Hamster (Cricetus frumentarius)

Hamster (Cricetus frumentarius). 2/5 natürl. Größe.
Hamster (Cricetus frumentarius). 2/5 natürl. Größe.

[368] Dieses leiblich recht hübsche, geistig aber um so häßlichere, boshafte und bissige Geschöpf (Cricetus frumentarius, Mus cricetus, Porcellus frumentarius, Cricetus vulgaris) erreicht eine Gesammtlänge von ungefähr 30 Centim., wovon auf den [368] Schwanz etwa 5 Centim. kommen. Der Leib ist untersetzt, der Hals dick, der Kopf ziemlich zugespitzt; die häutigen Ohren sind mittellang, die Augen groß und hell, die Beine kurz, die Füße und Zehen zierlich, die lichten Krallen kurz; der Schwanz ist kegelförmig zugespitzt, aber etwas abgestutzt. Die dichte, glatt anliegende und etwas glänzende Behaarung besteht aus kürzeren und weichen Wollhaaren und längeren und steiferen, auch dünner stehenden Grannenhaaren. Gewöhnlich ist die Färbung des Oberkörpers ein lichtes Braungelb, welches wegen der schwarzspitzigen Grannen ins Grauliche spielt. Die Oberseite der Schnauze und Augengegend sowie ein Halsband sind rothbraun, ein Fleck auf den Backen ist gelb, der Mund weißlich, die Unterseite, auch die Beine bis zu den Füßen herab und die Hinterbeine wenigstens innen, sowie ein Streifen über der Stirn sind schwarz, die Füße dagegen weiß. Meist stehen noch gelbe Flecken hinter den Ohren und vor und hinter den Vorderbeinen. Es gibt aber die verschiedensten Spielarten: manche sind ganz schwarz, andere schwarz mit weißer Kehle, grauem Scheitel, die hellen Spielarten blaß graugelb mit dunkelgrauer Unterseite und blaßgelbem Schulterfleck, andere oben matt fahl, unten lichtgrau, an den Schultern weißlich; auch vollständige Weißlinge werden zuweilen gefunden.

Fruchtbare Getreidefelder vom Rheine bis an den Ob gewähren dem Hamster Aufenthalt und Nahrung. In Deutschland fehlt er in den südlich und südwestlich gelegenen Ländern und Provinzen, [369] ebenso in Ost-und Westpreußen, ist dagegen häufig in Thüringen und Sachsen. Ein Boden, welcher mäßig fest, trocken und dabei fruchtbar ist, scheint die Hauptbedingung für sein Wohlbefinden zu sein. Er verlangt, daß die Baue, welche er gräbt, dauerhaft sind, und meidet aus diesem Grunde alle sandigen Gegenden; aber er will sich auch nicht sehr anstrengen beim Graben und verschont deshalb sehr festen und steinigen Boden mit seinen Ansiedelungen. Gebirge und Waldungen meidet er, auch wasserreiche Niederungen liebt er nicht. Wo er vorkommt, tritt er häufig, manchmal in ganz unglaublichen Scharen auf.

Seine Baue bestehen aus einer großen Wohnkammer, welche in einer Tiefe von 1 bis 2 Meter liegt, einer schrägen Ausgangs- und einer senkrechten Eingangsröhre. Durch Gänge steht diese Wohnkammer mit dem Vorrathsraume in Verbindung. Je nach Geschlecht und Alter des Thieres werden die Baue verschieden angelegt, die junger Hamster sind die flachsten und kürzesten, die des Weibchens bedeutend größer, die des alten Rammlers die größten. Man erkennt den Hamsterbau leicht an dem Erdhaufen, welcher vor der Ausgangsröhre liegt und gewöhnlich mit Spreu und Hülsen bestreut ist. Das Fallloch geht immer senkrecht in die Erde hinein, bisweilen so gerade, daß man einen langen Stock in dasselbe stecken kann; doch fällt es nicht in die Kammer ein, sondern biegt sich nach unten bald in wagrechter, bald in schiefer Richtung nach derselben hin. Das Schlupfloch dagegen läuft selten in gerader Richtung, sondern mehr gebogen der Kammer zu. An den Gängen kann man sehr leicht ersehen, ob ein Bau bewohnt ist oder nicht. Findet sich in ihnen Moos, Schimmel oder Gras, oder sehen sie auch nur rauh aus, so sind sie entschieden verlassen; denn jeder Hamster hält sein Haus und seine Hausthüre außerordentlich rein und in Ordnung. Länger bewohnte Gänge werden beim Aus- und Einfahren so durch das Haar geglättet, daß ihre Wände glänzen. Außen sind die Löcher etwas weiter als in ihrem Fortgange; dort haben sie meistens 5 bis 8 Centim. im Durchmesser. Unter den Kammern ist die glattwandige Wohnkammer die kleinere, auch stets mit sehr feinem Stroh, meistens mit den Scheiden der Halme angefüllt, welche eine weiche Unterlage bilden. Drei Gänge münden in sie ein, der eine vom Schlupf-, der andere vom Fallloche und der dritte von der Vorrathskammer kommend. Diese ähnelt der ersten Kammer vollständig, ist rundlich oder eiförmig, oben gewölbt, inwendig glatt und gegen den Herbst hin ganz mit Getreide ausgefüllt. Junge Hamster legen bloß eine an, die alten aber, namentlich die Rammler, welche den ganzen Sommer hindurch nur einschleppen, graben sich drei bis fünf solche Speicher, und hier findet man denn auch ebensoviele Metzen Frucht. Manchmal verstopft der Hamster den Gang vom Wohnzimmer aus zur Vorrathskammer mit Erde, zuweilen füllt er ihn auch mit Körnern an. Diese werden so fest zusammengedrückt, daß der Hamstergräber, wenn er die Kammern ausbeuten will, sie gewöhnlich erst mit einem eisernen Werkzeuge auseinanderkratzen muß. Früher behauptete man irrthümlicherweise, daß der Hamster jede Getreideart besonders aufschichte; er trägt jedoch die Körner ein, wie er sie findet, und hebt sie unter der Erde auf. Selten sind sie ganz rein von Aehrenhülsen oder Schalen. Wenn man in einem Baue die verschiedenen Getreidearten wirklich getrennt findet, rührt dies nicht von dem Ordnungssinne des Thieres her, sondern weil es zur betreffenden Zeit eben nur diese und dann nur jene Getreideart fand. In dem Gange, welcher nach dem Schlupfloche führt, weitet sich oft kurz vor der Kammer eine Stelle aus, wo der Hamster seinen Mist abzulegen pflegt. Der Nestbau des Weibchens weicht in mancher Hinsicht von dem beschriebenen ab; er hat nur ein Schlupfloch, aber zwei bis acht Falllöcher, obgleich von diesen, so lange die Jungen noch klein sind, gewöhnlich nur eins recht begangen wird. Das Wochenbett ist rundlich, hat ungefähr 30 Centim. im Durchmesser, ist 8 bis 13 Centim. hoch und besteht aus sehr weichem Stroh. Von der Nestkammer aus gehen zu allen Falllöchern besondere Röhren, manchmal verbinden auch wieder Gänge diese unter sich. Vorrathskammern finden sich sehr selten im Nestbaue; denn das Weibchen trägt, so lange es Junge hat, nichts für sich ein.

Der Hamster ist trotz seiner scheinbaren Plumpheit ein ziemlich gewandtes Thier. Sein kriechender, dem des Igels ziemlich ähnlicher Gang, bei welchem der Unterleib fast auf der Erde [370] schleppt, besteht aus kleinen Schritten. Im Zorne bewegt er sich heftiger und vermag dann auch ziemlich weite Sprünge und hohe Sätze auszuführen. Wo er Widerhalt findet, namentlich an solchen Stellen, wo er sich auf beiden Seiten anstemmen kann, klettert er in die Höhe, in den Ecken von Kisten z.B. oder zwischen Schränken und der Wand, auch an Vorhängen klimmt er sehr rasch empor. Mit einem seiner Beine vermag er sich an einer Kante festzuhalten, und er ist geschickt genug, sich zu drehen und die Höhe, von welcher er herunterhängt, wiederzugewinnen, selbst wenn er bloß mit einem Hinterbeine sich angehangen hatte. Meisterhaft versteht er das Graben. Wenn man ihn in ein Faß mit Erde steckt, geht er augenblicklich ans Werk. Er bricht mit den Vorderfüßen, oder, wenn der Grund hart ist, mit diesen und den Zähnen Erde los, wirft sie zuerst unter den Bauch, holt sie dann mit den Hinterbeinen hervor und schleudert sie hinter sich. Kommt er in die Tiefe, so schiebt er, rückwärtsgehend, ganze Haufen auf einmal heraus; niemals aber füllt er mit ihr seine Backentaschen an, wie fälschlich behauptet wurde. Im Wasser bewegt er sich nicht ungeschickt, obwohl er dasselbe ängstlich meidet. Wirft man ihn in ein mit Wasser gefülltes Gefäß, so schwimmt er rasch umher, knurrt aber wüthend dabei und beweist überhaupt, daß er sich höchst ungemüthlich fühlt. Das Bad strengt ihn auch derart an, daß er alle ihm sonst eigene Bosheit und Wuth gänzlich vergißt und froh ist, wenn er sich wieder auf dem Trockenen fühlt. Sogleich nach dem Bade beginnt ein höchst sorgfältiges Putzen. Der Hamster ist mit seinen Vorderfüßen ungemein geschickt und versteht sie ganz wie Hände zu benutzen. Mit ihnen führt er die Nahrung zum Munde, mit ihnen hält und dreht er die Aehren, welche er enthülsen will, um die Körner in seinen Backentaschen aufzuspeichern, und mit ihrer Hülfe bringt er auch seinen Pelz in Ordnung. Sobald er aus dem Wasser kommt, schüttelt er sich erst tüchtig ab, setzt sich sodann auf die Hinterbeine und beginnt nun eifrig zu lecken und zu putzen. Zuerst kommt der Kopf daran. Er legt beide Hände bis an die Ohren und zieht sie nach vorwärts über das Gesicht, wie er thut, wenn er sich sonst wäscht; dann nimmt er einen Haarbüschel nach dem andern und reibt ihn so lange zwischen den Händen, bis er den erforderlichen Grad von Trockenheit zu haben scheint. Die Haare der Schenkel und des Rückens weiß er auf sehr sinnreiche Art wieder zu ordnen. Er setzt sich dabei auf die Schenkel und den Hintern und leckt und kämmt mit den Zähnen und Pfoten gemeinschaftlich, wobei er letztere außerordentlich rasch von oben nach unten bewegt; die Hauptarbeit scheint hier aber mit der Zunge zu geschehen. Eine derartige Reinigung dauert immer längere Zeit und scheint gleichsam mit Widerstreben ausgeführt zu werden. Wenn er überrascht wird, erhebt er sich augenblicklich auf die Hinterbeine und läßt dabei die Vorderbeine herabhängen, eine Hand gewöhnlich etwas tiefer als die andere. So starrt er den Gegenstand, welcher ihn in Aufregung versetzte, scharf an, augenscheinlich bereit, bei einer sich bietenden Gelegenheit auf ihn loszufahren und von seinen Zähnen Gebrauch zu machen.

Die höheren Sinne des Hamsters scheinen ziemlich gleich ausgebildet zu sein; wenigstens bemerkt man nicht, daß der eine vor dem andern besonders entwickelt wäre. Die geistigen Eigenschaften sind nicht gerade geeignet, ihn zu einem Lieblinge des Menschen zu machen. Der Zorn beherrscht sein ganzes Wesen in einem Grade wie bei kaum einem andern Nager von so geringer Größe, Ratten oder Lemminge etwa aus genommen. Bei der geringsten Ursache stellt er sich trotzig zur Wehre, knurrt tief und hohl im Innern, knirscht mit den Zähnen und schlägt sie ungemein schnell und heftig aufeinander. Ebenso groß wie sein Zorn ist auch sein Muth. Er wehrt sich gegen jedes Thier, welches ihn angreift, und so lange, als er kann. Ungeschickten Hunden gegenüber bleibt er oft Sieger; nur die klugen Pintscher wissen ihn zu packen und schütteln ihn sodann fast augenblicklich zu Tode. Alle Hunde hassen den Hamster beinahe ebenso wie den Igel, weil sie sich ärgern, ihre Herrschaft einem so kleinen Thiere nicht sogleich aufzwingen zu können. Sie verfolgen ihn mit großem Eifer und beslehen dann die drolligsten Kämpfe mit dem erbosten Gegner. Es dauert immer einige Zeit, ehe der Hamster überwunden wird, und sehr oft verkauft er seine Haut theuer genug. »Sobald er merkt«, sagt Sulzer, welcher ein ganzes Buch über [371] ihn geschrieben hat, »daß es ein Hund mit ihm zu thun haben will, leert er, wenn seine Backentaschen mit Getreide vollgestopft sind, solche erstlich aus; alsdann wetzt er die Zähne, indem er sie sehr geschwind auf einander reibt, athmet schnell und laut, mit einem zornigen Aechzen, welches sich mit dem Schnarchen eines Schlafenden vergleichen läßt, und bläst zugleich die Backentaschen dergestalt auf, daß der Kopf und Hals viel dicker aufschwellen als der hintere Theil des Leibes. Dabei richtet er sich auf und springt in dieser Stellung gegen seinen Feind in die Höhe, und wenn dieser weicht, ist er kühn genug, ihn zu verfolgen, indem er ihm wie ein Frosch nachhüpft. Die Plumpheit und Heftigkeit seiner Bewegungen sehen dabei so lustig aus, daß man sich des Lachens kaum erwehren kann. Der Hund wird seiner nicht eher Meister, als bis er ihm von hinten beikommen kann. Dann faßt er ihn sogleich bei dem Genick oder im Rücken und schüttelt ihn zu Tode.« Nicht allein gegen Hunde wehrt sich der Hamster, sondern greift auch kühn den Menschen an, selbst den, welcher gar nichts mit ihm zu schaffen haben mag. Es kommt nicht selten vor, daß man ruhig an einem Hamsterbaue vorübergeht und plötzlich das wüthende Thier in seinen Kleidern hängen hat. An Pferden beißt er sich ebenfalls fest, und gegen Raubvögel, welche ihn vom Boden erhoben, wehrt er sich noch in der Luft. Wenn er sich einmal eingebissen hat, hält er so fest, daß man ihn todtschlagen kann, ehe er nachläßt.

Daß ein so jähzorniges Thier nicht verträglich sein kann, ist erklärlich. Die eigenen Kinder mögen nicht mehr bei der Mutter bleiben, sobald sie größer geworden sind; der männliche Hamster beißt den weiblichen todt, wenn er außer der Paarungszeit mit ihm zusammenkommt. In Gefangenschaft leben die Hamster nur selten miteinander in Frieden, alte wahrscheinlich nie mals. Junge, welche noch nicht ein Jahr alt sind, vertragen sich besser. Ich habe längere Zeit in einer Kiste drei Stück gehabt, welche sich niemals zankten, sondern im Gegentheile recht verträglich beieinander hockten, meistens noch einer auf dem anderen. Junge Hamster aus verschiedenen Nestern fallen aber augenblicklich übereinander her und beginnen den Kampf auf Leben und Tod. Aeußerst lustig ist es, wenn man ihm einen Igel zur Gesellschaft gibt. Zuerst betrachtet er neugierig den sonderbaren Kauz, welcher seinerseits sich nicht viel um ihn kümmert und ruhig seines Weges geht. Doch die Ruhe wird bald gestört. Der Igel kommt zufällig in die Nähe seines Mitgefangenen, ein ärgerliches Grunzen begrüßt ihn, und erschreckt rollt er sich zur Kugel ein. Jetzt geht der Hamster auf Erforschungsreisen aus. Der Stachelballen wird berochen und – seine blutige Nase belehrt ihn gründlich von der Vielseitigkeit der Horngebilde. Wüthend stößt er die Kugel von sich – o weh, auch die Hand ist verwundet! Jetzt wetzt er die Zähne, quiekt, faucht, hüpft auf den Ball, springt entsetzt wieder herab, versucht, ihn mit dem Rücken wegzuschieben, sticht sich in die Schulter, wird immer wüthender, macht neue vergebliche Anstrengungen, des Ungeheuers sich zu entledigen, holt sich neue Stiche in Händen und Lippen und stellt sich endlich, mehr erstaunt als erbost, vor dem Stachelhelden auf die Hinterbeine und betrachtet ihn mit unendlich komischer Scheu und mit verbissener Wuth, oder läßt diese an irgend welchem Dinge aus, auch an einem ganz unschuldigen mitgefangenen Hamster, welchem er die dem Igel zugedachten Bisse beizubringen sucht. So oft der Igel sich rührt, geht der Tanz von neuem an, und der Beschauer möchte bersten vor Lachen.

Mit anderen kleineren Thieren verträgt er sich natürlich noch weniger als mit seines Gleichen, ja, er macht förmlich Jagd auf solche; denn seine Nahrung besteht zum guten Theil auch aus lebenden Geschöpfen. Kleine Vögel, Mäuse, Eidechsen, Blindschleichen, Ringelnattern und Kerbthiere frißt er noch lieber als Pflanzenstoffe, und wenn man ihm einen lebenden Vogel in seinen Käfig wirft, springt er blitzschnell zu, zerbeißt ihm zuerst die Flügel, tödtet ihn dann mit einem einzigen Bisse in den Kopf und frißt ihn nun ruhig auf. Das Pflanzenreich muß ihm alles, was irgendwie genießbar ist, zur Nahrung liefern. Er verzehrt grüne Saat- und andere Kräuter, Hülsenfrüchte, Möhren, Kartoffeln u. dgl., auch Wurzeln von manchen Kräutern, sowie Obst, es mag unreif oder reif sein. In der Gefangenschaft nährt er sich auch von allerlei Gebackenem, wie Kuchen und Brod, von Butter, Käse usw., kurz, er zeigt sich als wahrer Allesfresser.

[372] Auch der Hamster ist ein Winterschläfer. Er er wacht, sobald die Erde aufgethaut ist, oft schon im Februar, sicher im März. Anfangs öffnet er seine verstopften Löcher noch nicht, sondern hält sich still unten im Baue und zehrt von seinen eingetragenen Vorräthen. Gegen die Mitte des März erschließen die alten Männchen, anfangs April die alten Weibchen das Fallloch. Jetzt suchen sie sich bereits außen Nahrung, tragen auch von frischbesäeten Ackerstücken, wo sie die Körner sorgfältig auflesen, Getreide in ihren Bau ein. Junge Pflanzen behagen ihnen bald mehr als die Körner, und nunmehr gehen sie dieser Nahrung nach oder nehmen ab und zu auch wohl ein ungeschicktes Vögelchen, eine Maus, einen Käfer, eine Raupe als willkommene Beute mit hinweg. Zu derselben Zeit pflegen sie sich einen neuen Bau zu graben, in welchem sie den Sommer zu verleben gedenken, und sobald dieser fertig ist, paaren sich die Geschlechter. Der Sommerbau ist gewöhnlich nur 30, höchstens 60 Centim. tief, und der Kessel mit einem weichen Neste ausgefüttert, neben welchem dann eine einzige Kammer angelegt wird, falls es viel Saatgetreide in der Umgegend gibt. Ende April begeben sich die Männchen in die Behausung der Weibchen und leben, wie es scheint, friedlich einige Tage mit ihnen; beide zeigen sogar insofern eine gewisse Anhänglichkeit an einander, als sie sich gegenseitig beistehen, wenn es gilt, eines oder das andere zu vertheidigen. Kommen zwei Männchen zu einem Weibchen, so beginnt ein heftiger Zweikampf, bis der schwächere der Gegner unterliegt oder entweicht: man findet oft genug Rammler, welche auf ihrem Leibe tiefe Narben tragen, die Zeichen von solchem Strauß in Liebessachen. In welcher Weise die Begattung vor sich geht, ist nicht bekannt. Man hat sich vergeblich bemüht, dies an zahmen zu erforschen, und weiß nur, daß das unartige Weibchen, sobald es sich befruchtet fühlt, den Rammler durch Güte oder durch Gewalt sofort wieder aus seinem Baue entfernt. Von diesem Augenblicke an herrscht unter den vor kurzem so zärtlichen Liebesleuten dieselbe Erbitterung wie gegen jedes andere fremde Geschöpf. Etwa vier bis fünf Wochen nach der Begattung, zum ersten Male gegen Ende des Mai, zum zweiten Male im Juli, wirft das Weibchen in seinem weich und warm ausgefütterten Neste sechs bis achtzehn Junge. Diese kommen nackt und blind zur Welt, bringen aber ihre Zähne schon mit, wachsen auch außerordentlich schnell. Unmittelbar nach der Geburt, nachdem sie abgetrocknet sind, sehen sie fast blutroth aus und lassen ein Gewimmer vernehmen, wie es kleine Hunde auszustoßen pflegen. Sie erhalten mit dem zweiten oder dritten Tage ein feines Flaumenhaar, welches sich aber bald verdichtet und den ganzen Körper einhüllt. Ungefähr mit dem achten oder neunten Tage ihres Lebens öffnen sie die Augen und beginnen nun auch im Neste umherzukriechen. Die Mutter behandelt ihre Brut mit viel Liebe, duldet es auch, daß man ihr andere Junge zum Säugen anlegt, selbst wenn diese nicht die gleiche Größe wie ihre Kinder haben. Am vierzehnten Tage ihres Alters fangen die jungen Hamster schon zu wühlen an, und sobald sie dies können, denkt die unfreundliche Alte daran, sie selbständig zu machen, d.h. sie jagt sie einfach aus dem Baue und zwingt sie, auf eigene Faust für ihren Unterhalt zu sorgen. Dies scheint den Hamsterchen nicht eben schwer zu werden; denn bereits mit dem fünften oder sechsten Tage, wenn sie kaum behaart und noch vollständig blind sind, wissen sie recht hübsch ein Weizenkorn zwischen ihre Vorderpfötchen zu fassen und die scharfen Zähnchen zu benutzen. Bei Gefahr huschen die kleinen Thierchen, so erbärmlich sie aussehen, behend im Baue umher, und das eine hat sich bald aufs geschickteste in diesem, das andere in jenem Winkel zu verbergen gewußt, wenn auch die meisten der Alten nachgefolgt sind. Diese, sonst so wüthend und boshaft, so muthig und tapfer, zeigt sich feig, wenn es gelten sollte, ihre Brut zu vertheidigen, entflieht auf erbärmliche Weise, sobald sie spürt, daß man ihr oder jenen nahe kommt, und verkriecht sich mit ihren Sprößlingen in das blinde Ende eines Ganges, welchen sie so schnell als möglich nach dem Neste zu mit Erde zu verstopfen sucht, oder mit erstaunlicher Geschicklichkeit und Schnelligkeit weitergräbt. Die Jungen folgen ihr durch Dick und Dünn, durch den Hagel von Erde und Sand, den sie hinter sich wirft. Doch brauchen sie immer ein ganzes Jahr, ehe sie ihre vollständige Größe erreichen; aber es scheint fast, daß im Mai geborene Weibchen im Herbste bereits zur Fortpflanzung befähigt sind.

[373] Sobald die Felder sich gilben und die Körner reifen, haben die Hamster viel zu thun mit der Ernte. Jeder einzelne schleppt, falls er es vermag, bis zu einem Centner an Körnern in seinen Bau. Leinknoten, große Puffbohnen und Erbsen scheinen allen übrigen Früchten vorgezogen zu werden. Ein Hamster, welcher in einem Flachsstücke liegt, wird nicht leicht etwa anderes einernten als die Knollen davon; ebenso ist es im Erbsenfelde; doch wissen sich die Thiere recht wohl in andere Arten von Feldfrüchten zu schicken. Man hat beobachtet, daß die alten Rammler, welche Zeit genug haben, das Getreide auslesen, es viel sorgfältiger aufschichten als die Hamsterweibchen, welche nach der letzten Brut noch rasch einen Bau graben und hier die Speicher füllen müssen. Nur wo der Hamster ganz ungestört ist, verrichtet er seine Ernte bei Tage; gewöhnlich ist die erste Hälfte der Nacht und der Morgen von Sonnenaufgang seine Arbeitszeit. Er biegt mit den Vorderhänden die hohen Halme um, schneidet mit einem Bisse die Aehre ab, faßt sie mit den Pfoten, dreht sie ein paarmal hin und her und hat sie nun nicht bloß entkörnt, sondern die Körner auch gleich in den Backentaschen geborgen. So werden die weiten Schleppsäcke gefüllt bis zum Uebermaße; manchmal schafft einer bei funfzig Gramm Körner auf einem Gange nach Hause. Ein so beladener Hamster sieht höchst spaßhaft aus und ist das ungeschickteste Thier der Welt. Man kann ihn mit den Händen ohne Furcht anfassen; denn die vollgepfropften Taschen hindern ihn am Beißen; nur darf man ihm nicht Zeit lassen, sonst streicht er die Körner heraus und setzt sich in Vertheidigungszustand.

Anfangs Oktober, wenn es kalt wird und die Felder leer sind, denkt der Hamster ernstlich daran, sich seine Winterwohnung herzurichten. Zuerst verstopft er das Schlupfloch von der Kammer an bis oben hinauf so dicht als möglich mit Erde, dann vermauert er sein Fallloch, und zwar von innen heraus, manchmal nicht ganz bis zur Oberfläche der Erde. Hat er noch Zeit, oder fürchtet er den Frost, so gräbt er sich ein tieferes Nest und tiefere Kornkammern als bisher und speichert hier seine Vorräthe auf. Das Lager ist sehr klein und wird mit dem feinsten Stroh dicht ausgepolstert. Nunmehr frißt sich der faule Gauch fett und legt sich endlich zusammengerollt zum Schlafen nieder. Gewöhnlich liegt er auf der Seite, den Kopf zwischen den Hinterbeinen an den Bauch gedrückt. Alle Haare befinden sich in der schönsten Ordnung, stehen aber etwas steif vom Körper ab. Die Glieder fühlen sich eiskalt an und lassen sich schwer beugen, schnellen auch, wenn man sie gewaltsam gebogen hat, wie bei todten Thieren, sofort wieder in die frühere Lage zurück; die Augen sind geschlossen, sehen aber hell und klar aus wie beim lebenden und schließen sich auch von selbst wieder. Ein Athemholen oder ein Herzpochen fühlt man nicht. Das ganze Thier stellt ein lebendes Bild des Todes dar. Gewöhnlich schlägt das Herz in der Minute vierzehn bis funfzehn Mal. Vor dem Aufwachen bemerkt man zunächst, daß die Steifigkeit nachläßt. Dann fängt der Athem an, es folgen einige Bewegungen; der Schläfer gähnt und gibt einen röchelnden Laut von sich, streckt sich, öffnet die Augen, taumelt wie betrunken umher, versucht, sich zu setzen, fällt um, richtet sich von neuem auf, besinnt sich und läuft endlich langsam umher, frißt auch sofort, wenn man ihm etwas vorwirft, putzt und streichelt sich und ist endlich ganz munter. Uebrigens muß man sich immer vorsehen, wenn man einen solchen Erweckungsversuch mit einem Hamster macht; denn der scheinbar ganz leblose belehrt einen manchmal in der allerempfindlichsten Weise, daß er nicht todt ist. Auch im Freien müssen die Hamster mitten im Winter aufwachen; denn zuweilen öffnen sie ihre Löcher im December bei einer Kälte von mehreren Graden unter Null und laufen ein wenig auf den Feldern umher. In einer Stube, welche beständig geheizt wird, kann man sie das ganze Jahr hindurch wach erhalten; sie befinden sich aber doch nicht wohl und sterben bald.

Es ist ein wahres Glück, daß der Hamster, welcher sich zuweilen wahrhaft furchterweckend vermehrt und dann ungeheuren Schaden anrichtet, so viele Feinde hat. Bussarde und Eulen, Raben und manche andere Vögel, vor allem aber Iltis und Wiesel, sind ununterbrochen auf seiner Fährte und tödten ihn, wo und wann sie können. Der Iltis und das große Wiesel folgen ihm auch in seine unterirdischen Wohnungen und müssen deshalb als die schlimmsten aller seiner Feinde angesehen [374] werden. Diesen gewandten Räubern muß der bissige Nager regelmäßig erliegen, obgleich es ohne heftige Kämpfe nicht abgeht. Jeder Landwirt müßte diese beiden nützlichen Raubthiere, wenn er seinen Vortheil erkennen wollte, nach allen Kräften schonen und hegen und pflegen; statt dessen aber schlägt der unwissende Bauer jeden Iltis und jedes Wiesel ohne Gnade und Barmherzigkeit nieder, gewöhnlich ohne zu wissen, warum.

In einigen Gegenden zieht der Mensch regelrecht gegen den Hamster zu Felde. In Thüringen z.B. gibt es Leute, welche sich ein Geschäft daraus machen, die Hamster auszugraben und umzubringen. Daß Mühe und Arbeit dieser Leute nicht vergeblich, sondern ebenso ersprießlich als lohnend ist, geht aus einer Angabe von Lenz hervor. Auf der zwölftausend Acker umfassenden Stadtflur von Gotha wurden in zwölf Jahren über eine Viertelmillion Hamster erbeutet und an die Stadtbehörde zur Einlösung abgeliefert. Alle Gemeinden in von Hamstern bevölkerten Gegenden pflegen für jeden eine Kleinigkeit zu zahlen, für einen Rammler und einen Jungen weniger, für ein Weibchen mehr. Den Hauptgewinn der Jagd aber bilden die Vorräthe, welche dieses eigenthümliche Wild sich eingetragen hat; die Leute waschen die Körner einfach ab, trocknen sie wieder und vermahlen sie dann wie anderes Getreide. Auch die Felle werden benutzt, obgleich noch nicht in der Ausdehnung, als sie es verdienen; denn nach allen Erfahrungen geben sie ein ganz vortreffliches, leichtes und dauerhaftes Pelzwerk. In manchen Gegenden wird das Fleisch der Hamster gegessen, und es ist auch wirklich nicht der geringste Grund vorhanden, gegen solche Nahrung etwas einzuwenden; denn das Fleisch ist jedenfalls ebensogut, wie das des Eichhörnchens oder anderer Nager, deren Wildbret man mit Behagen verzehrt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 368-375.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von

Gedichte

Gedichte

»Was soll ich von deinen augen/ und den weissen brüsten sagen?/ Jene sind der Venus führer/ diese sind ihr sieges-wagen.«

224 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon