Langschwanzschuppenthier (Manis longicaudata)

[531] Als Vertreter dieser Abtheilung gilt das Langschwanzschuppenthier (Manis longicaudata, M. tetradactyla, macroura, Pholidotus longicaudatus), ein Thier von 1 bis 1,3 Meter Gesammtlänge, wovon beinahe zwei Drittheile auf den Schwanz kommen. Bei jüngeren Thieren hat der Schwanz die doppelte Leibeslänge und verkürzt sich erst später mit dem fortschreitenden Wachsthume des Leibes. Dieser ist fast walzenförmig, mäßig dick, stark gestreckt und geht allmählich auf der einen Seite in den ziemlich kurzen Hals und in den Kopf, auf der andern Seite in den Schwanz über. Die Nase ist vorstehend, die Mundspalte klein, der Oberkiefer ragt über den Unterkiefer vor; die Augen sind klein und blöde, die Ohren äußerlich kaum sichtbar, denn an der Stelle der Ohrmuschel sieht man nur eine wenig hervorragende Hautfalte, die Beine kurz, plump und fast gleich lang, ihre Zehen unvollkommen beweglich, die Scharrkrallen an den Vorderfüßen bedeutend größer als die Nägel der Hinterfüße, die Sohlen dick, schwielig und nackt, dabei namentlich an den Hinterfüßen nach unten ausgebogen, so daß Krallen beim Gehen den Boden kaum berühren.


Langschwanzschuppenthier (Manis longicaudata). 1/7 natürl. Größe.
Langschwanzschuppenthier (Manis longicaudata). 1/7 natürl. Größe.

Der lange und breite, etwas flach gedrückte Schwanz verschmälert sich von seiner Wurzel allmählich gegen das Ende. Die Schuppen bedecken, mit Ausnahme der untern Außenseite der Vorderbeine, die ganze Ober-und Außenseite des Leibes und am Schwanze auch die Unterseite, steife Borsten die schuppenlosen Stellen. Gesicht und Kehle erscheinen fast gänzlich kahl. Die [531] außerordentlich festen und scharfschneidigen Schuppen sind in der Mitte des Rückens am größten und bilden am Kopfe und an den Leibesseiten, den Beinen und dem Schwanzende, am Kreuze auf dem Rücken elf Längsstreifen, zwischen denen sich nirgends eingemengte Borsten finden. Ziemlich lange, tiefe Streifen laufen von der Wurzel ihrer Oberfläche aus. Auf dem Rücken sind sie platt, am Rande des Schwanzes Hohlziegeln ähnlich, an den Leibesseiten haben sie die Gestalt einer Lanzette. Zwei besonders große Schuppen liegen hinter den Schultern. Gewöhnlich besteht die Mittelreihe auf der Oberseite des Körpers, am Kopfe aus neun, am Rumpfe aus vierzehn und am Schwanze aus zwei- bis vierundvierzig Schuppen. Ihre Gesammtfärbung ist schwärzlichbraun und ins Röthliche spielend; die einzelnen Schuppen sind am Grunde schwarzbraun und an den Rändern gelblich gesäumt. Die Borstenhaare sehen schwarz aus.

Die einzige ausführlichere Nachricht über die Lebensart gab Desmarchais. »In Guinea findet man in den Wäldern ein vierfüßiges Thier, welches die Neger Quoggelo nennen. Es ist vom Halse bis zur Spitze des Schwanzes mit Schuppen bedeckt, welche fast wie die Blätter der Artischoken, nur etwas spitziger gestaltet sind. Sie liegen gedrängt auf einander, sind dick und stark genug, um das Thier gegen die Krallen und Zähne anderer Thiere zu beschützen, welche es angreifen. Die Leoparden verfolgen es unaufhörlich und haben keine Mühe, es zu erreichen, da es bei weitem nicht so schnell läuft als sie. Es entflieht zwar; weil es aber bald eingeholt ist und weder seine Klauen, noch sein Maul ihm eine Waffe gegen die fürchterlichen Zähne und Klauen dieser Raubthiere gewähren, so kugelt es sich zusammen und schlägt den Schwanz unter den Bauch, daß es überall die Spitzen der Schuppen nach außen kehrt. Die großen Katzen wälzen es sanft mit ihren Klauen hin und her, stechen sich aber, sobald sie rauher zugreifen, und sind gezwungen, es in Ruhe zu lassen. Die Neger schlagen es mit Stöcken todt, ziehen es ab, verkaufen die Haut an die Weißen und essen sein Fleisch. Dieses ist sehr weiß und zart, was ich gern glaube, wenn es wahr ist, daß es bloß von Ameisen lebt, gewiß einer zarten und schmackhaften Speise! In seiner Schnauze, welche man mit einem Entenschnabel vergleichen könnte, liegt eine sehr lange, klebrige Zunge, welche es in die Löcher der Ameisenhaufen steckt oder auf ihren Weg legt; diese laufen, durch den Geruch angezogen, sogleich darauf und bleiben hängen. Merkt das Thier, daß seine Zunge mit den Thieren beladen ist, so zieht es sie ein und hält seinen Schmaus. Es ist nicht bösartig, greift niemand an, will bloß leben, und wenn es nur Ameisen findet, so ist es zu frieden und lebt vollauf!«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 531-532.
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