Allfarblori (Trichoglossus Novae-Hollandiae)

[163] Am häufigsten sieht man in unseren Käfigen wohl den Allfarblori oder »Pflaumkopfsittich« der Händler »Warie« der Eingeborenen von Neusüdwales, »Guril« derer von Botanybai, »Jatbagnu« der Bengalen (Trichoglossus Novae-Hollandiae, haematodus, multicolor, haematopus und Swainsonii, Psittacus Novae-Hollandie, haematodus, haematopus, cyanogaster, multicolor und semicolaris, Australasia Novae-Hollandiae), eine der größten Arten der Sippe, welche dem Karolinasittich ungefähr gleichkommt. Kopf, Backen und Kehle sind lilablau, Hinterhals, Mantel, Bürzel und Schwanz dunkel grasgrün, die Federn des Oberrückens in der Mitte gelb, an der Wurzel roth, die des Nackens, welche ein verwaschenes Halsband bilden, gelbgrün, Kropf, Brust und untere Flügeldecken schön zinnoberroth, unregelmäßig und breit dunkler und lichter quergewellt, die Brustseiten hochgelb, die Bauchfedern dunkelblau, an der Wurzel roth, die der Bauchseiten roth mit blauem Endflecke, Schenkel, Schienbein, Aftergegend und untere Schwanzdeckfedern grasgrün, die Federn an der Wurzel roth, hierauf gelb und endlich an der Spitze grün, die Schwingen innen schwarz, in der Mitte durch einen breiten, gelben Fleck gezeichnet, die Schwanzfedern innen citrongelb, gegen die Wurzel hin etwas ins Rothe spielend. Die Iris ist orangeroth, der Schnabel blutroth, die Wachshaut dunkelbraun, der Fuß braunfahl.

Obgleich Gould nur Südaustralien als Heimat des Allfarbloris angibt, verbreitet sich derselbe doch, wie neuerdings erwiesen worden ist, über ganz Australien und kommt ebenso auf Vandiemensland vor. Hier lebt der prachtvolle Vogel in Menge, weil die Blüten der gedachten Bäume ihm überflüssige Nahrung bieten. Er ist aber auch so ausschließlich auf die Gummiwälder beschränkt, daß er in anderen gar nicht gesehen wird. Diejenigen Bäume, welche erst kürzlich ihre Blüten geöffnet haben, werden allen anderen vorgezogen, weil sie an Honig und Blütenstaub am reichsten sind. Der Anblick eines Waldes dieser blütenbedeckten Gümmibäume, auf denen sich außerdem noch mehrere Arten der gedachten Papageien und Honigvö gel umhertreiben, ist nicht mit Worten zu beschreiben. Oft sieht man drei bis vier Arten der Sippe auf einem und demselben Baume beschäftigt und manchmal gemeinschaftlich die Blüten eines und desselben Zweiges berauben. Noch weniger ist es möglich, die tausendstimmig lärmenden Töne und die Schreie mitten durch zu beschreiben, wenn etwa ein Flug sich mit einem Male von einem Baume erhebt, um in einen anderen Theil des Waldes überzugehen. Solche Schwärme muß man selbst gesehen und gehört haben, wenn man sich eine klare Vorstellung machen will.

[163] Bei einem seiner Morgenspaziergänge in den Buschwaldungen am Hunter kam Gould an einen ungeheueren Gummibaum von ungefähr sechzig Meter Höhe, welcher gerade in vollster Blüte stand. Hunderte von Vögeln waren durch diese Blüten angelockt worden, und die verschiedensten Arten der Papageien und Honigfresser nährten sich einträchtig von dem Nektar derselben. Gould erlegte von einem einzigen Zweige die vier Keilschwanzloris, welche die Gegend bewohnen.

Ueber das Fortpflanzungsgeschäft vermochte Gould eigene Beobachtungen nicht zu sammeln, erfuhr jedoch durch die Eingeborenen, daß der Allfarblori zwei Eier in Höhlungen der höchsten Gummibäume lege und vom Juli bis September brüte.


Allfarblori (Trichoglossus Novae-Hollandiae). 1/2 natürl. Größe.
Allfarblori (Trichoglossus Novae-Hollandiae). 1/2 natürl. Größe.

Daß diese Angabe schwerlich begründet sein dürfte, lassen gefangene Vögel derselben Art, welche sechs Eier legten, glaublich erscheinen.

Calay glaubt, daß der Allfarblori ausschließlich vom Blumensafte sich ernähre, auch in Gefangenschaft niemals Sämereien verzehre und deshalb schwierig zu erhalten sei. Diese Angabe ist unbedingt falsch; denn neuerdings gelangt, wie bereits bemerkt, gerade dieser Keilschwanzlori häufiger als jeder andere und in immer steigender Anzahl in unsere Käfige. Noch vor zehn Jahren fehlte er unserem Thiermarkte gänzlich, bis demselben plötzlich eine erhebliche An zahl zugeführt und unter den verschiedensten Namen zum Verkaufe ausgeboten wurde. »Ich erhielt«, schreibt mir Linden, »eines der ersten Paare mit der Weisung zugeschickt, nur Glanz und Wasser zu füttern. Ich befolgte dies anfänglich auch. Als ich aber sah, daß das Futter kaum berührt wurde, gab ich noch Früchte, welche begierig genommen wurden; die Folge war jedoch, daß wenige Tage später beide Vögel unter furchtbaren Krämpfen zu Grunde gingen. Ein zweites Paar, welches ich erwarb und hauptsächlich mit in Milch eingeweichtem Weißbrode fütterte, hielt länger aus, starb aber unter gleichen Erscheinungen. Die Zergliederung ergab weder in dem ersten noch in dem zweiten [164] Falle irgend welchen Anhaltspunkt für Aufklärung der Todesursache. Andere pflegte ich mit wechselndem Glücke, muß mich im allgemeinen aber dahin entscheiden, daß die Vögel zu denjenigen gehören, welche schwer zu halten sind. Allerdings habe ich auch das Gegentheil vernommen. Es ist mir versichert worden, daß man Junge erzielt habe, und man hat mir sogar das Paar, von welchem letztere abstammten, zugesandt; beim Tode der Vögel aber ergab sich, daß beide Weibchen waren. In dieser Weise werden nur zu häufig Angaben veröffentlicht und geglaubt.« Nach meinen allerdings nicht weit reichenden Erfahrungen muß ich Linden darin beistimmen, daß sich im allgemeinen die Keilschwanzlo ris nicht gut halten; doch gibt es Ausnahmen. So schreibt mir Staatsminister Geßler, daß er einen Allfarblori fünf Jahre lang bei bestem Wohlsein erhalten habe, was letzterer unter anderem dadurch bethätigte, daß er sechs Eier legte. Gefüttert wurde dieser Vogel mit Glanz, geriebenem magerem Ochsenfleische, geriebenen Möhren und Zucker, alles in gleichen Theilen unter einander gemischt, und die Lust, mit welcher der Allfarblori stets auf das in dieser Weise zusammengesetzte Futter losstürzte und bis zum letzten Bröcklein auffraß, bewies, daß er dasselbe seinen Neigungen entsprechend fand. Kerbthiere, welche ihm wiederholt geboten wurden, verschmähte er beharrlich und warf sie weg, wenn man sie in den Schnabel brachte.

»Das Wesen des Allfarbloris«, bemerkt Linden ferner, »ist ein viel lebhafteres als das der Breitschwanzloris: man kann es geradezu als stürmisch bezeichnen. Meine Vögel befanden sich stets in einer gewissen Aufgeregtheit und durften deshalb nicht in einer sogenannten Vogel- oder Papageienstube gehalten werden, weil es ihnen hier viel zu laut hergeht, sie zu leicht erschrecken, dann blindlings umherfliegen und häufig das Opfer ihrer Aufgeregtheit werden. Der Flug ist reißend schnell und wird stets mit lautem Gekrächze begleitet. Zum Boden herab kommen sie nur, wenn sie das Bedürfnis fühlen, sich zu haben. Ihre Stimmlaute lassen sich schwer beschreiben; denn sie sind ein Mittelding zwischen Pfeifen und Krächzen, aber gellend und durchdringend.«


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 163-165.
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