24. Sippe: Keilschwanzloris (Trichoglossus)

[162] Die Keilschwanzloris (Trichoglossus), welche die zweite Sippe bilden, sind schlank gebaute Arten von Sperlings- bis Taubengröße mit mittellangem, seitlich zusammengedrücktem Schnabel, dessen Firste kantig und dessen verschmälerte, dünne, stark herabgebogene, überhängende Spitze sanft, aber deutlich ausgebuchtet ist, während die geraden Schneiden des an der Dillenkante schief aufsteigenden Unterschnabels eine solche Ausbuchtung nicht zeigen, kurzen, kräftigen, dickzehigen, durch starke, gekrümmte Nägel bewehrten Füßen, spitzigen langen Flügeln, unter deren Schwingen eine der drei ersten die längste ist, langer Flügelspitze und keilförmigem Schwanze, dessen stark abgestufte, an der Wurzel ziemlich breite Federn gegen das Ende gleichmäßig sich verschmälern und an der Spitze zugerundet sind, sowie endlich mit ziemlich derbem, breitfederigem, glänzendem Gefieder, in welchem oberseits Grün, auf der Brust Roth vorherrscht, dort ein helleres Querband im Nacken, hier dunklere Querzeichnung vorhanden zu sein pflegt.

Das Verbreitungsgebiet der Keilschwanzloris fällt beinahe mit dem Wohnkreise der Plattschweifsittiche zusammen, erstreckt sich jedoch etwas weiter nach Westen hin. Das Festland Australiens bildet den Brennpunkt desselben; doch erreicht es bereits in Vandiemensland seine südliche Grenze, wogegen die nördliche auf den Mollukkeneilanden Halmahera und Morotai zu suchen ist. Unter den Südseeinseln werden nur Neukaledonien, die Neuen Hebriden und Salomonsinseln von Keilschwanzloris bevölkert; dagegen verbreiten sich diese in westlicher Richtung noch bis Sumbawa und Flores. Ueber ihr Freileben haben wir, Dank den Forschungen Goulds, ziemlich eingehende Kunde erhalten. Ein Hauptzug ihres Wesens ist der Trieb zur Geselligkeit. Die gleiche Lebensweise und die gleichartige Nahrung vereinigen sie mehr als andere Papageien, und so kann es geschehen, daß man auf einem und demselben Baume drei bis vier verschiedenste Arten in friedlichster Weise unter einander verkehren sieht. Wie die meisten australischen Papageien sind auch sie gezwungen zu wandern, und namentlich diejenigen Arten, welche im Süden brüten, kommen und gehen alljährlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Während ihrer Wanderungen vereinigen sie sich oft zu unzählbaren Schwärmen, welche so dicht geschart sind, daß sie einer Wolke ähneln, gleichzeitig auch verschiedene Schwenkungen ausführen und durch das in der Nähe geradezu betäubende Geschrei schon von ferne die Aufmerksamkeit des Beobachters sich zulenken. Ihr Flug ist kraftvoll, gewandt und pfeilschnell; namentlich bei dem Auffliegen erheben sie sich mit reißender Geschwindigkeit unter lautem, gleichmäßigem Schreien in die Höhe und stürmen dann durch die Luft dahin. Auf den Bäumen klettern sie mit ziemlicher Gewandtheit in allen erdenklichen Stellungen umher, doch mehr meisen-, als papageienartig. Nach Sonnenaufgang sind sie so eifrig mit der Aufsaugung des Honigs beschäftigt, daß sie von den Bäumen, auf denen sie sich niedergelassen haben, kaum verscheucht werden können. Der Schuß eines Gewehrs hat dann keinen anderen Erfolg, als daß die Vögel schreiend von dem beschossenen Zweige auf einen anderen fliegen, wo sie dann sofort wieder die Blüten untersuchen. Sie sind so geschickt im Aufsaugen des Honigs, daß dieser den erlegten klar aus dem Schnabel strömt, wenn man sie an den Beinen emporhält.

Ueber das Brutgeschäft haben die Reisenden noch wenig Beobachtungen sammeln können. Es scheint, daß die Schwärme auch während der Fortpflanzungszeit vereinigt bleiben, daß mindestens [162] so viele Paare, als auf einem Baume Unterkommen finden, gesellig nisten. Baumhöhlungen bilden auch für sie die Bruträume. Das Gelege besteht, wie man sagt, aus zwei bis vier, bei einzelnen Arten wahrscheinlich mehr, weißlichen, länglichrunden Eiern.

Die Pracht des Gefieders unserer Vögel besticht selbst die für die Schönheiten der Natur und ihrer Erzeugnisse anscheinend so gleichgültigen Eingeborenen Australiens; wenigstens beobachtet man, daß sie hier und da sorgfältig die Köpfe aller von ihnen erlegten Keilschwanzloris aufbewahren und daraus kettenartige Gehänge anfertigen, mit denen sie sich schmücken. Die Ansiedler europäischer Abkunft stellen den gedachten Loris einzig und allein aus dem Grunde nach, um sie für den Käfig zu gewinnen. Ihr Fleisch ist hart und zähe und außerdem noch mit unangenehmen Geruche behaftet, welcher sie wenigstens vor den Verfolgungen des nach eßbarem Wilde strebenden Jägers schützt. Im Käfige halten sich gerade diese Papageien besser, als man zu erwarten berechtigt war. Wenn auch die Reisenden angeben, daß sie vorzugsweise von Pflanzenhonig sich nähren und Sämereien vermeiden, gewöhnen sie sich doch leicht an letztere und dauern deshalb viel länger bei uns aus als Plattschweifsittiche und manche andere Papageien, welche uns als Körnerfresser bezeichnet werden. Eine Art hat sich, so viel mir bekannt, bei uns zu Lande sogar fortgepflanzt; mehrere andere haben wenigstens Eier gelegt. Inwiefern vorstehendes allgemeine Gültigkeit hat, vermag ich nicht zu sagen, weil von den sechsundzwanzig unterschiedenen Arten der Gruppe noch nicht einmal die Hälfte lebend zu uns herübergebracht wurde.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 162-163.
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