Tukotuko (Ctenomys magellanicus)

[443] Der Reisende, welcher zum ersten Male jene Länder betritt, vernimmt eigenthümliche, von einander abgeschiedene, grunzende Laute, welche in regelmäßigen Zwischenräumen nach einander gleichsam aus der Erde herausschallen und ungefähr den Silben Tukotu ko entsprechen. Diese Töne rühren von einer nach ihnen benannten Kammratte, dem Tukotuko (Ctenomys magellanicus), [443] her. Das Thier kommt an Größe ungefähr einem halbwüchsigen Hamster gleich; der Leib mißt 20 Centim., der Schwanz 7 Centim. Die Färbung der Oberseite ist bräunlichgrau mit gelbem Anfluge und schwacher schwarzer Sprenkelung. Die einzelnen Haare sind bleifarben, gegen die Wurzel und an den Spitzen größtentheils aschgrau, ins Bräunliche ziehend. Einige dünn gestellte Grannenhaare endigen mit schwarzen Spitzen; auf der Unterseite fehlen diese Grannenhaare, und deshalb erscheint die Färbung hier viel lichter. Kinn und Vorderhals sind blaß-fahlgelb, die Füße und der Schwanz weiß. Letzterer ist geringelt und geschuppt und ziemlich dünn mit seinen Härchen besetzt.

Wir verdanken die für uns giltige Entdeckung und die erste Beschreibung des Tukotuko dem um die Naturgeschichte der südlichsten Spitze Amerikas hochverdienten Naturforscher Darwin. Seine Schilderung der Lebensweise des Thieres ist bis jetzt noch nicht vervollständigt worden. Der Tukotuko wurde am östlichen Eingange der Magelhaenstraße entdeckt und von dort aus nach Norden und Westen hin in einem ziemlich großen Theile Patagoniens gefunden. Ausgedehnte, trockene, sandige und unfruchtbare Ebenen geben ihm Herberge. Hier durchwühlt er nach Maulwurfsart große Flächen, zumal des Nachts; denn bei Tage scheint er zu ruhen, obwohl man gerade dann seine Stimme oft vernimmt. Der Gang auf ebenem Boden ist sehr plump und unbeholfen; das Thier vermag es nicht, über das geringste Hindernis zu springen, und ist so ungeschickt, daß man es außerhalb seines Baues leicht ergreifen kann. Unter den Sinnen dürfte Geruch und Gehör am meisten ausgebildet sein; das Gesicht ist sehr stumpf. Wurzeln der dort vorkommenden Gesträuche bilden seine ausschließliche Nahrung, und von diesen speichert er auch hier und da Vorräthe auf, obwohl er vielleicht keinen Winterschlaf hält. Ueber die Fortpflanzung, die Zeit der Paarung und die Anzahl der Jungen fehlen zur Zeit noch genaue Nachrichten. Gefangene, welche Darwin hielt, wurden bald zahm, waren aber stumpfsinnig. Beim Fressen nahmen sie die Nahrung nach Nagerart zwischen die Vorderbeine und führten sie so zum Munde.

Die Patagonier, welche in ihrer armen Heimat keine große Auswahl haben, essen auch das Fleisch des Tukotuko und stellen ihm deshalb nach. In manchen Gegenden sollen die Reisenden wegen der unterirdischen Wühlereien zu klagen haben, weil die Pferde bei schnellem Reiten oft durch die dünnen Decken seiner Gänge brechen. Hierauf beschränkt sich gegen wärtig unsere Kenntnis.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 443-444.
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