Schwarzkehlchen (Pratincola rubicola)

[148] Das Schwarzkehlchen oder der Schollenhüpfer (Pratincola rubicola, indica und saturatior, Motacilla, Sylvia und Oenanthe rubicola, Saxicola rubicola, indica und Hemprichii, Bild S. 146) ist etwas größer und schöner gefärbt. Oberseite und Kehle sind schwarz, die unteren Theile rostroth, Bürzel und Unterbauch sowie ein Flügel- und ein Halsseitenfleck reinweiß. Das Weibchen ist oben und an der Kehle grauschwarz, auf der Unterseite rostgelb, jede Feder der Oberseite rostgelb gerandet.

Das Braunkehlchen ist in allen Ebenen Deutschlands und der benachbarten Länder, nach Norden hin bis zum siebenundsechzigsten Grade, sehr häufig, kommt außerdem in Nord- und Südeuropa, auch im westlichen Asien vor und besucht im Winter Afrika und Indien. Bei uns erscheint es erst Ende April und verweilt hier höchstens bis Ende September; in Spanien hingegen sieht man es während des ganzen Jahres; ja, schon Großbritannien verläßt es während des Winters nicht mehr. Das Schwarzkehlchen, im allgemeinen in Deutschland seltener als die verwandte Art und mehr im Westen unseres Vaterlandes heimisch, bewohnt die gemäßigten Länder Europas und Asiens, nach Norden hin bis zur Breite Südschwedens, und wandert im Winter bis nach Innerafrika und Indien.

[148] Wiesen, welche von Bächen durchschnitten werden oder in der Nähe von anderen Gewässern liegen, an freies Feld oder an Waldungen grenzen und mit einzelnen niederen Gebüschen bestanden sind, bilden die beliebtesten Aufenthaltsorte der Wiesenschmätzer. Sie meiden die Oede und finden sich fast ausschließlich im bebauten Lande. Je fruchtbarer eine Gegend ist, um so häufiger trifft man sie an. Während der Brutzeit halten sie fest an den Wiesen, nach ihr wenden sie sich dem Felde zu und treiben sich hier auf demselben, am liebsten auf Kartoffel- oder Krautäckern umher. Da, wo sie vorkommen, wird man sie selten vermissen; denn sie wählen sich stets erhabene Punkte zu ihren Ruheorten und spähen von diesen nach Beute aus.

Es läßt sich nicht verkennen, daß die Wiesenschmätzer langweiliger sind als andere Arten der Familie; immerhin aber gehören sie zu den muntersten, bewegungslustigsten, unruhigsten und hurtigsten Vögeln unseres Vaterlandes. Auf der Erde hüpfen sie schnellen Sprunges dahin, halten auf jeder Erhabenheit an, beugen sich schnell vorwärts und wippen mit dem Schwanze nach unten. Im Fluge beschreiben sie kurze Bogen niedrig über dem Boden weg, wissen sich aber sehr gewandt zu schwenken und zu wenden und sind im Stande, fliegende Kerbthiere aller Art mit Sicherheit aufzunehmen. Uebertages sieht man sie fast immer in Thätigkeit. Sie sitzen auf der Spitze eines niederen Busches oder Baumes, schauen sich hier nach allen Seiten um, stürzen plötzlich auf den Boden herab, nehmen die erspähte Beute auf und kehren zu dem früheren Standorte zurück oder fliegen einem anderen erhabenen Punkte zu. Sie sind nicht gerade gesellig, aber doch verträglicher als andere Arten ihrer Familie, vereinigen sich, wie es scheint, gern mit ihren Sippschaftsverwandten oder auch mit fremdartigen Vögeln und hadern selten. Ihr Lockton ist ein schnalzendes »Tza«, an welches gewöhnlich die Silbe »teck« angehängt wird, so daß das Ganze wie »Tza–« oder »Tjaudeck« klingt. Der hübsche Gesang besteht aus verschiedenen kurzen Strophen voller und reiner Töne, welche in vielfacher Abwechselung vorgetragen und in welche, je nach der Gegend, anderer Vögel Stimmen, so Theile aus den Liedern des Grünlings, Stieglitz, Hänflings, des Finken, der Grasmücke usw., verwebt werden. Die Braunkehlchen singen bis zu Anfang des Juli fleißig, beginnen frühzeitig, schweigen übertages selten und lassen sich bis in die Nacht hinein hören.

Die Nahrung besteht in Kerbthieren, vorzüglich in Käfern, kleinen Heuschrecken und deren Larven, Raupen, Ameisen, Fliegen, Mücken und dergleichen, welche sie vom Boden absuchen oder im Fluge fangen. Das Nest steht regelmäßig auf den Wiesen im Grase, meist in einer seichten Vertiefung, zuweilen unter einem kleinen Busche, immer außerordentlich verborgen, so daß es überaus schwer fällt, dasselbe zu entdecken. »Sogar die Leute, welche das Gras abmähen«, sagt Naumann, »finden es seltener als die, welche das Heu nachher mit Harken zusammenbringen; ja, ich weiß Fälle, daß es bei alledem von keinem gefunden ward und die Vögel, trotz der vorgegangenen großen Veränderung, ihre Brut glücklich aufbrachten. Es besteht aus einem lockeren Geflechte von trockenen Würzelchen, dürren Stengeln, Grashalmen und Grasblättern mit mehr oder weniger grünem Erdmoose vermischt, im Inneren aus denselben, aber feineren Stoffen und schließlich aus einzelnen Pferdehaaren, welche der Mulde die Vollendung geben.« Fünf bis sieben sehr bauchige, neunzehn Millimeter lange, vierzehn Millimeter dicke, glattschalige, glänzend hellblaugrüne Eier, welche zuweilen am stumpfen Ende fein gelbroth gepunktet sind, bilden das Gelege, welches Ende Mai oder Anfang Juni vollständig ist und in dreizehn bis vierzehn Tagen vom Weibchen allein gezeitigt wird. Beide Eltern füttern die Brut, lieben sie im hohen Grade und gebrauchen allerlei List, um Feinde von ihr abzuwenden. »So lange ein sie beobachtender Mensch in der Nähe ist«, sagt Naumann, »gehen sie nicht zu Neste, ja sie verrathen, wenn sie noch Eier haben, diese nicht einmal durch ängstliche Geberden oder Geschrei. Bei den Jungen findet freilich das Gegentheil statt; doch setzen sie ihre eigene Sicherheit nicht rücksichtslos aufs Spiel.« Ungestört brütet das Paar nur einmal im Jahre.

Viele Feinde, namentlich alle kleineren Raubthiere, Ratten und Mäuse bedrohen die Jungen, unsere kleinen Edelfalken auch die alten Braunkehlchen. Der Mensch verfolgt sie nirgends regelrecht, [149] schützt sie vielmehr hier und da. In der Schweiz ist der Volksglaube verbreitet, daß auf derjenigen Alpe, auf welcher ein Schwarzkehlchen getödtet wird, die Kühe von Stund an rothe Milch geben. Für das Gebauer eignen sie sich nicht; denn sie sind, wenn man sie im Zimmer frei herumfliegen läßt, langweilig und still.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 148-150.
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