[74] Wenn auch vielleicht nicht das schönste, so doch eines der auffallendsten Glieder der reichen, vielfach gegliederten und in Unterabtheilungen zerfällten Sippe ist der Fächerpapagei (Pionias acipitrinus, Psittacus accipitrinus, elegans, coronatus und Clusii, Deroptyus und Derotypus accipitrinus, Amazona accipitrina). Das Gefieder des Hinter- und Seitenhalses, der ganzen Oberseite und der Schenkel ist glänzend dunkelgrün, das des Vorder-und Oberkopfes licht bräunlichgelb, wie heller Milchkaffee, der Schläfe, Ohrgegend, Zügel und Kopfseiten sowie des Kinnes bräunlichfahl, durch verwaschene fahlweiße Schaftstreifen und Schaftflecke gezeichnet, das aus breiten Federn bestehende, sehr verlängerte, aufrichtbare und dann eine fächerförmige Holle bildende des Hinterkopfes und Nackens dunkel karminroth, ins Veilchenfarbene spielend, jede Feder an der Wurzel braunfahl, an der Spitze durch einen breiten, blauen Saum geziert, das der ganzen Unterseite, mit Ausnahme der seitlichen, außen grünen Brustfedern, ebenso gefärbt und gezeichnet; die Handschwingen und deren Deckfedern sind ganz, die vorderen Armschwingen nur in der Wurzelhälfte der Innenfahne schwarz, die drei letzten grün, die Schwanzfedern, mit Ausnahme der äußersten innen schwarzen, außen dunkel schwarzblauen, grün wie der Rücken, innen breit mattschwarz gerandet, die Unterschwanzdecken endlich grün. Der Augenstern ist braun; Schnabel, Füße sowie die nackten Augenkreise sehen braunschwarz aus.
Die Länge beträgt, nach Burmeister, siebenundzwanzig, die Fittiglänge achtzehn, die Schwanzlänge vierzehn Centimeter.
Soviel bis jetzt bekannt, bewohnt der Fächerpapagei vorzugsweise die Waldungen um den Amazonenstrom, Surinam und Guayana, wie es scheint überall minder häufig als andere Papageien.
[75] Spix traf ihn bei Villanova am Amazonenstrome, Schomburgk gedenkt in dem bekannten Reisewerke seiner nur zweimal. Er fand ihn am Rupununi und gezähmt in den Hütten der Warrau. Obgleich er einmal erwähnt, daß eine zahllose Menge dieser herrlichen Papageien die Sawaripalmen belebte und die Reisenden mit ohrerschütterndem Geschrei begrüßte, er also wohl Gelegenheit zu beobachten hatte, theilt er uns doch nur äußerst wenig mit. »Im Zorne ist der gedachte Vogel ohne Zweifel einer der schönsten Papageien, da sich dann die glänzend gefärbten Federn des Hinterkopfes in die Höhe sträuben und einen förmlichen Kreis um seinen Kopf bilden. Die Ansiedler nennen ihn ›Hia‹, welchem Worte seine Stimme vollkommen ähnelt.« Aus dem wissenschaftlichen Anhange seiner Reise erfahren wir noch, daß der Fächerpapagei die niederen Wälder in der Nähe der Ansiedelungen bevorzugt, zutraulich und leicht zähmbar, aber weichlich und ungelehrig sei, in Baumlöchern niste und mehr als zwei, mitunter vier Eier lege.
Ich habe längere Zeit einen Fächerpapagei gepflegt und zwei andere in Thiergärten gesehen. Alle drei, insbesondere aber mein Pflegling, waren höchst anmuthende Vögel. Zutraulich und hingebend wie irgend ein wohlgezähmter Papagei, sanft und ruhig, ich möchte sagen leidenschaftslos, befreundete sich mein Gefangener bald innig mit mir, begrüßte mich durch verlangendes Geberdenspiel, wenn ich an seinem Käfige vorüberging und gab sich mit ersichtlichem Behagen Liebkosungen hin, welche ich ihm spenden durfte, ohne befürchten zu müssen, von ihm gebissen zu werden. Die oft zu förmlicher Arglist ausartende Bosheit anderer Papageien lag ihm fern. Auch er liebte es, wenn man ihm im Gefieder nestelte und hob dann gewöhnlich langsam die verlängerten Federn seines Hinterhauptes, um den ihn außerordentlich schmückenden Fächer nach und nach voll zu entfalten. Dies aber geschah keineswegs im Zorne, wie Schomburgk meint, sondern viel öfter bei freudiger Erregung.
Hinsichtlich seiner Bewegungen unterschied sich der betreffende Vogel merklich von allen Sippschaftsverwandten, welche ich im Freien beobachtet, gepflegt und sonst in Gefangenschaft gesehen habe. Von der Hast und Unruhe, welche die meisten Langflügelpapageien bethätigen, bemerkte man nichts an ihm. Für gewöhnlich saß er still und schaute ernsthaft vor sich hin; doch ließ das lebhafte Auge keinen Zweifel aufkommen, daß er alles um sich her sehr genau beobachtete; auch kündigte er, ebensogut wie Kakadus, alles ungewohnte oder ihm besonders auffällige durch Unruhe und Geschrei an. Bewegte er sich, so geschah es in gemessener, scheinbar überlegter Weise. Sein Geschrei war gellend, entsprach jedoch den von Schomburgk bezeichneten Lauten nicht.
Ein anderer Fächerpapagei, welchen ich beobachtete, gab so verschiedenartige Töne und Laute zu hören, daß ich glauben mußte, dieselben seien ihm angelernt worden, und er würde, hätte man sich zweckentsprechend mit ihm abgegeben, sprechen gelernt haben. Ueber die hohe geistige Begabung des Vogels konnten Zweifel nicht bestehen. Zwar fehlten ihm fast alle die ausdrucksvollen Geberden, durch welche beispielsweise ein Kakadu sich verständlich zu machen strebt; er unterschied aber sehr genau zwischen ihm bekannten und fremden Leuten, bekundete rege Theilnahme für alles um ihn her, achtete auf den Ruf seiner Freunde und ging zuvorkommend auf deren Wünsche ein. So konnte es nicht fehlen, daß er bald zu einem mit vollstem Rechte bevorzugten Lieblinge von mir wurde.
Nachdem ich vorstehende Zeilen niedergeschrieben hatte, empfing ich von Linden über einen von ihm seit neun Jahren gepflegten Gefangenen die nachfolgenden Mittheilungen: »Aus der früheren Abbildung im ›Thierleben‹ glaubte ich schließen zu dürfen, daß der Fächerpapagei zu den unfreundlichen Vögeln gezählt werden müsse, und war nicht gerade erfreut, als mir der Thierhändler Jamrach in London unaufgefordert einen dieser Papageien übersandte, freilich zu einem für einen so seltenen Gast äußerst geringfügigen Preise. Bei Ankunft des verkommenen und krankhaft [76] aussehenden Vogels mußte ich alle Hoffnung verlieren, ihn am Leben zu erhalten; zu meiner Freude aber hatte er sich nach kurzer Zeit vollständig erholt und prangte nicht lange darauf in voller Pracht seines Gefieders. Schon unmittelbar nach Empfang fiel mir sein sanftes Wesen auf. Ich hatte gemeint, daß die aufrichtbaren Federn, welche keine Holle, sondern einen schönen Fächerkragen bilden, nur im Zorne gesträubt würden, fand aber bald, daß dies nicht der Fall war, und habe eigentlich bis jetzt noch nicht zu ergründen vermocht, aus welcher Ursache er dann und wann seinen Fächer aufrichtet. Oft geschieht es allerdings im Zorne; versuche ich aber, ihn zu reizen, um ihn zum Aufrichten des Kragens zu veranlassen, so weist er solche Störung nur mit Bissen ab, ohne die Federn zu bewegen. Nicht minder oft drückt er durch Entfaltung des Kragens seine Freude aus: dies geschieht namentlich, wenn ich seine gewöhnliche Stimme, ein angenehm lautendes Pfeifen, nachahme oder ihn damit aufmuntere. Aber auch in solchem Falle ist seine jeweilige Laune maßgebend. Will ich ihn einem Besucher in seiner vollen Schönheit zeigen, so thut er mir gewiß nicht den Gefallen, den Fächer aufzurichten, wogegen er ein anderes Mal ohne Aufforderung nicht müde wird, mit letztem zu spielen. Daß er wirklich launenhaft ist, bekundet er auch bei seinem Fressen. Oft such er sich den Mais aus seinem Körnerfutter heraus und wirft alles übrige zur Seite; dann wiederum nimmt er nur Sonnenblumenkörner. Das eine Mal kann er es nicht erwarten, bis ich ihm ein Stückchen in Milch eingeweichten Zwieback gebe; das andere Mal will er nichts von diesem Futter wissen und wünscht sich anstatt dessen eine Feige oder Orange, welche er wochenweise oft gänzlich verschmäht. Saftige Weidenzweige sind ihm immer willkommen.
Ein Gewitter versetzt ihn in die höchste Aufregung und verursacht ihm größte Angst. Er zittert am ganzen Leibe und drückt sich beim Donner ängstlich in eine Ecke, bekundet auch noch stundenlang nach dem Aufhören des Gewitters durch furchtsames Gebaren, wie sehr er sich gefürchtet hatte. Beim Scheine der Laterne dagegen ermuntert er sich sogleich, ohne die mindeste Aufregung zu zeigen. Obwohl sich der Fächerpapagei durch Lebhaftigkeit nicht auszeichnet, hat er mich doch zu seinem warmen Freunde gewonnen und verdient meine Zuneigung durch die Liebenswürdigkeit seines Wesens, seine Zuthunlichkeit und innige Anhänglichkeit, welche er mir erweist.«
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