4. Sippe: Langflügelpapageien (Pionias)

[74] Unter dem Sippennamen Langflügelpapageien (Pionias) vereinigen wir einige vierzig Arten der Unterfamilie, denen folgende Merkmale gemeinsam sind. Die Größe schwankt zwischen der einer Taube und der einer Dohle; die Gestalt ist kurz und dick, also gedrungen. Der kräftige Schnabel, dessen Firste scharfkantig sich absetzt, ist seitlich schwach gewölbt und erscheint daher etwas zusammengedrückt, zeichnet sich auch durch eine mehr oder minder deutliche, längs der Firste verlaufende Längsrinne aus. Der starke Fuß hat kurze Läufe, mäßig lange Zehen und kräftige Nägel; der Flügel, unter dessen Schwingen die zweite und dritte alle übrigen an Länge übertreffen, ist lang, die Flügelspitze weit vorragend, so daß der zusammengelegte Fittig über zwei Drittheile des Schwanzes deckt, letzterer, dessen Federn am Ende klammerförmig, seltener abgerundet sind, kurz, breit, gerade abgeschnitten, das Gefieder weich oder derb, aus breiten, am Halse oft schuppigen Federn gebildet. Von der vorwaltenden grünen Färbung sticht meist die bunte, aber sehr verschiedenfarbige des Kopfes und der unteren Schwanzdecken lebhaft ab.

Die Langflügelpapageien verbreiten sich über drei Erdtheile. Südamerika beherbergt die Hälfte von ihnen, Afrika den größeren, Asien den geringeren Theil der anderen Halbscheid. Ihre Lebensweise weicht nicht erheblich von dem Thun und Treiben anderer Kurzschwanzpapageien ab. Während der Brutzeit leben auch sie paarweise in Waldungen, Hainen und selbst auf einzelnstehenden großen Bäumen, beispielsweise Adansonien, welche ihnen Nistlöcher bieten; nachdem sie ihre Jungen großgezogen haben, schwärmen sie mit diesen im Lande umher, vereinigen sich auch wohl mit anderen Familien zu mehr oder minder zahlreichen Scharen und ziehen nun von einem Fruchtbaume oder einem Felde zum anderen. Hierbei führen sie im wesentlichen den Tageslauf ihrer Familienglieder, halten, wie sie, beim Hin- und Widerfliegen bestimmte Straßen ein und widmen gewisse Stunden der Aufnahme ihrer Nahrung, dem Bade, der Ruhe. Ihre Bewegungen ähneln am meisten denen der Amazonenpapageien; ihre Stimme zeichnet sich mehr durch gellende als durch kreischende oder krächzende Laute aus. Hinsichtlich ihrer geistigen Anlagen sind die Meinungen getheilt; doch glaube ich nicht zu irren, wenn ich sie durchgehends als wohlbegabte Geschöpfe bezeichne. Das Brutgeschäft scheint, soweit aus den dürftigen Mittheilungen hierüber ersichtlich ist, von dem anderer Kurzschwanzpapageien nicht abzuweichen.

Des empfindlichen Schadens halber, welchen die Langflügelpapageien dem Landwirte oder Pflanzer ihrer Heimatsländer zufügen, verfolgt man sie, wenn auch nicht allerorten, so doch in gewissen Gegenden mit berechtigtem Hasse, fängt sie zu hunderten, gebraucht überhaupt alle Mittel, ihrer sich zu erwehren. Aber auch, um sie zu Käfigvögeln zu gewinnen, stellt man ihnen Schlingen und Netze. Sie zählen zu den anspruchlosesten aller Papageien, verursachen ihrem Pfleger keinerlei Beschwer, werden bald und im hohen Grade zahm, lernen auch, jung aus dem Neste gehoben und mit Sorgfalt behandelt, unterrichtet und gelehrt, Worte und Sätze nachsprechen, leiden jedoch meist unter dem ziemlich allgemein verbreiteten Vorurtheil, daß sie ungelehriger seien als ihre größeren Verwandten, und erwerben sich deshalb nur ausnahmsweise die Anerkennung, welche ich, auf eigene Beobachtungen gestützt, ihnen nicht versagen kann.

Die räumliche Anordnung unseres Werkes gestattet mir nicht, mehr als eine Art in Betracht zu ziehen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 74.
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