5. Sippe: Zwergpapageien (Psittacula)

[77] Die Zwergpapageien (Psittacula) gehören zu den anmuthigsten Gliedern dieser Unterfamilie; ihre äußere Erscheinung wenigstens ist gefällig und gewinnend, und auch ihr Betragen in mancher Beziehung anziehend und fesselnd. »Die deutschen Dichter«, sagt Schomburgk, »kannten die zärtliche Liebe nicht, welche zwischen einem Pärchen der Zwergpapageien waltet; deshalb wählten sie ein Taubenpaar zum Sinnbilde der idyllischen Liebe. Allein wie weit bleibt ein solches in seiner Zärtlichkeit hinter jenem zurück! Hier herrscht die vollkommenste Harmonie zwischen dem beiderseitigen Wollen und Thun: frißt das eine, so thut dies auch das andere; badet sich dieses, so begleitet es jenes; schreit das Männchen, so stimmt das Weibchen unmittelbar mit ein; wird dieses krank, so füttert es jenes, und wenn noch so viele auf einem Baume versammelt sind, so werden doch niemals die zusammengehörenden Pärchen sich trennen.«

Daß Schomburgks Schilderung richtig ist, beweisen diejenigen Zwergpapageien, welche mehr oder weniger regelmäßig in unsere Käfige gelangen und uns Gelegenheit bieten, sie eingehend zu beobachten. Man hat einer Art nicht mit Unrecht den Namen »Unzertrennliche« gegeben, diese Benennung auch wohl auf alle ausgedehnt, geht aber zu weit, wenn man behauptet, daß der eine Gatte den Tod des anderen niemals überlebe. Wahr ist es: sie leiden schwer unter dem Verluste des Ehegenossen, trauern aber, wenn dieser durch einen anderen ersetzt wurde, nicht länger mehr, gewöhnen sich auch früher oder später an Einzelhaft. Doch hält man sie nur gezwungen allein, weil man sich des hübschen Bildes der Zärtlichkeit beider Gatten nicht berauben will.

Alle Zwergpapageien sind kleine, gedrungen gebaute Vögel von Sperlings- bis höchstens Staarengröße, mit glänzendem und oft buntem Gefieder. Ein schönes Blattgrün ist die vorherrschende [77] Färbung desselben; der Kopf ist oft roth, der Bürzel blau, der Schwanz meist bunt, und dann gewöhnlich durch eine schwarze Quer- und Endbinde gezeichnet. Der Schnabel ist verhältnismäßig sehr kräftig, zuweilen auffallend dick, meist höher als lang und seitlich abgerundet, der Oberschnabel mäßig gekrümmt und mit ansehnlich langer, dicker Spitze über den unteren herabgebogen, vor der Spitze rechtwinkelig ausgeschnitten oder sanft ausgebuchtet, der Unterschnabel meist höher als jener und seine Schneide jederseits vor der Spitze tief ausgebuchtet, der Fuß kurz und kräftig, der Flügel, unter dessen Schwingen die drei ersten alle anderen überragen, lang, durch die sehr lange Flügelspitze ausgezeichnet, der Schwanz endlich kurz und sanft gerundet oder gerade abgeschnitten.

Die Sperlingspapageien verbreiten sich weiter als alle anderen Sippen ihrer Ordnung; denn sie gehören vier Erdtheilen an. Von den dreiundzwanzig Arten, welche Finsch unterscheidet, leben elf in Südamerika, vier in Afrika, und zwar drei auf dem Festlande, eine auf Madagaskar, sieben auf den südasiatischen Inseln und eine in Australien. Alle Arten scheinen da, wo sie vorkommen, sehr häufig aufzutreten und nach der Brutzeit zu oft unzählbaren Scharen sich zu gesellen. Sie bevölkern den Wald und die buschreiche Steppe, die Ebene wie das Gebirge bis zu dreitausend Meter unbedingter Höhe, verhalten sich nur, so lange sie fressen, ruhig und still, treten übrigens außerordentlich geräuschvoll auf und schwatzen und zwitschern so laut und schneidend, daß einem die Ohren gellen. Ihre Bewegungen sind rasch, hastig und unstet; der Flug geschieht unter schwirrenden Flügelschlägen, der Lauf trippelnd und rennend, das Klettern ruckweise, aber eilfertiger als bei den meisten ihres Geschlechtes. Hinsichtlich ihrer höheren Begabungen stehen sie hinter allen größeren Papageien entschieden zurück, hinsichtlich ihres Wesens noch mehr: die meisten erscheinen bald ebenso langweilig, als sie anfänglich fesselten. Allerlei Baumfrüchte und Sämereien bilden ihre Nahrung; in die Getreidefelder fallen auch sie plündernd ein, richten daher unter Umständen sehr beträchtlichen Schaden an. Alle Arten brüten in Baumhöhlungen; einzelne von ihnen kleiden letztere aber sorgsam mit weicheren Stoffen aus. Das Gelege besteht aus vier bis acht Eiern und wird entweder vom Weibchen allein oder von beiden Geschlechtern gemeinsam bebrütet. Gefangene Zwergpapageien beanspruchen sorgfältige Pflege, erweisen sich als sehr hinfällig und lohnen nur ausnahmsweise die Mühe, welche sie verursachen. Gleichwohl werden sie von vielen mit Vorliebe gepflegt, haben sich sogar begeisterte Liebhaber erworben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 77-78.
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