Säbelantilope (Oryx leucoryx)

[231] Die dritte Art der Gruppe, von uns gewöhnlich Säbelantilope, von den Arabern Wild- oder Steppenkuh genannt (Oryx leucoryx, Antilope leucoryx und ensicornis), ist etwas plumper als die Verwandten und trägt ebenso lange, dreißig- bis vierzigmal geringelte, aber sanft gebogene, nach außen und hinten gerichtete, mit der Spitze nach unten geneigte Hörner. Das kurze, grobe, nur längs des Rückgrats und der Nackenfirste verlängerte, übrigens glatt anliegende Haarkleid ist ziemlich gleichmäßig gefärbt. Ein mehr oder weniger reines Gelblichweiß, welches auf der Unter- und Innenseite der Läufe heller, am Halse dagegen durch Rostfarben ersetzt wird, bildet die Grundfärbung; sechs Flecken von mattbrauner Farbe stehen am Kopfe, und zwar einer zwischen den Hörnern, zwei zwischen den Ohren, zwei andere zwischen den Hörnern und Augen und der sechste endlich als Streifen auf dem Nasenrücken. Alte Böcke erreichen eine Länge von reichlich 2 Meter, bei einer Schulterhöhe von 1,3 Meter.

Das Verbreitungsgebiet der Säbelantilope erstreckt sich über den nördlichen Theil von Innerafrika, von der Regengrenze an südlich. Sie ist nicht selten in Sennâr und Kordofân, in [231] Mittel- und Westsudân, kommt aber auch nach Norden hin in der Bahiudasteppe und in einzelnen Wüstenthälern Nubiens bis zur egyptischen Grenze vor.

Hinsichtlich ihrer Lebensweise dürften die Oryxantilopen im wesentlichen mit einander übereinstimmen; doch fehlen zur Zeit noch genügende Beobachtungen über ihr Freileben, und die Naturgeschichte dieser altberühmten Thiere ist noch immer lückenhaft und dürftig.

»Der Gemsbock«, sagt Gordon Cumming, »scheint von der Natur dazu bestimmt, die trockenen Karus des heißen Südafrika zu bevölkern, für welche er seiner Natur nach vortrefflich sich eignet.


Säbelantilope (Oryx leucoryx). 1/17 natürl. Größe.
Säbelantilope (Oryx leucoryx). 1/17 natürl. Größe.

Er gedeiht in unfruchtbaren Gegenden, wo man glauben sollte, daß darin kaum eine Heuschrecke Nahrung finde, und ist, trotz der Glut seiner Heimat, doch völlig unabhängig vom Wasser. Dieses trinkt er, wie ich nach meiner Beobachtung und der wiederholten Behauptung der Bauern überzeugt bin, niemals, auch wenn er es haben würde.« Unter ganz ähnlichen Um ständen leben die nördlichen Arten, obwohl sie durchaus nicht Wasserverächter sind wie der Passan. Allerdings trifft man die stattlichen Thiere, welche sich schon von weitem durch ihre gewaltige Größe auszeichnen, in den heißen, wasserlosen Steppen Südnubiens und Kordofâns an, ohne daß man begreift, wo sie ihren Durst löschen könnten; allein an denselben Orten leben auch noch eine Menge andere Thiere, welche Wasser trinken. Auch verschmähen die Oryxböcke letzteres wenigstens in der Gefangenschaft nicht.

Man sieht die Oryxantilopen gewöhnlich paarweise oder in sehr kleinen Trupps, häufig auch nur eine Mutter mit ihren Jungen. Höchst selten rudeln sich zahlreiche Gesellschaften, und solche von zweiundzwanzig Stück, wie sie Gordon Cumming sah, mögen wohl nur ausnahmsweise [232] sich vereinigen. In den unbevölkerten Gegenden sind die herrlichen Thiere nirgends selten, aber auch nirgends häufig und dabei immer so scheu und furchtsam, daß man die wenigsten von denen, welche in einer bestimmten Gegend leben, überhaupt zu sehen bekommt. Sie fliehen, ehe der Reiter ihnen sich nähert. Nach meinen Beobachtungen meiden sie den Wald; in Kordofân halten sie sich nur in der Steppe auf. Dort gibt ihnen die so reiche Pflanzenwelt hinlängliche Nahrung, und wenn dann die Zeit der Dürre und Armut, der Winter kommt, haben sie sich so viel Feist zugelegt, daß sie eine Zeitlang auch mit magerer Kost, mit ausgedörrten Halmen und blätterlosen Zweigen, vorlieb nehmen können. Nur einzelne Mimosenbüsche bieten ihnen dann noch frischere Aesung. Beim Weiden recken sie ihren Hals hoch empor, stemmen sich auch wohl mit den Vorderhufen gegen den Stamm an, um höher hinauflangen zu können. Die südafrikanischen sollen, wie englische Jäger berichtet haben, zur Zeit der Dürre nach der sogenannten Wasserwurzel graben, einer in jenen Gegenden häufigen und werthvollen lilienähnlichen Pflanze, welche die Feuchtigkeit unter ihrer festen Hülle lange erhält.

Die Oryxböcke sind schnell. Ihr Schritt ist leicht, ihr Trab hart, ihr Galopp sehr schwer, aber ausdauernd und gleichmäßig fördernd. Nur die besten Pferde sind im Stande, ihnen zuweilen nachzukommen. Die Araber der Bahiuda wie die Bakhara, welche ausgezeichnete Rosse besitzen, machen sich ein besonderes Vergnügen daraus, die Schnelligkeit ihrer Pferde an dem Laufe des Oryx zu erproben und stechen diesem, sowie er sich im letzten Augenblicke der Gefahr gegenüberstellt, die Lanze an den Hörnern vorüber von oben in die Brust. Mit anderen Antilopen scheint sich wenigstens der sogenannte Gemsbock des Kaplandes zu vertragen, da man ihn oft mit der Kanna oder Elandantilope in vollster Eintracht weiden sieht. Der Säbelbock ist, wie ich selbst beobachtet habe, ein im höchsten Grade unverträgliches Geschöpf, welches andere Thiere im Anfalle schlechter Laune oft arg mißhandelt. Man muß den Spießböcken überhaupt nachrühmen, daß sie, so scheu sie auch sein mögen, doch keineswegs die Furchtsamkeit anderer Antilopen zeigen, sondern eher etwas vom Wesen des Stieres haben. Gereizt gehen sie in heller Wuth auf den Angreifer los und suchen ihn in boshafter Weise zu verletzen. Gegen den anlaufenden Hund wissen sie sich erfolgreich zu vertheidigen, indem sie den Kopf vorbiegen und in schnellen Wendungen nach rechts und links mit solcher Kraft ausschlagen, daß sie einem Hunde ihre Hörner durch den ganzen Leib rennen, wenn jener nicht geschickt ausweicht. Lichtenstein erzählt, daß einer seiner Begleiter in der großen Karu das Geripp eines Panthers und eines Oryx neben einander liegen fand. Der Bock hatte seinen gefährlichen Feind mit einem Hornstoße getödtet, war aber selbst den vorher empfangenen Wunden erlegen. Harris hält es nicht für unmöglich, daß unter Umständen dem Löwen ein gleiches Schicksal werde. Im Augenblicke großer Gefahr stellt sich der Oryx nicht nur den Hunden, sondern auch dem Menschen gegenüber, und es heißt dann vorsichtig zu Werke gehen, wenn man nicht durch und durch gerannt sein will. Gordon Cumming entkam, wie er erzählt, nur dadurch dem Tode, daß der auf ihn anrennende Oryx wenige Schritte vor ihm, von Blutverluste erschöpft, zusammenbrach.

Ueber die Fortpflanzung im Freien fehlen noch ausführliche Berichte; angefangenen Säbelantilopen hat Weinland beobachtet, daß die Tragzeit 248 Tage in Anspruch nimmt.

Die Jagd auf alle Oryxantilopen wird mit Vorliebe zu Pferde betrieben. Cumming beschreibt eine solche in lebhafter Weise und erzählt dabei, daß er den ganzen Tag einem bereits verwundeten Passan nachgeritten sei, bis endlich das Thier nicht mehr weiter konnte. Die Hottentotten wagen nicht, einzeln Gemsböcke anzugreifen oder zu verfolgen, weil diese sich augenblicklich gegen sie wenden. Keine andere Antilope soll einen prachtvollern Anblick gewähren als der fliehende Oryxbock. Man trifft ihn nicht selten unter anderen Antilopenherden, wo er sich die Führerschaft erkämpft hat. Sobald er merkt, daß er verfolgt wird, stößt er, wie man erzählt, ein heftiges, durchdringendes Geschrei aus, hebt den Kopf empor, so daß die Hörner auf den Rücken zu liegen kommen, streckt den Schwanz gerade von sich und eilt nun in wilder Jagd über [233] die Ebene dahin, alles, was ihm in den Weg kommt, vor sich niederwerfend oder durchbohrend. Ueber Büsche, welche ihn hindern wollen, schnellt er mit einem einzigen gewaltigen Satze hin weg; durch die Herden der Zebras bricht er hindurch, Straußenherden jagt er in die tollste Flucht. Erst nach vielstündiger Verfolgung ist es möglich, in schußgerechte Entfernung von ihm zu kommen; denn er hält auch dann noch die Verfolgung aus, wenn er vom Schweiße trieft.

Auf Beisaantilopen habe ich selbst Jagd gemacht. Ich sah dieses schöne Thier zweimal im März 1862 und zwar in der bereits mehrfach genannten Samhara, das erstemal einen einzigen Bock, das zweitemal einen Trupp von sechs Stück. Der Bock wie der Trupp entflohen schon aus großer Entfernung vor uns. An den Trupp versuchten wir uns anzuschleichen; allein eine Biegung des Wassergrabens, welcher uns vollständig barg, brachte uns in den Wind, und augenblicklich setzten die Thiere sich in Bewegung. Die Beisa bewies mir dadurch, daß sie ebenso scharf windet wie das Renthier: denn wir waren noch immer fünfhundert Schritte von ihr entfernt gewesen. Durch Zufall kam derselbe Trupp eine halbe Stunde später aus siebzig Schritte mir zum Schuß, und nur ein ganz besonderes Jagdunglück hinderte, daß ich den erwählten Prachtbock nicht zusammenschoß: ich hatte vergessen, daß der Schrotlauf meines Wenders gerade oben lag, feuerte dem stolzen Gewilde eine Ladung Schrot aufs Blatt, und wurde durch den Nichterfolg meines Schusses so verdutzt, daß ich gar nicht ans Wenden dachte. Obgleich der Bock verwundet war, wandte er sich doch nicht gegen mich, wie nach Rüppells Angabe zu vermuthen gewesen wäre, sondern trollte mit den anderen ziemlich langsam und stumm davon.

Die Nomaden der Steppe fangen ab und zu einen der bei ihnen lebenden Spießböcke und bringen ihn in die Stadt, um ihn den Vornehmen des Landes oder den Europäern zum Kaufe anzubieten. Auf diese Weise habe ich während meines Aufenthaltes in Afrika mehrere erhalten. Ich kann die Gefangenen nicht rühmen. Sie sind träge, langweilig und unverträglich. Die Gefangenschaft halten sie leicht aus, lernen auch ihren Pfleger kennen und gewöhnen sich an ihn; niemals aber darf dieser ihnen trauen, weil sie ihre Hörner zuweilen, gleichsam des Spaßes wegen, in höchst gefährlicher Weise zu gebrauchen pflegen. Mit anderen Thieren darf man sie nicht zusammenhalten, da sie sich in kurzer Zeit der Herrschaft bemächtigen und ihre Genossen in abscheulicher Weise mißhandeln. Auch unter sich fangen sie ab und zu einmal Streit an und stoßen sich dann tüchtig. Dabei sind sie störrig und lassen sich nur mit größter Mühe fortschaffen. Noch heute gedenke ich einiger Tage meines Reiselebens mit wahrem Unmuthe. Wir hatten eine junge weibliche Steppenkuh erhalten und wollten dieselbe gern mit uns nehmen. Das einfachste würde natürlich gewesen sein, sie an den Hörnern zu binden und neben dem Kamele laufen zu lassen; allein das gute Thier wollte nicht mit uns spazieren, und die Araber versicherten einstimmig, daß das »junge Rind der Steppe« noch gar nicht marschfähig wäre. Deshalb erhielt einer unserer Diener den Auftrag, das große unbehülfliche Geschöpf mit sich auf das Kamel zu nehmen. Ein Teppich wurde zu diesem Zwecke der Antilope um den Leib geschnürt und dann am Sattel befestigt. Der Oryx schien über diese Art der Fortschaffung äußerst entrüstet zu sein und stieß den Diener und das Kamel mit seinen spitzigen Hörnern. Das Reitthier, welches anfänglich bloß murrte, bekam endlich eine so ungewohnte Behandlung satt und ging durch. Nun versuchte ich, die Antilope weiter zu schaffen, und empfing anstatt unseres Aali die Hornstöße. Es wurde ein erneuter Versuch gemacht, das Steppenrind zum Gehen zu bringen, doch er scheiterte an dessen Störrigkeit. Nochmals wurde das Thier aufs Kamel gebracht, und schon glaubte ich, daß jetzt alles gut gehen würde, als der Oryx plötzlich aus seiner Umhüllung heraussprang und mit raschen Schritten davon eilte. Wir setzten ihm nach, waren aber nicht im Stande, ihn wieder zu erlangen. Jetzt zeigte er, daß er marschfähig war, fühlte auch seine Freiheit viel zu sehr, als daß er sich von neuem in unsere Gewalt begeben hätte.

In der Neuzeit ist die »Steppenkuh« oft nach Europa gekommen und hat sich in den Thiergärten recht wohl erhalten, auch ohne besondere Schwierigkeit hier sich fortgepflanzt. Weit seltener [234] sieht man den Passan und noch viel weniger die Beisa, welche gegenwärtig noch den meisten Museen fehlt.

Man benutzt Fleisch und Fell der Oryxantilope in der gewöhnlichen Weise. Die geraden Hörner des Passan und der Beisa werden oft als Lanzenspitzen verwendet. Man wartet, bis die Hornschalen bei beginnender Fäulnis von dem starken Zapfen sich lösen, zieht sie dann ab, setzt sie auf gewöhnliche Lanzenstäbe, und die Waffe ist fertig. Die Europäer am Kap lassen die Hörner auch wohl poliren, mit silbernen Knöpfen versehen und gebrauchen sie sodann als Spazierstöcke.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 231-235.
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