Hacki (Tamias Lysteri)

[285] Der amerikanische Vertreter des Burunduk, vom Mejikanischen Meerbusen über alle Vereinigte Staaten verbreitet, von den Amerikanern Hacki oder Chipmuck genannt (Tamias Lysteri, T. americanus), ist ungefähr gleich groß, im Gesichte röthlichbraun, auf Stirn und Backen dunkler gesprenkelt, im Nacken aschgrau, hinterseits rothbraun, unterseits weißlich, ein Mittelrückenstreifen dunkelbraun gefärbt, ein schmaler schwarzer Augenstreifen oben und unten weiß, ein breiter weißer Seitenstreifen beiderseits schwarzbraun eingefaßt; das dunkelbraune Schwarzhaar hat graugelbe Wurzel und weißliche Spitze, sieht unterseits aber röthlich aus.

Ein großer Theil des nördlichen Asien und ein kleines Stück Osteuropas sind die Heimat des altweltlichen Backenhörnchens. Der Wohnkreis wird etwa von den Flüssen Dwina und Kama und östlich von dem Ochotzkischen Meerbusen und dem Golf von Anadyr begrenzt. In Sibirien dehnt sich das Verbreitungsgebiet, mit Ausschluß der dauromongolischen Hochsteppen, bis zum Amur. Der Burunduk, Dschirki der Sojoten und Burjäten, Morümki der Chinesen, lebt in Wäldern, und zwar ebensowohl im Schwarzwalde wie in Birkengehölzen, am häufigsten in Zirbelkieferbeständen. Unter den Wurzeln dieser Bäume legt er sich eine ziemlich kunstlose, einfache Höhle an, [285] welche in gabelförmiger Theilung zu dem Neste und zu einer oder zwei bis drei seitwärts liegenden Vorrathskammern führt, durch einen langen, winkeligen Gang aber nach außen mündet. Selten sind die Baue tief, weil die Feuchtigkeit des Bodens dies nicht gestattet; doch liegt in kälteren Gegenden die Lagerstelle regelmäßig tiefer, als der Frost reicht. Die Nahrung beider Thiere besteht aus Pflanzensamen und Beeren, vorzugsweise aber aus Getreidekörnern und Nüssen, von denen sie für manchen Winter zehn bis funfzehn Pfund in den Backentaschen nach Hause schleppen und in den Vorrathskammern aufbewahren. Im Burejagebirge sind es, laut Radde, die Eicheln und die Früchte der mandschurischen Linde, welche dem Burunduk als Lieblingsspeise dienen, und von denen er bisweilen so viel sammelt, daß noch im Frühlinge der nachbleibende Vorrath von Ebern und Bären aufgegraben und verzehrt wird. An dem unteren Schilka reinigt er für seinen Bedarf sehr sorgfältig die Zirbelnüsse und bringt ihrer zwei bis drei Pfund zusammen, ebenfalls nicht selten zum Nutzen des Bären. Am Baikalsee bewohnt er mit Vorliebe Waldungen, in deren Mitte kleine Aecker gelegen sind und das Getreide, welches diese liefern, im Halme gestapelt wird. Hiervon sammelt er oft eine erhebliche Menge von Aehren ein, nicht selten bis acht Pfund derselben, welche fünf bis sechs Pfund reines Korn geben. Genau ebenso verfährt der Hacki. Man sieht ihn im Spätsommer mit vollgepfropften Backentaschen höchst eilig dahinlaufen und glaubt die Befriedigung, welche der Reichthum gewährt, ihm geradezu an den Augen absehen zu können. Nach den verschiedenen Monaten schleppt er seine mannigfaltigen Vorräthe zusammen, am meisten Buchweizen, Haselnüsse, Ahornkörner und Mais. Beide Thiere halten Winterschlaf, doch bloß einen sehr unterbrochenen, scheinen auch während des ganzen Winters der Nahrung bedürftig zu sein. Audubon, welcher im Januar einen der Baue ausgrub, fand in der Tiefe von anderthalb Meter ein großes Nest aus Blättern und Gras, in welchem drei Hackis verborgen lagen; andere schienen sich in die Seitengänge geflüchtet zu haben, als ihnen die Gräber nahe gekommen waren. Die Thiere waren zwar schlaftrunken und nicht gerade sehr lebendig, schliefen aber keineswegs nach Art unserer Winterschläfer, sondern bissen tüchtig um sich, als der Naturforscher sie ergreifen wollte. Der Hacki legt sich nicht vor dem November, der Burunduk im südlichen Sibirien zu derselben Zeit, in Mittelsibirien dagegen, wo die Fröste zeitig einsetzen, spätestens Mitte Oktobers zur Winterruhe nieder. Beide verlassen ihre unterirdischen Baue während des Winters nicht, halten aber einen Gang offen, auch bei eintretendem Thauwetter, bei welchem man wenigstens den Burunduk eifrig beschäftigt sieht, den Eingang zu seiner Höhle vor dem eindringenden Schneewasser zu schützen und sonst zu reinigen. Mit der Schneeschmelze beginnen beide ihr Leben auf der Oberfläche des Bodens. Die Jungen werden im Mai geboren; ein zweites Gehecke findet man gewöhnlich im August. Der Paarung gehen sehr heftige Kämpfe unter den betreffenden Männchen voraus: man versichert, daß es schwerlich ein rauflustigeres Thierchen geben könne, als diese kleinen aber ungemein regsamen Thiere. Besonders lebhaft sind die Backenhörnchen wenige Wochen bevor sie sich legen. Man vernimmt dann häufiger als je ihren vollen, an das klagende Geschrei der Zwergohreule erinnernden Ruf und sieht sie selbst in eifriger Bewegung. Was ihnen an Kletterfertigkeit abgeht, ersetzen sie durch erstaunliche Behendigkeit im Laufen. Wie Zaunkönige huschen sie zwischen und unter den Büschen dahin, blitzschnell bald geradeaus laufend, bald eine Richtung in eine andere verändernd.

Dem Landwirte sind die Backenhörnchen durchaus nicht willkommen. Sie gehen nach Mäuseart in die Scheunen und richten, wenn sie in großer Menge auftreten, arge Verwüstungen an. Höchstens einzelnen Menschen nützen sie, wie bei uns zu Lande der Hamster, durch das Füllen ihrer Speicher, welche man aus beutet. Die Sibirier verwerthen auch die Bälge und senden sie nach China, wo man die Felle hauptsächlich zu Verbrämungen wärmerer Pelze benutzt und tausend Stück gern mit acht bis zehn Rubeln bezahlt. Der Hacki wird eifriger verfolgt als sein Bruder in Sibirien. Ein ganzes Heer von Feinden stellt ihm nach. Die Buben üben sich an dem »Chipmuck«, in dem edlen Weidwerk, und jagen ihn mit weit größerem Eifer als die Knaben der Jakuten den [286] Burunduk, welchem letztere während der Ranzzeit hinter Bäumen auflauern und ihn herbeirufen, indem sie vermittels eines Pfeifchens aus Birkenrinde den Lockton des Weibchens nachahmen. Das Thier hat aber noch schlimmere Feinde. Wiesel verfolgen es auf und unter der Erde, Beutelratten streben ihm eifrig nach, Hauskatzen erklären es für eine ebenso gute Beute als Ratten und Mäuse, und alle größeren Raubvögel nehmen es vom Boden weg, wo sie nur können. Ein amerikanischer Rauchfußbussard (Archibuteo ferrugineus) gilt als sein eifriger Verfolger und heißt deshalb geradezu »Eichhornfalke« (Squirrel-Hawk). Auch die Klapperschlange folgt, nach Geyers Beobachtungen, dem armen Schelme, und zwar mit ebenso großer Ausdauer als Schnelligkeit. »Gewöhnlich«, erzählt dieser Gewährsmann, »hatte das Grundeichhorn alle Schlupfwinkel seines Baues aufgesucht: die Schlange folgte ihm zu allen Löchern hinein und heraus und überholte es, als es zuletzt, das Weite suchend, unglücklicherweise einen Abhang hinabrannte, ergriff es und schoß rasselnd, ohne in ihrer Schnelligkeit zu stocken, mit ihrem Opfer in ein nahes Dickicht.« Der Winter vermindert die während des Sommers erzeugte, bedeutende Nachkommenschaft der Backenhörnchen oft in unglaublicher Weise. Trotz alledem ist sie, in gesegneten Jahren wenigstens, überall außerordentlich häufig; die große Fruchtbarkeit des Weibchens ersetzt bald alle Verluste.

Die hübsche Färbung, die Zierlichkeit und Lebendigkeit der Bewegungen empfehlen die Backenhörnchen für die Gefangenschaft. Ganz zahm werden sie nicht, bleiben vielmehr immer furchtsam und bissig. Dazu kommt ihre Lust, alles zu zernagen. Sie üben dieses Vergnügen mit der Befähigung einer Ratte aus, lassen also so leicht nichts ganz im Käfige oder im Zimmer. Mit anderen ihrer Art vertragen sie sich nicht; zumal die Männchen beginnen oft Streit untereinander. Die Ernährung hat keine Schwierigkeiten, denn die einfachsten Körner und Früchte genügen zu ihrem Futter. Bei einigermaßen entsprechender Pflege halten sie mehrere Jahre in Gefangenschaft aus, schreiten hier auch leicht zur Fortpflanzung.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 285-287.
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