Webervögel (Ploceinae)

[360] Die Webervögel (Ploceinae) sind die größten Mitglieder und bilden den Kern der nach ihnen benannten Familie. Meist gestreckt gebaut, zeichnen sie sich außerdem durch ihren verhältnismäßigen langen und schlanken, obwohl noch immer kräftigen Kegelschnabel, ihre hochläufigen, langzehigen, mit derben, scharf gekrümmten Nägeln bewehrten Füße, langen, jedoch stumpfen Flügel, unter deren Schwingen die vierte die längste zu sein pflegt, und ihren kurzen, leicht gerundeten Schwanz aus, lassen sich daher mit anderen Familienverwandten kaum verwechseln. Gelb [360] oder Röthlichgelb und Schwarz sind die vorherrschenden Farben ihres Gefieders; es gibt aber auch vorwaltend schwarze, rothe, sperlingsgraue und weißliche Weber. Der Kopf oder das Gesicht pflegt dunkel gefärbt zu sein; der Rücken ist meist grünlich oder röthlichgelb, die Unterseite reingelb, licht- oder dunkelroth gefärbt.

Alle Webervögel treten häufig auf und zeichnen sich durch eine auch während der Fortpflanzungszeit nicht gestörte Geselligkeit aus. Nach der Brutzeit schlagen sie sich in Flüge zusammen, welche oft zu vielen tausenden anwachsen und unter Umständen wahrhaft verheerend in die Felder einfallen können, schwärmen längere Zeit im Lande umher, mausern dabei und kehren schließlich zu demselben Baume, welcher ihre oder ihrer Jungen Wiege war, oder wenigstens in dessen Nähe zurück. Hier herrscht einige Monate lang ein sehr reges Leben; denn der Bau der Nester erfordert viel Zeit, und die Vögel sind so eifrig und baulustig, daß sie oft das fast ganz fertige Nest wieder einreißen und ein neues errichten. Die Nester sind ohne Ausnahme Kunstbauten und entweder aus Pflanzenfasern oder aus biegsamen Grashalmen, welche, wie es scheint, durch den Speichel der Vögel noch besonders geschmeidigt werden, zusammengeschichtet oder gewebt. Wahrscheinlich brüten alle Webervögel mehrmals im Jahre, und daraus dürfte es zu erklären sein, daß man selbst in wenig verschiedenen Gegenden eines und desselben Landstriches frische Nester und Eier in verschiedenen Monaten des Jahres findet. Die Jungen sind in solchen Nestern wohl geborgen. An dem schwankenden Gezweige kann sich keine der so gern nesterplündernden Meerkatzen, kein anderes Raubsäugethier erhalten: es stürzt zum Boden, ins Wasser hinab, wenn es mit Räubergelüsten sich naht. Bei gewissen Arten, so beim Mahaliweber, wird das Nest noch außerdem gegen Angriffe verwahrt, indem die bauenden Eltern Dornen mit den Spitzen nach außen einflechten. Innerhalb ihres Nestes also sind alte und junge Weber gegen jeden gewöhnlichen Feind gesichert.

Die Ostafrikaner betrachten auch diese Kunsterzeugnisse unserer Vögel mit gleichgültigem Auge; andere Völkerschaften aber haben sie wohl, wenn auch theilweise mit dem Sinne des Märchendichters, beobachtet. So hat man in mehreren Lehmklümpchen gefunden, und das Volk hat sich dies flugs zu erklären gewußt, indem es sagt, daß der Webervogel des Nachts in diesen Lehm Leuchtkäfer einklebe, welche dazu bestimmt sein sollen, sein Nest zu erleuchten. Nach Bernsteins Angaben hat der feste Bau des Bayawebervogels die Grundlage gegeben zu der malaiischen Sage, daß derjenige, welcher so glücklich ist, eines dieser Nester aus einander zu nehmen, ohne dabei einen der dasselbe zusammensetzenden Halme zu zerbrechen, in seinem Inneren eine goldene Kugel finde.

Sämereien aller Art, namentlich aber auch Getreide, Körner und Schilfgesäme, bilden die bevorzugte Nahrung der Webervögel. Außerdem jagen sie sehr eifrig Kerbthiere und füttern namentlich mit solchen ihre verhältnismäßig zahlreiche Brut heran. Raubzüge gegen die Felder unternehmen sie hauptsächlich nach der Brutzeit, während sie die gewaltigen Schwärme bilden. Dann nöthigen sie den Menschen, zumal den Bewohner ärmerer Gegenden, welcher in seinem Getreidefelde sein Ein und Alles besitzt, zur ernsten Abwehr. Außer dem Menschen haben sie in den Edelfalken und Sperbern ihrer Heimatsländer viele und gefährliche Feinde.

Auf unserem Thiermarkte kommen mehrere, wenn auch fast nur westafrikanische Arten ziemlich häufig vor; denn sie sind zählebige Vögel, welche die Beschwerden, Entbehrungen und Qualen des Versandes leicht ertragen und bei einigermaßen entsprechender Pflege vortrefflich im Käfige ausdauern, falls man ihnen Gelegenheit gibt, ihre Kunst auszuüben, auch bald zu weben beginnen und in Gesellschaft ihresgleichen unbedingt zur Fortpflanzung schreiten. Aus diesen Gründen dürfen sie als die empfehlenswerthesten Käfigvögel bezeichnet werden, welche ihre Familie zu bieten vermag. Ihr Gesang ist allerdings nicht viel werth; dafür aber weben sie, so lange ihre Brutzeit währt, zur wahren Augenweide ihres Gebieters außerordentlich fleißig an ihren kunstvollen Bauten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 360-361.
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