Wasserratte (Arvicola amphibius)

[379] Unter den Mitgliedern der Sippe macht sich uns keines mehr bemerklich und verhaßt als die Wasser ratte, Scher-, Reut-, Hamster- und Mollmaus (Arvicola amphibius, Mus, Paludicola amphibius, Mus paludosus, aquaticus, aquatilis, terrestris und Schermaus, Arvicola ater, pertinax, destructor, argentoratensis und monticola, Lemmus Schermaus), einer der schädlichsten deutschen Nager, ein den Naturforschern wohl bekanntes Thier und noch heute der Zankapfel zwischen ihnen. Die einen behaupten nämlich, daß es nur eine Art von Wasserratten gäbe, die anderen nehmen an, daß die Scher-, Moll- oder Reutmaus, welche allen Gartenbesitzern nur zu bekannt zu sein pflegt, wegen ihrer verschiedenen Lebensweise, trotz ihrer großen [379] Aehnlichkeit mit der Wasserratte als selbständige Art betrachtet werden müsse. Auffallend bleibt die Verschiedenheit der Lebensweise eines und desselben Thieres immerhin. Die Wasserratte lebt, wie ihr Name sagt, am und im Wasser, namentlich an stillstehendem, wohnt hier in selbstgegrabenen unterirdischen Bauen, welche vom Wasserspiegel aus schief nach oben ansteigen und in einen weiten Kessel münden, und ihr eigentliches Wohnzimmer geht von hier aus gewöhnlich nach dem Wasser hinab; sie treibt sich in diesem umher, sucht hier ihre Nahrung und denkt nicht daran, größere Reisen zu unternehmen: die Schermaus dagegen lebt unter Umständen wochen- und monatelang fern vom Wasser und scheint sich wenig um dasselbe zu bekümmern, gräbt lange, flache Gänge nach Maulwurfsart, wirft dabei die Pflanzen um, welche über den Gängen stehen, verzehrt die Wurzeln und schadet dadurch weit mehr, als der Maulwurf jemals durch seine Wühlereien schaden kann.


Wasserratte (Arvicola amphibius). 2/3 natürl. Größe.
Wasserratte (Arvicola amphibius). 2/3 natürl. Größe.

Der Gegenstand des Streites ist 21 bis 24 Centim. lang, wovon auf den Schwanz 6,5 bis 8,5 Centim. kommen. Der Pelz kann einfarbig genannt werden; denn die graubraune aber braunschwarze Oberseite geht allmählich in die etwas hellere, weißliche oder graue bis schwarze oder schwarzgraue Unterseite über. Von der Hausratte unterscheidet die Wasserratte sofort der dicke, runde, kurze Kopf mit auffallend kurzen, nicht aus dem Pelze hervortretenden, kaum ein Viertel der Kopfeslänge erreichenden Ohren und der kurze Schwanz, welcher zwischen 130 und 140, ringsum gleichmäßig und ziemlich dicht mit kurzen, steifen Haaren besetzte Schuppenringe trägt. Die Nasenkuppe ist fleischfarben, die Iris schwarzbraun, die Schnurren sind schwarz, zuweilen weißspitzig, die Vorderzähne braungelb. Mancherlei Abweichungen in der Färbung kommen vor. In Sibirien erreicht das Thier eine bedeutendere Größe als in dem mittleren Europa; in Italien ist es kleiner, oben schwärzlich, unten kastanienbraun; in England findet sich eine ganz schwarze Abart mit fast blendend weißer Kehle; am Ob und Jenisei leben andere, welche blaßgelblich sind. Alle diese Abweichungen scheinen ständig zu sein; wollte man also nach den gewöhnlich geltenden Grundsätzen verfahren, so müßte man sie sämmtlich als eigene Arten ansehen. Selbst Blasius gesteht zu, daß namentlich drei verschiedene Ausprägungen einer und derselben Grundform sich bemerklich machen: unsere Wasserratte, die italienische Schermaus und die Moll- oder Reutmaus.

[380] Die Wasserratte ist sehr weit verbreitet und eigentlich nirgends selten. Ihr Wohngebiet reicht vom Atlantischen bis zum Ochotzkischen, vom Weißen bis zum Mittelländischen Meere, und sie findet sich ebensowohl in der Ebene wie in gebirgigen Gegenden, kommt selbst im Hochgebirge vor. Wollten wir die drei Abänderungen zu Arten erheben, so würden wir die erstere als die am weitesten verbreitete ansehen und sie namentlich in nassen und feuchten Gegenden aufsuchen müssen, während die zweite Form, welche hauptsächlich in der Provence, in Italien und Dalmatien lebt, mehr trockne Oertlichkeiten liebt, und die dritte, unsere Scher-, Moll- oder Reutmaus, fast einzig und allein im bebauten Lande, auf Wiesen noch regelmäßig bis zu 1300 Meter über dem Meere, vorkommt.

Wasserratten und Schermäuse erinnern in ihrer Lebensweise vielfach an die Maulwürfe, aber auch an die Bisamratten und andere im Wasser lebende Nager. Die Baue in der Nähe der Gewässer sind regelmäßig einfacher als die in trockneren Gärten und Feldern. Dort führt, wie bemerkt, ein schiefer Gang zu der Kammer, welche zu Zeiten sehr weich ausgefüttert wird, hier legen sich die Thiere Gänge an, welche viele hundert Schritte lang sein können, werfen Haufen auf, wie die Maulwürfe, und bauen die Kammer in einem der größeren Hügel. Meist ziehen sich die langen Gänge dicht unter der Oberfläche des Bodens dahin, höchst selten tiefer, als die Pflanzenwurzeln hinabreichen, oft so flach, daß die Bodendecke beim Wühlen förmlich emporgehoben wird und die Bedeckung des Ganges aus einer nur zwei bis drei Centim. dicken Erdschicht besteht. Solche Gänge werden sehr oft zerstört und unfahrbar gemacht; aber die Schermaus ist unermüdlich, sie auszubessern, selbst wenn sie die gleiche Arbeit an einem Tage mehrere Male verrichten müßte. Manchmal laufen ihre Gänge unter einem Fahrwege hin und dauern eben nur so lange aus, als der Weg nicht benutzt wird; gleichwohl ändert das Thier die einmal gewählte Richtung nicht, sondern verrichtet lieber ununterbrochen dieselbe Arbeit. Man kann die Gänge von denen des Maulwurfs leicht dadurch unterscheiden, daß die Haufen viel ungleichmäßiger sind, größere Erdbrocken haben, nicht in einer geraden Reihe fortlaufen und oben niemals offen gelassen werden. In diesen Bauen lebt die Schermaus paarweise; aber ein Paar wohnt gern dicht neben dem anderen. Das Thier läuft nicht besonders schnell, gräbt jedoch vorzüglich und schwimmt mit großer Meisterschaft, wenn auch nicht so ausgezeichnet wie die Wasserspitzmaus. An stillen Orten sieht man sie ebensowohl bei Tage wie bei Nacht in Thätigkeit; doch ist sie vorsichtig und entflieht, sowie sie sich beobachtet sieht, in ihren Bau. Nur wenn sie sich zwischen dem Schilfe umhertreibt, läßt sie sich leicht beobachten.

Unter ihren Sinnen scheinen namentlich Gesicht und Gehör vortrefflich ausgebildet zu sein. Ihr geistiges Wesen unterscheidet sie zu ihrem Vortheile von den Ratten. Sie ist neugierig, sonst aber beschränkt und ziemlich gutmüthig. Ihre Nahrung wählt sie vorzugsweise aus dem Pflanzenreiche, und dadurch wird sie oft überaus schädlich, zumal wenn sie in Gärten ihren Wohnsitz aufschlägt. Ungeachtet ihrer Neugierde läßt sie sich nicht so leicht vertreiben, und wenn sie sich einmal eingenistet hat, geht sie freiwillig nicht eher weg, als bis sie alles Genießbare aufgefressen hat. »Einst«, erzählt mein Vater, »hatte sich eine Schermaus in dem hiesigen Pfarrgarten angesiedelt. Ihre Wohnung lag in einem Wirsingbeete, aber so tief, daß man das ganze Beet hätte zerstören müssen, wenn man sie dort hätte ausgraben wollen. Mehrere Gänge führten von der Kammer aus in den Garten. Wenn es besonders still war, kam sie hervor, biß ein Kohlblatt ab, faßte es mit den Zähnen, zog es zum Loche hinein und verzehrte es in ihrer Höhle. Den Bäumen fraß sie die Wurzeln ab und zwar selbst solche, welche bereits eine ziemliche Größe erlangt hatten. Ich hatte auf einem Feldrosenstamme weiße Rosen oculiren lassen und zu meiner Freude in dem einen Jahre 153 Stück Rosen an dem Stamme erblühen sehen. Plötzlich verdorrte er, und als ich nachgrub, fand ich, daß alle Wurzeln nicht nur ihrer Schale beraubt, sondern fast ganz durchgefressen waren. Man kann sich leicht denken, wie sehr diese Verwüstungen meinen Haß gegen das böse Thier vermehrten. Aber es war sehr schwer, die Maus zu erlegen. Ich sah sie täglich vom Fenster aus meine Kohlstöcke brandschatzen; allein von dort aus war es zu weit, um sie zu erschießen, [381] und sobald sich jemand sehen ließ, verschwand sie in der Erde. Erst nach vierzehn Tagen gelang es, sie zu erlegen und zwar von einem ihretwegen angelegten Hinterhalte aus. Sie hatte mir aber bis dahin fast den ganzen Garten verwüstet.«

An Teichen thut die Wasserratte verhältnismäßig viel weniger Schaden, den einen freilich abgerechnet, daß sie die Dämme durchwühlt und so dem Wasser einen unerwünschten Ausfluß verschafft. Dort besteht ihre Nahrung vorzugsweise aus Rohrstengeln, und diese verzehrt sie auf ganz eigenthümliche Weise. Sie baut sich nämlich einen förmlichen Speisetisch. »Diese Eßtische,« sagt mein Vater, welcher die Wasserratten vielfach beobachtete, »sind auf umgeknickten Rohrstengeln angebracht, einige Centim. über dem Wasserspiegel erhaben, und bestehen aus grünem Seggengrase. Ihr Durchmesser beträgt 20 bis 30 Centim. Sie sind aus einer festen, dichten Masse aufgebaut und oben ganz platt; denn sie dienen den Wasserratten nur als Ruheplätze und Speisetafeln. In unseren Renthendorfer Teichen leben die Thiere im Sommer beinahe ausschließlich von Rohrstengeln. Diese beißen sie an der Oberfläche des Wassers ab und tragen sie im Rachen nach dem nächsten Eßtische. Auf ihm angekommen, richten sie sich senkrecht auf, fassen den Rohrstengel mit den Vorderfüßen und schieben ihn so lange fort, bis sie an den oberen, markigen Theil kommen; jetzt halten sie ihn fest und verzehren die ganze Spitze. Sind sie mit einem Rohrstengel fertig, dann holen sie sich einen anderen herbei, behandeln ihn auf ähnliche Weise und setzen, wenn sie nicht gestört werden, diese Arbeit so lange fort, bis sie völlig gesättigt sind. Aber sie lassen sich bei ihren Mahlzeiten nicht gern beobachten und stürzen sich bei dem geringsten Geräusche oder beim Erblicken eines auch in ziemlicher Ferne vorbeigehenden Menschen sogleich in das Wasser, tauchen unter und schwimmen einem sichern Verstecke zu. Haben sie aber ihre Mahlzeit ungestört vollendet, dann legen sie sich zusammengekauert auf den Eßtisch und ruhen aus.« Neben dem Rohre verzehren die an Teichen wohnenden Wasserratten allerlei Pflanzenwurzeln und saftige Gräser, unter Umständen auch Früchte; die Reut- und Schermäuse aber gehen alle Gemüse ohne Unterschied an und vernichten weit mehr, als sie wirklich brauchen. »Es sind Beispiele bekannt«, sagt Blasius, »daß durch dieses Thier in einzelnen Feldern und Feldmarken über die Hälfte der Getreideernte umgekommen ist. Sie fressen die Halme über der Wurzel ab, um die Aehre zum Falle zu bringen; doch holen sie, als geschickte Kletterer, ebenso die Maiskörner aus den Aehren oder reifes Obst vom Spalier und den Bäumen herab.« Thierische Nahrung verschmähen sie auch nicht. Im Wasser müssen Kerbthiere und deren Larven, kleine Frösche, Fische und Krebse ihnen zur Mahlzeit dienen, auf dem Lande verfolgen sie Feld- und andere Mäuse, den im Grase brütenden Vögeln nehmen sie die Eier weg, den Gerbern fressen sie ganze Stücke von den eingeweichten Thierhäuten ab usw. Im Herbste erweitern sie ihren Bau, indem sie eine Vorrathskammer anlegen und diese durch Gänge mit ihrem alten Neste verbinden. Die Kammer füllen sie aus nahe gelegenen Gärten und Feldern mit Erbsen, Bohnen, Zwiebeln und Kartoffeln an und leben hiervon während des Spätherbstes und Frühjahres oder solange das Wetter noch gelinde ist.

Erst bei starkem Froste verfallen sie in Schlaf, ohne jedoch dabei zu erstarren. Nur sehr selten gewahrt man die Fährte einer Wasserratte oder Schermaus auf dem Schnee; in der Regel verläßt sie den Bau während der kälteren Jahreszeit nicht.

Die Vermehrung der Wasserratten und Schermäuse ist bedeutend. Drei bis vier Mal im Jahre findet man in dem unterirdischen warmen, weich ausgefütterten Neste zwei bis sieben Junge, oft in einem Neste solche von verschiedener Färbung zusammen. »Die Tiefe der Erdhöhle, in welcher das Nest errichtet wird,« sagt Landois, »schwankt zwischen 30 bis 60 Centim. Zu derselben führen stets mehrere Gänge. Das Nest selbst füllt die Erdhöhle vollständig aus, ist kugelig, hat einen Durchmesser von 15 bis 20 Centim. und besteht aus einer Unzahl äußerst trockener Wurzelfäserchen. Dickere Wurzelfasern und Wurzeln werden beim Baue vermieden und somit ein Nest hergestellt, welches in Bezug auf seine Weiche und Wärme viele Vogelnester beschämen könnte.« Zuweilen findet man die Nester in dichtem Gestrüpp unmittelbar über der Erde, manchmal [382] auch im Rohre. Ein solches Nest beschreibt Blasius. »Es stand einen Meter hoch über dem Wasserspiegel, wie ein Rohrsängernest zwischen drei Schilfstengel eingeflochten, etwa dreißig Schritte vom trockenen Ufer ab, war kugelrund, aus feinen, weichen Grasblättern gebaut, am Eingange zugestopft, hatte außen etwa 10 Centim., inwendig wenig über 5 Centim. im Durchmesser und enthielt zwei halberwachsene Junge von kohlschwarzer Färbung. Eines der alten Thiere, welches bei meiner Annäherung sich vom Neste entfernte und ins Wasser sprang, war ebenfalls schwarz von Farbe. Es schwamm und tauchte mit großer Geschicklichkeit. Die Alten konnten nur schwimmend zum Neste gelangen, indem der Teich vom Ufer an bis zum Neste durchgängig gegen einen Meter Tiefe besaß, und waren dann gezwungen, an einem einzigen Schilfstengel in die Höhe zu klettern. Der gewöhnliche Nestbau der Wasserratten ist so abweichend, und die Gelegenheit, ein unterirdisches Nest in einem naheliegenden Felde und Garten oder in der an den Teich angrenzenden Wiese, oder ein Nest auf der Erde in dichtem Gebüsch auf den Teichdamm zu bauen, war so günstig, daß sich keine Erklärungsgründe für dieses abweichende Verhalten zu finden vermögen. Hätte ich das Nest beim Aufsuchen von Rohrsänger- und Krontauchernestern nicht zufällig gefunden: es würde mir nie eingefallen sein, an ähnlichen Orten nach Wasserrattennestern zu suchen.«

Der Begattung gehen lang anhaltende Spiele beider Geschlechter voraus. Namentlich das Männchen benimmt sich sehr eigenthümlich. Es dreht sich manchmal so schnell auf dem Wasser herum, daß es aussieht, als ob es von einer starken Strömung bald im Wirbel bewegt, bald herumgewälzt würde. Das Weibchen scheint ziemlich gleichgiltig zuzusehen, erfreut sich aber doch wohl sehr an diesen Künsten; denn sobald das liebestolle Männchen mit seinem Reigen zu Ende ist, schwimmen beide gewöhnlich gemüthlich neben einander, und dann erfolgt fast regelmäßig die Begattung. Die Mutter pflegt ihre Kinder mit warmer Liebe und vertheidigt sie bei Gefahr. Wenn sie die Kleinen in dem einen Neste nicht für sicher hält, schleppt sie dieselben im Maule nach einer anderen Höhle und schwimmt dabei mit ihnen über breite Flüsse und Ströme. Die eigene Gefahr vergessend, läßt sie sich zuweilen mit der Hand erhaschen; aber nur mit Mühe kann man dann das Junge, welches sie trägt, ihren Zähnen entwinden. »Werden die Jungen,« sagt Fitzinger, »zufällig mit der Pflugschar ausgeackert und nicht sogleich getödtet, so eilt die Mutter schnell herbei und sucht sie rasch in einer anderen Höhle zu verbergen, oder trägt sie, wenn eine solche in der Nähe nicht gleich aufzufinden ist, unter das nächste Buschwerk, um sie einstweilen dort zu schützen. Gerathen die Jungen durch einen plötzlichen Angriff in Gefahr, so vertheidigt sie die Mutter mit Kühnheit und Geschick, springt Hunden, Katzen, ja selbst dem Menschen entgegen und versetzt den Verfolgern oft heftige Bisse mit ihren scharfen Zähnen. Nach drei Wochen führt sie ihre Kleinen aus der Höhle und trägt, während diese auf dem Rasen oder auf Pflanzenbeeten fressen, die zarten Sprossen von verschiedenen Gräsern, besonders aber Erbsen, die Lieblingsnahrung der Jungen, in ihre Höhle ein. Die Kleinen beginnen nun auch bald ihre Grabversuche und werden schon in zarter Jugend auf Wiesen und Ackerfeldern und noch mehr in Gärten sehr schädlich.«

Die gefährlichsten Feinde der Schermaus sind Hermelin und Wiesel, weil diese in die unterirdischen Gänge und selbst in das Wasser nachfolgen. Beim Verlassen ihrer Röhren wird sie auch vom Waldkauze und von der Schleiereule, dem Iltis und der Katze erbeutet; im allgemeinen aber ist sie gegen die Räuber ziemlich gesichert und fordert um so dringender unnachsichtliche Verfolgung von Seiten des Menschen heraus. Fallen oder eingegrabene große Töpfe, deren glatte Wände ihr, wenn sie bei ihren nächtlichen überirdischen Spaziergängen hineingefallen ist, das Entkommen unmöglich machen, schützen ebenfalls wenig gegen sie, weil sie beide möglichst vermeidet, und so bleibt nur ein Mittel zur Abwehr übrig. Dieses besteht darin, ihre Gänge zu öffnen, so daß Licht und Luft in dieselben fällt. »Schon einige Minuten nachdem dies geschehen«, sagt Schacht, frühere Angaben von Landois bestätigend, »kommt sie herbei, steckt neugierig den Kopf zur Thüre heraus, schlüpft wieder zurück und fängt bald darauf an, unter der eröffneten Röhre eine neue zu graben, Um sie hervorzulocken, legt man ihr auch wohl eine Petersilienwurzel, ihre Lieblingsspeise, vor die [383] Oeffnung. Beim Hervorkommen bläst man ihr das Lebenslicht aus. Freilich ist es kein edles Waidwerk, auf Rattenvieh zu jagen, dieses Wild aber immerhin einen Schuß Pulver werth.« Die Gärtner Westfalens nehmen, wenn andere Vertilgungsvorkehrungen des maßlos schädlichen Wühlers fehlschlagen, stets zu diesem erprobten Mittel ihre Zuflucht.

Für die Gefangenschaft eignet sich die Wasserratte nicht. Sie ist ziemlich weichlich, verlangt deshalb gute Pflege und wird auch niemals ordentlich zahm.

Hoch oben auf den Alpen, da, wo das übrige thierische Leben schon längst aufgehört hat, wohnt eine zweite Art der Sippe, jeder Jahreszeit Trotz bietend, ohne daran zu denken, im Winter nach Art anderer Nager Schutz im Innern der Erde zu suchen. Noch heute wissen wir nichts ausführliches über sie, obgleich die tüchtigsten Thierkundigen sich mit der Erforschung ihres Lebens beschäftigt haben; denn die Unwirtlichkeit ihrer Heimat legt der Beobachtung zu große Schwierigkeiten in den Weg.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 379-384.
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