farbe seiner englischen Uniform oder durch seinen Unteroffiziersblick sich irre machen zu lassen. Ziemlich lange Zeit blieben sie etwa einige dreißig oder vierzig Ellen von der Brustwehr stehen, an welcher er lehnte, und zogen sich schließlich in aller Muße zurück. Daß man sie so selten sieht und fast nur während ihres ›Umzuges‹ zur entgegengesetzten Seite des Felsens, scheint auf ein sehr scheues, ungeselliges Wesen zu deuten: denn Niemand verfolgt sie; vielmehr bewahrt man sie ängstlich vor jeder Belästigung. Seit wie lange ihnen ein solcher Schutz schon gewährt wird, konnte ich nicht erfahren; gewiß aber geschieht es bereits so lange, als Gibraltar im Besitze der Engländer ist. Seit 1855 hat der Quartiermeister sie nicht nur unter seine besondere Obhut genommen, sondern auch sorgfältig für ihr jedesmaliges Erscheinen und ihre Anzahl Buch geführt. Ich entnehme dieser Buchung, daß sie durchschnittlich alle zehn Tage einmal gesehen wurden, manchmal etwas häufiger; daß sie im Sommer ebenso wohl wie im Winter ›umziehen‹, stets mit der Absicht, dem Winde zu entgehen; endlich, daß sie im Jahre 1856 sich auf zehn beliefen, nach und nach aber bis auf vier heruntergekommen sind. Ihr gänzliches Aussterben steht leider zu erwarten; denn diese vier sollen sämmtlich eines Geschlechtes sein. Sollte unter den vielen englischen Offizieren zu Gibraltar keiner aufopfernd genug sein, einige Affen von der entgegensetzten Küste der Berberei einzuführen, da dorthin mindestens wöchentlich Verbindung statthat? Wäre Niemand zu finden, welcher auch nur ein halbes Dutzend kaufte und sie unter ihren Artgenossen auf dem Felsen losließe? Dann könnten wir hoffen, daß dieser Affenstamm noch einmal aufblühte und so diese anziehende Ordnung der Säugethiere auch fernerhin in Europa vertreten bliebe.«

[142] Ein Jahr später berichtet Posselt über dieselben Affen: »Auf der Ueberfahrt von Cadix nach Gibraltar hatte ich mich nach den Affen erkundigt, und ein in Gibraltar ansässiger Engländer mir versichert, daß es keine mehr gäbe. In der Stadt sagte man mir, daß allerdings noch Affen da wären, gab mir auch die Anzahl von drei bis fünfzehn an, da sie sich in den steilsten und unzugänglichsten Theilen aufhielten und sehr scheu wären. Ohne Führer bestieg ich langsam den bequemsten Weg und bog auf etwa zwei Drittel der Höhe vom Hauptwege, welcher nach der Signalstation führt, links ab nach dem höchsten nördlichen Gipfel des Felsens. Das herrliche Landschaftsbild, welches sich unter mir ausbreitete, fesselte mich so, daß ich die Affen ganz vergessen hatte, als plötzlich bei der letzten Biegung des Weges meine Aufmerksamkeit durch einen eigenthümlichen, scharfen Laut, welchen ich zuerst für das entfernte Kläffen eines Hundes hielt, erregt wurde. Etwa zweihundert Schritte vor mir lag die erste Batterie mit ihren nach Spanien hin drohenden eisernen Kanonen. Auf der gemauerten Brustwehr dieser Batterie lief, langsam sich von mir entfernend, ein Thier von der Größe eines schottischen Dächsels, und von ihm kam der Laut her. Ich blieb stehen und sah nun, daß es einer der Affen war, welcher hier wahrscheinlich Wache gehalten hatte. Denn am Ende der Mauer gegen das Mittelmeer zu lagen zwei andere behaglich im Sonnenscheine ausgestreckt. Schritt für Schritt näherte ich mich langsam der anziehenden Gruppe, welche sich jetzt eng zusammendrückte und mich aufmerksam beobachtete. Auf etwa hundert Schritte nahe gekommen, stand ich still und beobachtete die nach und nach wieder unbefangen werdenden Thiere. Auf tausenderlei Arten bezeigten sie ihr Wohlgefallen am warmen Sonnenscheine, bald sich umarmend, bald sich behaglich auf der Mauer umherwälzend. Manchmal sprang einer spielend auf die Kanonen und kam, durch die Schießöffnungen schlüpfend, von der anderen Seite her wieder zu seinen wartenden Kameraden zurück; kurz, sie schienen sich da ganz häuslich eingerichtet zu haben und entschlossen zu sein, den schönen Sonnenschein aufs beste zu genießen.

In früheren Jahren zahlreich, sind sie jetzt auf die geringe Zahl von drei zusammengeschmolzen und vermehren sich nicht mehr, ohne Zweifel, weil sie von einem Geschlechte, entweder alle Männchen oder Weibchen sind, so daß die kleine Familie bald ganz aussterben wird. Die Gartenbesitzer pflegten früher Fallen zu stellen, um ihre Erzeugnisse gegen die Einfälle dieser gefräßigen, große Verheerungen anrichtenden Gäste zu sichern. So war der Schutz des mächtigen England nicht ausreichend, diese Urbewohner seiner stärksten Festung vor dem Untergange zu bewahren, und in wenig Jahren wird Europa's Fauna um eine interessante Thiergattung ärmer sein«.

Zur Beruhigung aller Thierfreunde kann ich mittheilen, daß die Befürchtung Posselts sich nicht bewahrheitet, seither im Gegentheile ihre Begründung verloren hat. Durch Vermittelung meines Bruders wandte ich mich an den Befehlshaber der Festung selbst, mit der Bitte um Auskunft, und empfing folgenden Bericht:

»Die Anzahl der Affen, welche gegenwärtig unseren Felsen bewohnen, beträgt elf Stück. Da man gefunden hat, daß sie auf den Felsen ohne Mühe genügende Nahrung finden, werden sie nicht gefüttert, sondern gänzlich sich selbst überlassen. Der Signalwächter wie die Sicherheitsbeamten wachen über ihre Sicherheit und verhindern, daß sie gejagt oder sonstwie beunruhigt werden. Ersterer führt Buch über sie und ist, da sie sich stets zusammenhalten, immer genau über sie wie über Zu- oder Abgang unter ihnen unterrichtet.

Wann und wie sie auf den Felsen gelangt sind, weiß Niemand zu sagen, obschon man hierüber die verschiedensten Ansichten aussprechen hört. Vor etwa sechs oder sieben Jahren waren sie bis auf drei Stück zusammengeschmolzen; Sir William Codrington aber, fürchtend, daß sie gänzlich aussterben würden, führte ihrer drei oder vier von Tanger ein, und seitdem haben sie sich wieder bis auf die angegebene Höhe vermehrt«.

Europa wird also seine Affen noch nicht verlieren.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CXXXIX139-CXLIII143.
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