Fuchshund (Canis familiaris sagax vulpicapus)

[627] Der Fuchshund (Canis familiaris sagax vulpicapus) ist mittelgroß und wohlgebaut, am Widerrist etwa 55, höchstens 60 Centim. hoch, sein Kopf klein, das Ohr oder der Behang, welcher meistens gekürzt wird, sehr groß, breit und lappig, der Hals dünn, der Schultertheil zurücktretend, die Brust weit, der Rücken breit; die Läufe oder Beine sollen gerade sein »wie Pfeile«; der ziemlich dichtbehaarte Schwanz muß »anständig« getragen werden. Die Färbung wechselt: weiße Grundfarbe mit mehr oder weniger dunkelbrauner Fleckung, welche die Ohrgegend einschließen muß, scheint am beliebtesten zu sein.

Der Ursprung des Fuchshundes ist ungewiß. Man nimmt an, daß er von dem alten englischen Jagdhunde abstammt und durch verschiedene Kreuzungen, an denen eine große Menge anderer Hunde theilnahmen, zu der Vollkommenheit gebracht worden ist, welche er zeigt. Er besitzt die Schnelligkeit des Windhundes, den Muth des Bulldoggen, die Feinheit des Geruchs vom Bluthunde, die Klugheit des Pudels, kurz, vereint gleichsam alle guten Gaben der Hunde in sich. Seine[627] Schnelligkeit ist wirklich unglaublich. Bei einem Wettrennen durchlief ein Hund, Blaumütze genannt, eine Länge von fast 41/2 englischen Meilen in acht Minuten und wenigen Sekunden, und das bereits erwähnte Rennpferd Flying-Childres, welches auf demselben Grunde lief, erreichte das Ziel kaum eine halbe Minute früher als er. Wenn man dabei die körperliche Beschaffenheit beider Thiere in Rechnung zieht, muß man wahrhaft über die Schnelligkeit des Hundes erstaunen; denn sie ist verhältnismäßig eine ungleich größere als die jener unübertrefflichen Pferde. Aber nicht allein die Schnelligkeit, sondern auch die Ausdauer der Fuchshunde ist außerordentlich.


Fuchshund (Canis familiaris sagax vulpicapus). 1/10 natürl. Größe.
Fuchshund (Canis familiaris sagax vulpicapus). 1/10 natürl. Größe.

Eine gute Meute folgt dem Fuchse halbe Tage lang und darüber mit gleichem Eifer; die Hunde des Herzogs von Richmond z.B. fanden, wie Bell erwähnt, den Fuchs morgens dreiviertel auf acht Uhr und erlangten ihn erst nach zehnstündigem »harten Rennen« zehn Minuten vor sechs Uhr abends. Mehrere von den Jägern wechselten dreimal ihre Pferde, verschiedene von diesen rannten sich zu Tode: von den Hunden aber waren beim Ende der Jagd dreiundzwanzig zur Stelle.

Gegenwärtig beginnt man erst vormittags um elf Uhr mit der Jagd. Kundige Jagdgehülfen haben in dem zu bejagenden Gebiete des Nachts alle Röhren der verschiedenen Fuchsbaue verstopft und Reineke gezwungen, sich im Freien zu bergen. An versprechenden Stellen sucht man ihn auf. Die Hunde werden gelöst, und durchstöbern eifrig, sich vertheilend und zerstreuend, Wälder und Dickichte. Ein guter Hund darf nur dann »sprechen, wenn er etwas zu reden hat«; die Suche geschieht also lautlos. Endlich läutet ein Hund auf, die übrigen stimmen ein: der Fuchs ist gefunden! Tallyho (ho, halloh) ruft der »Einpeitscher«; der »Hundsmann« stößt ins Horn; die Reiter [628] sammeln sich, und die wilde Jagd beginnt – ein prachtvolles Schauspiel! Durch Busch und Hecken, über Zäune, Gräben und Mauern geht es dahin, die Hunde in dicht geschlossener Meute, angefeuert durch ununterbrochenen Zuruf des »Hundsmannes«, welcher jeden einzelnen kennt und nennt, dicht hinter Reineke her, welcher seinerseits, um zu entkommen, alle Schnelligkeit, Behendigkeit, Gewandtheit, List und Ausdauer anwendet, vor keinem Hindernisse zurückbebt, jedes nimmt und überwindet, so lange es geht. Selten gelingt es dem armen Schelm, sein Leben zu retten; in der Regel holt ihn die blutgierige Meute binnen zwei bis drei Stunden ein, und wenn der »Hundsmann« nicht unmittelbar zur Stelle, um die Lunte, das Ehrengeschenk des Jägers, welcher Reineke zuerst gesehen, zu retten, ist dieser wenige Augenblicke später ergriffen, erwürgt, zersetzt und aufgefressen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. DCXXVII627-DCXXIX629.
Lizenz:
Kategorien: