Buckelwal (Megaptera longimana)

[727] Sehr lange Brustflossen, welche mindestens ein Fünftel, oft ein Viertel, der Gesammtlänge erreichen, vierundfunfzig bis fünfundfunfzig Wirbel und vierzehn unter sich gleiche Rippen kennzeichnen die Langflossenwale (Megapterina), welche der Buckelwal, »Humpback« der Engländer, »Rorqval« der Norweger, »Keporkak« der Grönländer (Megaptera longimana, Balaena boops und longimana, Kyphobalaena boops), das Urbild der gleichnamigen Sippe (Megaptera), vertritt. Dieser allverbreitete, in jedem Weltmeere vorkommende Wal erreicht eine Länge von 18 bis 23 Meter, seine Brustfinne bei etwa Meterbreite eine solche von 4 bis 5 Meter, die Schwanzflosse eine Breite von 5 bis 6 Meter. Er zählt zu den plumpesten Gliedern seiner Familie. Verglichen mit anderen Röhrenwalen, ist er entschieden häßlich, sein Leib kurz und dick, längs des Rückens kaum merklich, auf der Unterseite schon vom Unterkiefer an sehr bedeutend gewölbt, der vordere Theil des Leibes überall ausgebaucht, der hintere gegen den Schwanz hin außerordentlich verschmächtigt, der Unterkiefer merklich länger und breiter als der obere, seine Brustfinne fast unverhältnismäßig lang und seine Schwanzfinne außerordentlich entwickelt. Auf dem Rücken erhebt sich im letzten Viertel der Gesammtlänge eine sehr verschieden gestaltete und ausgebildete Fettflosse, der Buckel; ebenso bemerkt man vorn in der Mitte des Kinnes eine höckerige Auftreibung und am oberen Theile der Dünnungen, also in der Kreuzgegend, etwa in der Mitte zwischen dem Buckel und der Schwanzflosse, eine knorrige Erhöhung, auf der Scheitelmitte endlich unregelmäßige, rundliche Beulen, welche sich bei einem Durchmesser von etwa 10 Centim. um 2 bis 3 Centim. erheben. Achtzehn bis sechsundzwanzig 10 bis 15 Centim. breite Falten, welche einer sehr großen Ausdehnung fähig sind und, wie man annimmt, dem Thiere ermöglichen, seinen Rachen nach Belieben mehr oder weniger auszudehnen, verlaufen vom Unterkiefer an über Kehle und Brust, bis hinter die Gegend der Brustfinne. Die Färbung der übrigens glatten Haut ändert vielfach ab. Auf der Oberseite herrscht gewöhnlich ein mehr oder minder gleichmäßiges und tiefes Schwarz vor, wogegen die Unterseite des Leibes und der Brustfinnen eine weißliche Marmelzeichnung besitzt; einzelne Stücke sind oberseits einfach schwarz, unterseits rein weiß, andere oben und unten schwarz, wieder andere oben schwarz, unten weiß, ihre Brust-und Schwanzfinne aber unterseits dunkelaschfarben gefärbt. Da nun, nach Scammons Erfahrungen, auch die Brust- und Schwanzfinnen in Gestalt und Größe abändern, erstere beispielsweise bei einzelnen Stücken ungemein lang, schmal und spitzig, bei anderen verhältnismäßig kurz und breit sind, bei wieder[727] anderen eine Mittelform einnehmen; da ferner ebenso die Schwanzfinne bald schmäler, spitziger und mehr halbmondförmig, bald breiter und am hinteren Ende gerade abgeschnitten ist; da endlich die Rückenfinne sowie die erwähnten Erhebungen und die Falten auf der Unterseite vielfachem Wechsel unterworfen sind: muß man alle von Gray und anderen bis jetzt unterschiedenen Langflossenwale wohl als gleichartig ansehen, um so mehr, als sämmtliche Spielarten nicht allein in einer und derselben Gegend des Meeres, sondern in denselben Herden gefunden werden und in ihren Sitten und Gewohnheiten nicht im geringsten sich unterscheiden.

Wenige Bartenwale zeigen sich dem Schiffer oder Walfänger öfter und in größerer Anzahl als der Buckelwal, welcher in allen Breiten zwischen dem Gleicher und den eisigen Meeren des Nordens und Südens wie auf hoher See oder in der Nähe der Küste, beziehentlich in allen größeren Buchten und weiteren Sunden vorkommt und alljährlich regelmäßig von den Polen aus nach dem Gleicher zu wandern scheint. So sieht man in der Bai von Monterey in Oberkalifornien die meisten Buckelwale in den Monaten Oktober und November und ihrer nur wenige zwischen April und December, weil die großen Gesellschaften vom Frühlinge an bis zum September nordwärts wandern und erst vom September an wieder nach Süden zurückkehren. An der grönländischen Küste bemerkt man ihn, laut Brown, nur in den Sommermonaten, an den Westküsten Amerikas hingegen im ganzen Jahre, wenn auch nicht in allen Monaten an denselben Stellen. Mit besonderer Regelmäßigkeit besucht er, nach Scammons Erfahrungen namentlich der weibliche Buckelwal, gewisse Oertlichkeiten, um hier zu gebären: so beobachtete unser Gewährsmann in den Jahren 1852 und 1853 während der Monate Juli und August zahlreiche Scharen im Golfe von Guayaquil an der Küste von Peru, im Monat December aber viele Weibchen oder Kühe mit ihren wenige Tage alten Kälbern in der Bai von Banderas an der Küste von Mejiko unter dem 20. Grade nördlicher Breite, ebenso im Mai 1855 in der Magdalenenbucht an der Küste Unterkaliforniens, etwa unter dem 24. Grade der Breite, nicht minder zahlreiche Gesellschaften, welche ebenfalls hauptsächlich aus Weibchen und ihren größeren oder kleineren Jungen bestanden. Das Auftreten des Buckelwales ist übrigens fast immer ein unregelmäßiges, und dasselbe gilt für seine Bewegungen. Selten durchzieht er auf geradem Wege irgendwie erhebliche Strecken, gefällt sich vielmehr unterwegs, bald hier, bald dort mehr oder minder lange Zeit zu verweilen, ändert auch wohl seine Richtung. Ebenso bemerkt man ihn zu Zeiten in zahlreichen Gesellschaften, welche eine weitere Fläche des Meeres, als der Blick von der Höhe des Mastkorbes überschauen kann, einnehmen können, wogegen er zu anderen Zeiten einzeln dahin zieht, sich aber gleichwohl geberdet, als ob er von hunderten seinesgleichen begleitet würde, indem er sich in allen Stellungen und Spielen seiner Familiengenossen gefällt. Bezeichnend für ihn sind die wellenförmigen Bewegungen, das starke Runden seines Leibes, das Hervorstrecken der einen oder anderen Brustflosse und die Unregelmäßigkeit der Straße, welche er zieht. Selbst wenn er unter dem Wasser dahinschwimmt, wirft er sich oft von einer Seite auf die andere und wiegt sich förmlich in seinem Elemente, ganz so wie ein Vogel in der Luft. Wenn er seine gewaltigen Lungen nach Behaglichkeit füllt und entleert, wirft er sechs-, acht-, zehn-, und selbst funfzehn- bis zwanzigmal nach einander einen doppelten Strahl in die Luft, welcher bald schwach, bald stark sein, bald nur zu anderthalb bis zwei Meter, bald wiederum bis zu sechs Meter Höhe ansteigen kann. Seine Nahrung besteht vorzugsweise in kleinen Fischen und niederen Krebsthieren.

Die Spiellust des Buckelwales erhöht sich während der Paarungszeit. Beide Geschlechter liebkosen sich in ebenso ungewöhnlicher wie unterhaltender Weise, versetzen sich nämlich gegenseitig liebevolle Schläge mit ihren Brustflossen, welche zwar jedenfalls höchst zärtlich gemeint, immerhin aber so derb sind, daß man das Klatschen derselben bei stillem Wetter meilenweit hören kann. Nach solchen Kundgebungen ihrer Stimmung rollen sie sich von einer Seite auf die andere, reiben sich gegenseitig sanft mit den Finnen, erheben sich theilweise über das Wasser, wagen vielleicht auch einen Luftsprung und ergehen sich in anderen Bewegungen, welche sich leichter beobachten als [728] beschreiben lassen. Die Trächtigkeitsdauer kennt man nicht, glaubt aber annehmen zu dürfen, daß dieselbe zwölf Monate nicht überschreite. Das neugeborene Junge, welches etwa den vierten Theil der Größe seiner Mutter hat, wird in derselben Weise gesäugt, geliebt, erzogen und vertheidigt wie der Sprößling anderer Wale.

Obwohl der Nutzen des gefangenen Buckelwales nicht unbeträchtlich ist, steht er doch weit hinter dem des Pott- oder des Grönlandwales zurück, weil sein Speck oder Fett unverhältnismäßig weniger Thran gibt, als man nach der Schätzung annehmen sollte. Vierzig Tonnen Thran gelten schon als gute Ausbeute. Der Walfänger Walker erbeutete, wie Brown mittheilt, in Ermangelung besserer Jagd funfzehn Buckelwale in der Diskobai und erhielt von ihnen so viel Speck, daß er seiner Schätzung nach auf mindestens siebzig Tonnen Thran rechnen zu dürfen glaubte, gewann in Wahrheit aber nur achtzehn Tonnen. Aus diesem Grunde beunruhigt man, mindestens in den grönländischen Gewässern, den Buckelwal nur dann, wenn man nichts besseres zu thun weiß. Einzelne Jahre hindurch wurden regelmäßig einzelne Keporkaks in der Nähe von Friedrichshafen in Südgrönland gefangen, während man im Norden kaum auf sie achtete: als Brown im Hafen von Egedesmünde sich aufhielt, konnte er in Erfahrung bringen, daß ein großer Keporkak in die Bucht hineinkam und dieselbe ungefährdet wieder verließ, weil keiner von den vielen Fischern des Platzes irgend welche Lust zur Jagd zeigte. Längs der amerikanischen Küsten stellt man, laut Scammon, auch diesem Wale ziemlich regelmäßig nach und wendet dabei dieselben Mittel an wie bei der Jagd des gemeinen Walfisches. Da der Keporkak leicht zu Boden sinkt, sucht man ihn zunächst zu harpuniren und dann erst durch die jetzt sehr gebräuchliche Bombenlanze zu tödten; sinkt er dennoch zur Tiefe, so bezeichnet man die Stelle durch eine an das andere Ende der Leine gebundene Boje und versammelt später die nöthige Mannschaft, um den schweren Gegenstand bis zur Oberfläche des Wassers emporzuheben. So viel Kraftanstrengungen das Aufwinden anfangs erfordert, so leicht hebt sich der Wal, wenn er in die Nähe der Oberfläche gekommen ist; ja, es geschieht zuweilen, daß er, falls er nur einige Zeit in der Tiefe gelegen und die Fäulnis bereits begonnen hat, mit so großer Schnelligkeit emporkommt, als wäre er noch am Leben, selbst über das Wasser emporgeschleudert wird und die Boote dabei ernstlich gefährdet. Seit der Erwerbung von Alaska ziehen die Amerikaner vorzugsweise dorthin, um Buckelwale zu jagen; doch auch die Buchten von Magdalena, Balenas und Monterey, welche früher als die besten Jagdgründe galten, geben noch heutigen Tages guten Ertrag. Indianer und Eskimos verfolgen und erlegen trotz ihrer erbärmlichen Waffen auch den Buckelwal, und zwar mit Hülfe von Wurfspeeren, welche so sinnreich eingerichtet sind, daß sie bei jeder Bewegung des Wales tiefer eindringen und, wenn auch langsam, so doch ziemlich sicher dessen Tod herbeiführen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 727-729.
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