Delfin (Delphinus Delphis)

[704] Der Delfin, Schnabelfisch oder Springer, von den alten Griechen »Delphis«, von den alten Römern »Delphinus«, von den Franzosen »Dauphin«, von den Engländern »Dolphin«, den Italienern »Delfino«, von den Spaniern »Delfin« und »Tonino« genannt (Delphinus Delphis, Delphinus delphinus, antiquorum und vulgaris), erreicht durchschnittlich eine Länge von 2 Meter, welcher eine etwa 30 Centim. hohe Rückenfinne und eine 55 bis 60 Centim. lange und 15 bis 18 Centim. breite Brustfinne entspricht. Der verhältnismäßig kleine Kopf nimmt ungefähr den vierten Theil der ganzen Körperlänge ein und zeichnet sich aus durch leicht gewölbte, sanft abfallende Stirn, welche durch eine Querfurche und eine hinter derselben befindliche wulstartige Erhöhung von der mittellangen, ziemlich gestreckten, vollkommen geraden, oben und unten flachgedrückten, schnabelartigen Schnauze sehr deutlich geschieden wird; die langgeschlitzten, herzsternigen Augen liegen in geringer Entfernung hinter und über den Mundwinkeln, das überaus kleine Ohr nahe hinter dem Auge, das Spritzloch zwischen den Augen. Der eher gedrungene als gestreckte, spindelförmige Leib ist in der Vorderhälfte des Körpers gerundet, in der hinteren seitlich schwach zusammengedrückt, die Rückenfinne schmal, hoch und spitzig, am vorderen Rande gewölbt, am hinteren ziemlich tief ausgeschnitten, also fast sichelförmig, die Brustfinne, welche im ersten Drittel des Körpers sich einlenkt, etwas länger und schmäler als die Rückenfinne, die in zwei stumpfspitzige Lappen getheilte Schwanzfinne nur in der Mitte ein wenig eingebuchtet, die Haut ungemein glatt und nicht bloß glänzend, sondern förmlich schillernd, oberseits grünlichbraun oder grünlichschwarz, unterseits scharf, jedoch nicht in gerader Linie begrenzt, blendend weiß, seitlich hier und da graulich oder schwärzlich gefleckt. Die Anzahl der Zähne unterliegt bedeutenden Schwankungen. Gewöhnlich findet man zweiundvierzig bis funfzig in jedem Kiefer, hat jedoch auch schon Delfine erlegt, welche deren jederseits oben und unten dreiundfunfzig, also im ganzen die erstaunliche Anzahl von zweihundertundzwölf hatten. Die Zähne selbst stehen in gleichmäßigen Abständen, durch kleine Zwischenräume getrennt, neben einander, so daß die oberen zwischen die unteren und die unteren zwischen die oberen eingreifen, sind langgestreckt, kegelförmig, sehr spitzig und von außen nach innen schwach gekrümmt, die mittleren die längsten, die vorderen wie die hinteren, ziemlich gleichmäßig abnehmend, merklich kürzer.

Alle Meere der nördlichen Halbkugel sind die Heimat dieses berühmten Thieres, welches so erheblich zur Unterhaltung der Seefahrer und Reisenden beiträgt. In seinem Wesen und Treiben erinnert der Delfin in jeder Beziehung an seine begabteren Verwandten, nur zeigt er sich womöglich noch spiellustiger und launenhafter als alle. Bald treibt er sich, von der Küste entfernt, im hohen Meere herum, bald steigt er weit in den Flüssen empor. Seine Trupps kommen auf die Schiffe zu, umspielen diese lange Zeit, ehe sie wieder eine andere Richtung nehmen, tauchen ohne Unterlaß auf und nieder, erheben den Rücken des Kopfes auf Augenblicke über die Oberfläche des Wassers, wechseln unter schnaubendem Geräusche, indem sie einen dampfartigen Strahl ausstoßen, Luft und verschwinden wieder in der Tiefe. Sie schwimmen so außerordentlich rasch, daß sie nicht allein dem Gange des schnellsten Dampfschiffes mit Leichtigkeit folgen, sondern dabei noch allerlei Gaukeleien treiben und, wenn sie wollen, das Schiff nach Belieben umschwärmen, ohne dabei zurückzubleiben. Nach eigenen Beobachtungen halten sie sich meist nur in geringer Tiefe unter der Oberfläche und immer in einem dichtgedrängten Trupp, so daß der eine unmittelbar neben oder vor dem anderen dahineilt. Gelegentlich schnellt dieser oder jener über das Wasser empor, fällt, ohne lautes Geräusch zu verursachen, kopflings wieder in die Tiefe hinab und nimmt eilfertig seine frühere Stellung wieder ein. Lösche schildert, meine Beobachtungen bestätigend, aber wesentlich erweiternd, ihr heiteres Treiben in trefflicher Weise. »Jeder Seemann«, sagt er, »freut sich immer wieder, wenn er eine sogenannte ›Schule‹ oder Schar von Delfinen sieht. In einen langen und verhältnismäßig schmalen Zug geordnet, eilen die lustigen Reisenden durch die leicht bewegte See; mit hurtigen Sprüngen und einer Schnelligkeit, als gälte es ein Wettrennen, verfolgen sie ihren Weg. Ein bis zwei Meter weit schnellen sich die glänzenden Leiber in zierlichen Bogen durch die [705] Luft, fallen kopfüber in das Wasser und schießen von neuem heraus, immer dasselbe Spiel wiederholend. Die Uebermüthigsten der Schar überschlagen sich in der Luft, indem sie dabei in urkomischer Weise mit dem Schwanze wippen; andere lassen sich flach auf die Seite oder auf den Rücken fallen; noch andere springen kerzengerade empor und tanzen, indem sie sich drei-, viermal mit Hülfe des Schwanzes vorwärts schnellen, aufrecht stehend oder wie Sprenkel gebogen über die Oberfläche dahin. Kaum sehen sie ein Schiff, welches unter allen Segeln vor der leichten Brise herläuft, so schwenken sie ab und kommen auf dasselbe zu. Nun beginnt erst die wahre Lust. In weitem Bogen umkreisen sie das Fahrzeug, hüpfen vor ihm her und an den Seiten entlang, kehren zurück und geben ihre schönsten Kunststücke zum besten. Je schneller das Schiff segelt, um so ausgelassener ist ihr Treiben.«

Sie bilden enggeschlossene Schulen von zehn, hundert und auch vielen hundert Mitgliedern. Lösche hat in den Meeren unter den Wendekreisen solche gesehen, welche vielleicht viele tausende zählten. Geselligkeit ist in der That ein Grundzug ihres Wesens, scheint aber mehr auf der Gemeinsamkeit der von ihnen verfolgten Zwecke als gegenseitiger Anhänglichkeit zu beruhen. Die Alten glaubten freilich das letztere und wußten die gegenseitige Liebe und Zuneigung der Delfine nicht hoch genug zu rühmen. »Die Delphin«, sagt unser alter Freund Geßner, jene Angaben wiedergebend, »haben ein sonderbare geselschafft und liebe zusamen, nit allein sie gegeneinander, sondern gegen jren jungen, eltern, abgestorbenen, auch gegen etlichen andern Wallfischen und dem Menschen. Dann daz sie eine sonderliche liebe gegen jren jungen tragen erscheint auß dem, daß sich das Männle und Weible paren gleich einer Ehe, allzeit ein par bey einander, zu zeiten gantze hauffen gesehen werden, sie jre jungen erziehen, ernehren, säugen, mit grosser freud tragen, in jren schnabel fassen, beleiten, führen und weisen zu jagen, und so sie in der ordnung herein fahren zu kempffen, so stellen sie die Jungen zu end, sonst zu schwimmen, stellen sie die jungen vornen an, demnach die Weible, zu end die alten Männer, welche auff sie liegen, acht und sorg haben, summa verlassen sie nimmer, ob sie gleich gefangen, mit dem hacken durchschlagen, gegen dem gestad herauß geschleifft, so folgen sie doch so streng herach die jungen zu eretten, so daß man die auch mit der Hand schlahen und schedigen mag und also die alte Mutter mit dem jungen gefangen wirt. Ire Eltern so kraftloß worden, ernehren und speisen sie, sind jenen behülfflich in jrem schwimmen, mit lupffen und schalten.«

In Wirklichkeit scheint sich die Sache doch wohl anders zu verhalten, als Geßner meint. Daß die Delfine treu zusammenhalten und sich unter Umständen gegenseitig vielleicht auch vertheidigen und schützen, darf wohl nicht gänzlich in Abrede gestellt werden: ob aber die zarteren Gefühle wirklich auch den Sieg über ihre, hinter der keines anderen Delfines zurückstehende Gefräßigkeit und Raubgier in allen Fällen davontragen, dürfte sehr fraglich sein. Während unserer Reise auf dem Rothen Meere wurde unser Dampfschiff regelmäßig von Delfinen umschwärmt, und mehrmals kamen diese unmittelbar vor dem Buge des Schiffes so hoch zur Oberfläche empor, daß ein erfolgreicher Schuß auf sie abgegeben werden konnte. Sogleich nach dem Schusse färbte sich das Wasser roth von dem gewaltsam ausströmenden Blute; der getroffene Delfin drehte sich einige Male um sich selbst herum und kam dann langsam zur Oberfläche empor. Alle übrigen Mitglieder der Bande blieben augenblicklich beim Leichname zurück, nach Versicherung unseres erfahrenen Schiffsführers aber nur in der edlen Absicht, den liebwerthen Genossen aufzufressen. Das Gebiß bekundet deutlich genug, daß der Delfin zu den schlimmsten Räubern des Meeres gehört.

Seine Nahrung besteht aus Fischen, Krebsen, Kopffüßlern und anderen Seethieren. Am liebsten jagt er den Sardellen, den Häringen und mit besonderer Gier den fliegenden Fischen nach. Er ist es hauptsächlich, welcher diese sonderbaren Bewohner des Meeres über den Wasserspiegel emportreibt; denn gar nicht selten sieht man ihn selbst hinter den aufgestiegenen und dahinrauschenden Flugfischen emporschnellen und dann eilig in der von jenen angegebenen Richtung weiter schwimmen. Nach drei- bis viermaligem Auftreiben hat er die fliegenden Fische gewöhnlich so abgehetzt, daß sie ihm leicht zur Beute werden. Bei dieser Fangart sind Möven, Tölpel und andere [706] Seevögel seine treuen Gehülfen, indem sie die aus dem Wasser in die Luft getriebenen Fische während des Fliegens verfolgen und sie wiederum dem unten auflauernden Räuber zutreiben.

Zehn Monate nach der Paarung, welche im Herbst geschieht, wirft das Weibchen ein Junges von 50 bis 60 Centim. Länge, und beweist ihm geraume Zeit die größte Zärtlichkeit. Wie behauptet wird, sind die Jungen erst nach zehn Jahren vollkommen erwachsen; dafür sollen sie aber auch, wie ein alter griechischer Schriftsteller angibt, bis hundertunddreißig Jahre alt werden. Fischer, welche gefangenen Delfinen Stücke aus der Schwanzfinne geschnitten hatten, wollen in Erfahrung gebracht haben, daß die Lebensdauer zwischen fünfundzwanzig bis dreißig Jahre beträgt.

Der Delfin hat in dem Schwertfische einen schlimmeren Feind als in dem Menschen; denn dieser verfolgt ihn nur, wenn ihn Mangel an frischem Fleisch dazu treibt. Noch heutigen Tages genießt unser Wal seitens des Menschen eine gewisse Verehrung. Doch vereinigen sich hier und da wohl einige Fischer, umringen mit ihren Booten nach altgriechischer Fangweise eine Schar von Delfinen, erschrecken sie durch plötzliches Geschrei und versuchen, sie nach dem Strande hinzutreiben, wo sie angsterfüllt auf das Trockene laufen. Dann vernimmt man ein seufzerartiges Gestöhn von den zu Tode geängstigten Thieren. Auch Walfänger, welche sich nach frischem Fleische sehnen, erlegen dann und wann einen Delfin, während dieser in gewohnter Weise das Schiff umspielt. »Die ganze Mannschaft«, so schildert Lösche, »versammelt sich am Buge und pfeift in allen Tonarten eine wahre Katzenmusik zu dem Tanze im Wasser; denn der sehr musikliebende Delfin soll hierdurch zum Bleiben ermuntert werden, bis die Harpune tückisch an eine kurze Leine befestigt und diese durch einen im oberen Tauwerke befestigten Block gezogen ist. Nun schwingt sich der Harpunier hinaus in das Tauwerk, während zwanzig bis dreißig Hände das innere Ende der Leine fassen. Ein halbes Dutzend Delfine schießt eben unter ihm vorüber; einen Augenblick folgt er, mit der Waffe zielend, einer der schlanken Gestalten: dann sendet er sie mit sicherem Wurfe in den Rücken derselben. ›Fest!‹ schreit er, und die das innere Ende der Leine haltenden Leute laufen trampelnd nach hinten und entreißen im Nu den Getroffenen seiner kristallenen Heimat. Eine Schlinge wird über des Zappelnden Schwanz geworfen, und bald liegt der lustige Springer todt auf dem Decke. Seine Genossen sind verschwunden: so schnöder Undank mußte sie vertreiben. Doch eine Meile vom Schiffe entfernt tauchen sie wieder auf und setzen in gleicher Weise, wie sie ge kommen, die Reise fort. Vielleicht umspielen sie schon in der nächsten Stunde ein anderes Schiff.« Früher verzehrten auch die meisten Küstenbewohner das Fleisch erlegter Delfine mit Behagen; namentlich geschah dies in katholischen Ländern während der Fastenzeit, weil der Delfin als echter Fisch angesehen oder doch erklärt wurde. Engländer und Franzosen richteten das Fleisch in künstlicher Weise zu und erzielten dadurch eine wenigstens ziemlich schmackhafte Speise. Gegenwärtig ist man aber fast überall von dem Genusse abgekommen. Bei den alten Römern spielte der Delfin eine Rolle in der Heilkunde. Die Leber galt als ein vortreffliches Mittel bei Anfällen vom Wechselfieber; mit dem Leberthrane heilte man Geschwüre, mit dem Rauche des angezündeten Speckes Unterleibsbeschwerden. Es wurden ganze Delfine verbrannt, die gewonnene Asche und Honig vermischt, und die Salbe dann zu allerhand Quacksalbereien verwandt. Gegenwärtig will man auch von dieser Benutzung des Wales nichts mehr wissen.

Schon im Jahre 1819 veröffentlichte Humboldt Beobachtungen über einen die süßen Gewässer Südamerikas bewohnenden Delfin, ohne jedoch eine nähere Beschreibung desselben zu geben. Desmarest erhielt im folgenden Jahre das fragliche Thier aus dem Museum zu Lissabon und beschrieb es, aber noch immer sehr kurz und unvollständig. Genauere Nachrichten übergaben im Jahre 1831 unsere verdienstvollen Landsleute Spix und Martius der Oeffentlichkeit; erst dem Franzosen D'Orbigny jedoch verdanken wir die endgültige Beschreibung. Dieser Forscher, welcher [707] bald nach Spix und Martius Peru bereiste, war so glücklich, das Thier selbst zu erhalten. Mit den Forschungen unserer Landsleute unbekannt, erfuhr er zu seiner nicht geringen Verwunderung, daß tief im Inneren des südamerikanischen Festlandes, fünfhundert Meilen vom Atlantischen Weltmeere, ein großer »Fisch« lebe, welchen er, der Beschreibung nach, nur als Delfin zu deuten vermochte. Leider waren die Indianer mit dem Gebrauche der Harpune so wenig vertraut, daß sie ihm das fragliche Thier nicht zu liefern vermochten. Endlich erlangte er den Delfin bei dem brasilianischen Grenzposten Principe Dobeira, dessen Soldaten mit diesem Fange sich beschäftigten, und erhielt hierdurch Gelegenheit, ihn zu zeichnen und zu beschreiben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 704-708.
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