Ammer (Emberizinae)

[276] Ueber die Eintheilung der Finken herrschen noch heutigen Tages sehr verschiedene Ansichten; denn auch diese Familie befindet sich, um Wallace's Worte zu gebrauchen, »in einem sehr ungeordneten Zustande«. Doch einigt man sich mehr und mehr, die nachstehend von mir angegebenen Unterfamilien anzuerkennen. Eine solche bilden die Ammer (Emberizinae), eine an Sippen reiche, etwa fünfundfunfzig Arten umfassende, sehr übereinstimmende Gruppe. Die Ammer sind dickleibige Sperlingsvögel mit verhältnismäßig kleinem, kurz kegelförmigem und spitzigem, an der Wurzel dickem, nach vorn seitlich zusammengedrücktem, oberseits mehr als unten verschmälertem, an den Rändern stark eingebogenem, am Mundwinkel eckig und steil herabgebogenem Schnabel, dessen Oberkiefer im Gaumen einen knöchrigen, in eine entsprechende Aushöhlung des Unterkiefers passenden Höcker trägt, kurzen, langzehigen Füßen, unter deren Nägeln der oft spornartig verlängerte der hinteren Zehe besonders hervortritt, mittelgroßen Flügeln, in denen die zweite und dritte Schwinge die längsten zu sein pflegen, ziemlich langem, etwas breitfederigem, am Ende schwach ausgeschnittenem Schwanze und lockerem, nach Geschlecht und Alter meist verschiedenem Gefieder.

Die Ammer gehören ihrer Hauptmenge nach der Nordhälfte der Erde an, leben größtentheils in niederem Buschwerke oder Röhrichte, gehören nicht zu den beweglichsten und begabtesten Finken, entbehren jedoch keineswegs der Anmuth in ihrem Wesen, sind sehr gesellig und friedlich, nähren sich während des Sommers vorzugsweise von Kerbthieren, im Herbste und Winter von mehligen Sämereien, welche sie, wie die Kerfe, auf dem Boden suchen, bauen ihr stets einfaches Nest auf dem Boden in eine kleine Vertiefung desselben oder doch nur wenig über die Bodenfläche erhöht und belegen dasselbe mit vier bis sechs dunklen, betüpfelten und geaderten Eiern, welche von beiden Eltern bebrütet werden. Ihres wohlschmeckenden, im Herbste sehr fetten Fleisches halber werden einzelne Arten schon seit Alters her eifrig verfolgt, wogegen andere unbehelligt von den Menschen leben, da sie auch im Gebauer nur ausnahmsweise gehalten werden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 276.
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