Alpenhund (Canis alpinus)

Alpenwolf (Canis alpinus). 1/8 natürl. Größe.
Alpenwolf (Canis alpinus). 1/8 natürl. Größe.

[524] Als Vierter im Bunde tritt in den Gebirgsländern Ost-und Mittelasiens der Alpenhund oder Alpen wolf, Subri der Sojoten und Burjäten, Dscherkul der Tungusen (Canis alpinus, Cuon alpinus) auf. Giebel verurtheilt ihn zu einer Spielart unseres Wolfes, mit welchem er schon wegen der merklich geringeren Größe und abweichenden Behaarung und Färbung kaum [524] verglichen werden kann; Gray findet durch Vergleichung seines und des Schädels vom Buansu, daß er mit diesem große Aehnlichkeit hat; Murie will ihn höchstens als sibirische Abart der südasiatischen Urhunde gelten lassen.

Ein schönes Stück des Berliner Museums ähnelt einem sehr großen zottigen Schäferhunde, hat breiten Kopf mit abgestumpfter Schnauze, mäßig großen Augen und mittelhohen, oben abgerundeten, außen und innen dicht behaarten Ohren, kräftige Glieder und langen, bis zum Boden herabreichenden Schwanz, ist 1,3 Meter lang, wovon der Schwanz 35 Centim. wegnimmt, und 45 Centim. hoch; der Pelz sehr lang, straff und hart, das zwischen den Grannen stehende Wollhaar dicht, weich und lang, die Fahne außerordentlich weich und buschig, das Haar der Oberseite an der Wurzel dunkel röthlichgrau, in der Mitte rostroth, an der Spitze schwarz oder weiß, wodurch hier eine fahlroströthliche Färbung hervorgebracht wird, während die Unter- und Innenseite sowie der Pfotentheil der Läufe blaßisabellgelb aussehen. Abgegrenzte Farbenfelder bemerkt man nur am Vordertheile der Beine, wo das allgemeine Rostfahlroth oder Rostfahlgelb der Oberseite neben dem Lichtisabellgelb der Unterseite als länglicher Flecken sich zeigt. Der Schwanz ist merklich dunkler als der Oberkörper, etwa fahlgrau. Das Ohr trägt außen röthlichgelbe, innen weißliche Behaarung.

Ueber Verbreitung und Sitten des Thieres berichtet Radde. Der Alpenwolf tritt in den Gebirgen, denen die östlichen Quellzuströme des Jenisei entspringen, strichweise häufig auf, wird aber ebensowohl von den Burjäten und Sojoten wie von den russischen Jägern nicht gejagt, sondern nur beiläufig erbeutet. Mehr der geringe Werth seines groben Pelzes als die Furcht vor ihm ist Ursache, daß man ihm nicht besonders nachstellt. Sein Vorkommen scheint an gewisse Oertlichkeiten geknüpft zu sein, an solche, welche zu den wildesten Gebirgsgegenden gehören und von den Hirschen besonders gerne als Standorte gewählt werden. So ist er im Jagdgebiete der [525] Karagassen westlich vom mittleren Okalaufe noch in Trupps von zehn bis fünfzehn Stücken vorhanden und geht dort den Hirschen, ganz besonders den Hirschkühen und Kälbern nach. Vereinzelter lebt er im Gebiete der Sojoten, namentlich am schwarzen Irkut, wo er vornehmlich an Steinböcke sich hält. Im oberen Irkutthale hatte er im Jahre 1859 die Hirsche dergestalt versprengt, daß die Jagden auf sie erfolglos blieben. Im südlichen Apfelge birge erkundigte sich Radde vergeblich nach ihm, erfuhr dagegen in den Hochsteppen Dauriens, daß der Dscherkul hier zuweilen vorkomme. In den Gebirgen des unteren Amur ist er häufig.

Von den Jägern im Amurthale wird der Alpenwolf gefürchtet. Die von ihm gebildeten Meuten umzingeln ihre Beute und fällen sie sicher. Dem Jäger, welcher diese Raubthiere in größerer Anzahl antrifft, bleibt nichts übrig, als sich auf einen Baum zu flüchten. Hirsche und Steinböcke werden von den Alpenhunden zu Felsabstürzen getrieben, angeschossene Stücke verfolgt und sehr bald niedergerissen. Angesichts der Beute lassen sie einen pfeifend zischenden Laut vernehmen und stürzen sich so gierig auf den Fraß, daß man sich ihnen sehr gut nähern kann. Ein Radde bekannter Birar-Tunguse erlegte von vier Alpenhunden, welche ihm einen eben angeschossenen Hirsch streitig machten, drei nach einander, ohne daß die überlebenden durch das Zusammenstürzen der getödteten bei ihrer Mahlzeit sich hätten stören lassen. Von den kundigen Eingeborenen werden sie übrigens als sehr schlaue und schnelle Thiere geschildert. Starke, alte Männchen führen die Meute, und zwar nehmen gewöhnlich ihrer mehrere die Spitze. Erfahrene Jagdhunde folgen der Spur ihrer Verwandten nicht, kehren vielmehr wie nach erkannter Tigerspur furchtsam, mit gesträubtem Rückenhaare, zum Herrn zurück.

Das Fleisch wird von den Birar-Tungusen nicht gegessen, das Fell von den russischen Kaufleuten nicht begehrt. Von Radde verlangte man freilich sechs bis zehn Rubel, aber nur, weil man merkte, wie viel ihm an einem vollständigen Balge gelegen war.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DXXIV524-DXXVI526.
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