15. Sippe: Keilschwanzsittiche (Conurus)

[122] Die Keilschwanzsittiche (Conurus) kennzeichnen sich durch starkgekrümmten, seitlich zusammengedrückten Schnabel, dessen Länge der Höhe ungefähr gleichkommt und dessen stumpf abgesetzte, schmale Firste eine seichte Rinne zeigt, kräftige Füße mit kurzen Läufen und mittellangen, durch derbe Nägel bewehrten Zehen, lange, spitzige Fittige, unter deren Schwingen die zweite und dritte die längsten sind, langen, keilförmigen, abgestuften, im wesentlichen wie bei dem Langschnabelsittich gebildeten Schwanz sowie endlich hartes Gefieder, von dessen vorwiegend grünem Grunde mannigfach verschiedene Zeichnungen und Farbenfelder sich abheben.

Die Sippe, an Arten reicher als jede andere, hat in Amerika ihre Heimat, verbreitet sich aber von der Magelhaensstraße bis zum zweiundvierzigsten Grade nördlicher Breite, obschon sie im Norden des Erdtheiles nur durch eine einzige Art vertreten wird. Die meisten Keilschwanzsittiche finden sich im mittleren Theile Südamerikas, insbesondere den feuchten Niederungen des Amazonenstromes und seiner Zuflüsse. Einzelne Arten verbreiten sich über weite Flächen, andere wiederum scheinen auf weniger ausgedehnte Landstrecken beschränkt zu sein. Ueber ihre Lebensweise haben wir, Dank den Beobachtungen des Prinzen von Wied, ein ziemlich ausführliches Bild. Ueberall beleben diese Vögel in Menge die Waldungen und namentlich diejenigen, welche von den Menschen noch wenig behelligt wurden; doch umschwärmen sie an der Seeküste die menschlichen Wohnungen ziemlich nahe. Sie vereinigen sich außer der Paarzeit stets in ziemlich starke Flüge, welche, aufgeschreckt, mit lauter Stimme pfeilschnell durch die hohen Baumkronen dahineilen und dann gemeinschaftlich auf einem Baume einfallen. Noch ist der Tag kaum angebrochen, so hört man schon ihr lautes, durchdringendes, aber etwas schnarrendes Geschrei. Unter lebhaften Rufe fallen sie in die Gebüsche ein, sind still, sobald sie sitzen, jedoch nicht ruhig; denn in den Baumkronen klettern sie sehr behend und geschickt auf und nieder, wobei der Schnabel viel von ihnen beansprucht und der lange Schwanz sorgfältig vor der Berührung an den Zweigen behütet wird. Bei ihrer grünen Farbe ist es oft schwer für den Jäger, sie aufzufinden; wenn sie Gefahr vermuthen, halten sie sich unbeweglich und sind ganz still. Erst wenn sie wieder auffliegen, erheben sie laut und schnell wiederholt ihre Stimme. Sie tragen wesentlich zur Belebung der Waldungen bei, namentlich in den sogenannten einsamen Waldungen, wo ihre Stimme oft die einzige ist, welche man vernimmt. Wo Pflanzungen in der Nähe des Waldes sind, verursachen sie Schaden wie alle übrigen Papageien; sie sind aber dem Mais weniger gefährlich als dem Reis. Nach der Brutzeit erscheinen sie häufiger als sonst am Rande der Waldungen und zwar mit ihren Jungen, welche sie, obgleich dieselben schon vollkommen ausgewachsen sind, noch aus dem Kropfe füttern.

[122] Das Nest wird in den Höhlungen alter Bäume erbaut und enthält zwei bis drei weiße Eier. Die Jungen wachsen ziemlich unbehelligt von den Menschen auf, weil man in Brasilien allgemein der Ansicht ist, daß die Keilschwänze ungelehrig sind, niemals sprechen lernen auch in der Gefangenschaft nicht leicht ausdauern. Nur wenige Arten werden mit günstigeren Augen angesehen und häufig zahm gehalten, hauptsächlich ihres sanften Wesens halber. Einzelne Arten gehören, nach Schomburgk, zu den Lieblingen der Indianer, daher man denn gewöhnlich ganze Flüge von gezähmten in den Niederlassungen findet. Die Brasilianer setzen sie in der Regel auf einen Stock, welchen sie an der äußeren Seite ihrer Wohnung anbringen, indem sie das eine Ende desselben in der Lettenwand einstecken. Des Fleisches wegen werden sie nicht verfolgt; als Wild sind sie zu klein. Der Naturforscher, welcher andere Rücksichten zu befolgen hat, erlegt sie ohne sonderliche Mühe und oft viele von ihnen auf einen Schuß.

Nach Europa kommen mehrere Arten recht häufig, und hier finden auch sie ihre Liebhaber, obwohl diese schwerlich verkennen werden, daß die Brasilianer mit ihren Anschauungen über diese Papageien Recht haben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 122-123.
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