Schapu (Ostinops cristata)

[385] Ein würdiger Vertreter der Sippe ist der Schapu (Japu) oder der Haubenstärling (Ostinops cristata, Xanthornus maximus, Oriolus, Cassicus und Psarocolius cristatus). Seine Länge beträgt vierzig bis fünfundvierzig, die Breite einundsechzig bis fünfundsechzig, die Fittiglänge zwanzig bis einundzwanzig, die Schwanzlänge achtzehn bis neunzehn Centimeter. Das auf der Scheitelmitte schmale, schopfartig verlängerte Gefieder ist bis auf die fünf äußeren citrongelben Schwanzfederpaare und die lebhaft kastanienbraunen Bürzel-, Ober- und Unterschwanzdeckfedern glänzend schwarz, auf Mantel und Schultern am Federende bräunlich gerandet und unterseits düsterer als auf der Oberseite. Das Weibchen ist bedeutend kleiner.

Der Schapu, dessen Lebensweise Prinz von Wied unübertrefflich geschildert, verbreitet sich, mit Ausnahme der westlichen Gebiete von Südbrasilien, über ganz Südostamerika, nach Norden hin bis Guatemala, bewohnt nur die Wälder und nähert sich den Pflanzungen oder menschlichen Wohnungen bloß dann, wenn sie dicht am Walde liegen. In den waldlosen Gegenden sieht man ihn nicht; in den Waldungen ist er zahlreich. Er lebt, etwa nach Art unseres Hehers gesellschaftlich, ist lebhaft, stets in Bewegung, fliegt von einem Fruchtbaume zum anderen, hängt sich mit seinen starken Klauen an die Zweige, ergreift zuweilen eine Frucht, fliegt damit ab, um sie anderwärts zu verzehren und lockt und ruft dabei fortwährend. Die Nahrung besteht aus kleineren Thieren und Beeren; während der Fruchtreife aber bilden Orangen, Bananen, Mammonen seine Lieblingsspeise. In den Pflanzungen kann er sehr schädlich werden.

[385] Man begegnet ihm auch zur Brutzeit stets in Gesellschaft anderer seiner Art, oft dreißig, vierzig und mehr Paare auf einem kleinen Raume vereinigt, und seine merkwürdigen Beutelnester hängen alsdann beinahe an allen Zweigen eines oder mehrerer der hohen oder ausgebreiteten Urwaldbäume. »Ich fand einst«, sagt der Prinz, »in einem romantischen, dunkelschattigen, allseitig von Waldbergen geschützten Thale eine höchst zahlreiche Ansiedelung dieser Vögel. Sie belebten den Wald so, daß man seine Aufmerksamkeit nicht genug auf eine und dieselbe Stelle heften konnte. Der ganze Wald hallte wieder von ihrer in dieser Zeit besonders lebendigen Stimme. Gewöhnlich hört man von ihnen einen kurzen, rauhen, etwas krächzenden Lockton; sie lassen aber auch abwechselnde Töne hören: einen lauten, sonderbaren Kehlpfiff, welcher gleichsam flötend und nicht unangenehm klingt, gewöhnlich nicht oft wiederholt wird, je doch zuweilen in der Ausdehnung einer halben Oktave ertönt. Andere verschiedenartige Laute, welche mit obigen vereint werden, bringen oft ein nicht unangenehmes, obwohl sonderbares Tonstück hervor, zumal dann, wenn viele dieser Vögel zugleich sich vernehmen lassen.


Schapu (Ostinops cristata). 2/5 natürl. Größe.
Schapu (Ostinops cristata). 2/5 natürl. Größe.

[386] Der Schapu befestigt sein merkwürdiges Nest zuweilen auf sehr hohen, zuweilen auf mäßig hohen Bäumen. Es ist beutelförmig, dreizehn bis siebzehn Centimeter weit, schmal, lang, unten abgerundet, oft einen bis anderthalb Meter lang, oben an einem ziemlich schlanken, etwa fingerdicken Zweige festgeschlungen und stark befestigt; hier befindet sich auch eine längliche, gänzlich unbeschützte Oeffnung zum Eingange. Die Gestalt und die biegsame, lockerem Filze ähnliche Masse dieses Nestes gibt dasselbe vollkommen der Gewalt des Windes preis; es ist dessen Spiel, selbst bei einer leisen Luftbewegung. Der Vogel flicht und filzt dieses Beutelnest auf die künstlichste Art aus Tillandsia- und Gravathafäden so fest ineinander, daß man es nur mit Mühe zerreißen kann. Unten im Grunde dieses tiefen Beutels findet man zur Unterlage der jungen Vögel Moos, dürres Laub und Bast; hier liegen ein oder zwei Eier. Sie sind von länglicher Gestalt, auf weißlichem Grunde blaß violettröthlich verwaschen marmorirt und haben einzelne unregelmäßige dunkel schwarzviolette Striche und Punkte. Gewöhnlich fand ich nur ein Junges in diesen Nestern; doch muß man die Anzahl eigentlich auf zwei annehmen; unrichtig würde es aber sein, wenn man dieselbe mit Azara auf drei festsetzen wollte. Die jungen Vögel haben eine laute, rauhe Stimme und gleichen schon im ersten Gefieder den alten, da die gelben Schwanzfedern sogleich hervorkommen. Oft findet man ein Nest an das andere angebaut, das heißt das eine theilt sich etwa in seiner Mitte und hat einen beutelförmigen Seitenauswuchs, welcher ebenfalls eine Wohnung ist. Auf einem Baume zeigen sich dreißig, vierzig und mehrere Nester. Besonders gern scheint sie der Vogel an dürren, trockenen Zweigen zu befestigen. Im November fand ich Nester, welche noch leer waren, in anderen Eier und junge Vögel. Ein solcher mit Nestern beladener Baum, auf welchem diese großen, schönen Vögel sich geschäftig ab und zu bewegen, bietet dem Vogelkundigen und Jäger ein höchst anziehendes Schauspiel dar. Das weit größere, schönere Männchen breitet seinen prächtigen Schwanz aus, bläht wie der Schwan seine Flügel auf, bringt den Kopf unterwärts, wobei es den Kropf aufbläst, und läßt alsdann seinen sonderbaren flötenartigen Kehllaut hören. Fliegt der Vogel mit seinem leichten, schnellen Fluge ab, so verursacht er mit seinen Flügeln ein von unten hörbares Geräusch. Man kann die Thiere, ohne sie zu verscheuchen, stundenlang beobachten.

Wenn die Brutzeit verstrichen ist, ziehen die Krähenstärlinge gesellschaftlich nach den Fruchtbäumen umher, und wir haben ihrer dann viele auf den Genipabäumen und anderen erlegt. Dieses habe ich besonders häufig an den Flüssen Belmonte und Ilhéos gesehen, wo sie äußerst zahlreich und gemein sind. Ihr Fleisch ist ziemlich eßbar, obwohl grob und oft hart; wir haben an demselben nie einen besonderen Geruch wahrgenommen, wie einige Schriftsteller sagen. Die Botokuden schießen den Schapu mit Pfeilen, theils um ihn zu essen, theils wegen seiner gelben Federn. Sie lieben dieselben ganz ungemein, bilden mit Wachs einen Fächer aus ihnen und befestigen denselben vor der Stirne.«

Gefangene Krähenstärlinge dauern viele Jahre aus, sind im Käfige munter und regsam, würden hier wohl auch zum Nisten schreiten, wenn man sie gesellschaftsweise halten wollte. Diejenigen Forscher, welche von einem besonderen Geruche sprechen, haben wahrheitsgetreu berichtet; denn unsere Stärlinge riechen zuweilen so stark, daß man sie kaum im Zimmer belassen kann.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 385-387.
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