25. Sippe: Stumpfschwanzloris (Nestor)

[165] Das an eigenartigen Vögeln so reiche Neuseeland beherbergt außer dem Kakapo noch eine in hohem Grade bemerkenswerthe Vogelsippe, die der Stumpfschwanzloris oder Nestorpapageien (Nestor). Von den fünf Arten, welche man kennt, sind bereits zwei gänzlich ausgerottet worden, der eine wohl schon im Anfange unseres Jahrhunderts, der zweite kaum vor Ablauf der ersten Hälfte desselben; die drei übrigen beleben jedoch die Waldungen beider Hauptinseln noch in so erfreulicher Menge, daß ihr Fortbestand auf viele Jahrzehnte hinaus gesichert erscheint.

Die Stumpfschwanzloris, sehr kräftig und gedrungen gebaute Papageien von Dohlen- bis Rabengröße, kennzeichnen sich durch ihren starken, langen, seitlich zusammengedrückten Schnabel, dessen oberer Theil auf der schmalen, abgerundeten Firste eine seichte, bis gegen das Spitzendrittheil hin verlaufende Längsrinne und an der Seite einen sanft gerundeten Leistenvorsprung zeigt, mit der Spitze in flachem Bogen nach unten gekrümmt, in eine lange, weit vorragende Spitze ausgezogen und vor derselben mit schwachem Zahnvorsprunge ausgerüstet ist, dagegen der Feilkerben ermangelt, und dessen unterer Theil eine breitflächige, ebene Dillenkante und glatte Schneiden ohne Ausbuchtung besitzt, ferner durch kräftige, ziemlich langläufige und langzehige, mit derben, stark gekrümmten Nägeln bewehrte Füße, lange und spitzige, zusammengelegt weit über die oberen Schwanzdecken herabreichende Fittige mit mäßig langer Flügelspitze, unter deren Schwingen die dritte und vierte die längsten sind, mittellangen, geraden, nur am Ende etwas verkürzten, aus breiten, an der Spitze klammerförmigen Federn zusammengesetzten Schwanz und reiches, breitfederiges, düster olivenbraun oder grün, im Nacken und am Bauche lebhafter gefärbtes Federkleid, welches nach dem Geschlechte nicht verschieden ist. Die Zunge, auf deren Bau die Zusammengehörigkeit der Nestorpapageien und übrigen Loris sich begründet, ist, laut Potts, dick, auf der Oberseite abgeflacht, auf der Unterseite gerundet und hier mit einer Reihe kurzer, steifer, bürstenartiger Warzen versehen, welche zur Zunge eine ähnliche Stellung einnehmen, wie der Rand des [165] Nagels zum menschlichen Finger; sie weicht also nicht unerheblich von der anderer Loris ab, stimmt aber mit derselben doch immerhin mehr überein als mit jeder anderen Papageienzunge.

Während die beiden untergegangenen Nestorarten kleine Inseln bewohnten und hier mit der Besiedelung derselben durch Europäer durch ihrem Schicksale anheimfielen, hausen die übrigen noch lebenden in den großen Waldungen des Inneren, insbesondere in den schwer zugänglichen Gebirgen, und zwar, je nach den Arten, in den Waldungen des mittleren Gürtels und in denen, welche die obere Holzgrenze bilden, bevölkern somit die verschiedensten Höhengürtel der Eilande vom Meeresspiegel an bis zu reichlich zweitausend Meter unbedingter Höhe empor. Bis in die neueste Zeit waren wir über die Lebensweise keiner einzigen Art unterrichtet; gegenwärtig liegen treffliche, größtentheils erst in unserem Jahrzehnte, anfangs und um die Mitte der siebziger Jahre, veröffentlichte Beobachtungen vor, unter denen die von Potts und Buller herrührenden an erster Stelle genannt zu werden verdienen, so daß wir uns jetzt rühmen dürfen, besagte Papageien genauer zu kennen als so viele andere seit Jahrhunderten gezähmte.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 165-166.
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