Elfte Familie: Hufpfötler (Caviina)

[422] Als äußerliche Kennzeichen der Familie der Hufpfötler oder Ferkelhasen (Caviina) gelten ein mehr oder weniger gestreckter, auf hohen Beinen ruhender Leib, vierzehige Vorder- und drei bis fünfzehige, mit großen, hufartigen, oben gekielten Nägeln bekleidete, nacktsohlige Füße, ein stummelhafter Schwanz, mehr oder minder große Ohren und grobe Behaarung. Vier Backenzähne in jeder Reihe von ungefähr gleicher Größe und große, breite, vorn gewöhnlich weißgefärbte Nagezähne bilden das Gebiß. Die Wirbelsäule zählt in der Regel 19 rippentragende, 4 Kreuz- und 6 bis 10 Schwanzwirbel. Das ganze Geripp ist kräftig, zuweilen plump gebaut.

Alle Ferkelhasen bewohnen ausschließlich Süd-und Mittelamerika, hier aber die verschiedensten Gegenden: die einen Ebenen, die anderen Wälder und trockene Strecken, Sümpfe, Felsenwände und selbst das Wasser. Diese verbergen sich in die Löcher hohler Stämme, Felsenritzen, in Hecken und Gebüschen, jene in selbstgegrabenen oder verlassenen Höhlen anderer Thiere. Fast alle leben gesellig und sind mehr des Nachts als bei Tage rege. Ihre Nahrung besteht aus Pflanzenstoffen aller Art: aus Gräsern, Kräutern, Blüten und Blättern, Wurzeln, Kohl, Samen, Früchten und Baumrinde. Beim Fressen sitzen sie in aufrechter Stellung auf dem Hintertheile und halten die Nahrung zwischen den Vorderpfoten fest. Ihre Bewegungen sind gewandt, wenn auch der gewöhnliche Gang ziemlich langsam ist. Einzelne gehen in das Wasser und schwimmen mit großer Geschicklichkeit und Ausdauer. Alle sind friedlich und harmlos, scheu, die kleinen sehr schüchtern, ängstlich und sanft, die größeren etwas muthiger; doch flüchten sie auch bei herannahender Gefahr so schnell sie können. Unter ihren Sinnen sind Geruch und Gehör am besten ausgebildet, ihre geistigen Fähigkeiten gering. Sie lassen sich leicht zähmen, gewöhnen sich an den Menschen und lernen ihn auch wohl kennen, ohne sich jedoch inniger mit ihm zu befreunden. Ihre Vermehrung ist sehr groß; die Zahl der Jungen schwankt zwischen Eins und Acht, und manche Arten werfen mehrmals im Jahre.

Man theilt die Familie neuerdings nach der Bildung der Backenzähne in zwei Unterfamilien ein. In der einen Gruppe sind diese Zähne wurzellos und die oberen Reihen laufen vorn beinahe [422] zusammen, in der andern haben sie halbe Wurzeln und bilden gleichlaufende Reihen.


Geripp des Aguti (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)
Geripp des Aguti (Aus dem Berliner anatomischen Museum.)

Zu der ersten Unterfamilie gehören die Mara, die Meer- und Wasserschweine, zur zweiten die Agutis und die Paka. Wir sehen von den angegebenen Unterscheidungsmerkmalen ab und vereinigen alle Hufpfötler in einer Familie.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 422-423.
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