Kakadus (Plictolophinae)

[85] Oceanien scheint für die Vögel ein wahres Eden zu sein. Die dort lebenden Säugethiere sind verkümmerte Gestalten, welche eben nur an die vollkommeneren anderer Erdtheile erinnern, die Vögel hingegen, welche den gedachten Erdtheil ihre Heimat nennen, und zum großen Theile in wunderbarer Farbenpracht prangen, ebenso vollkommen gebildet als irgendwo anders. Keine einzige dieser Familien verleiht dem Erdtheile ein so bestimmtes Gepräge wie die Papageien. Zwischen dem grünen Laubwerke der Gummibäume schimmern, wunderbaren Blüten vergleichbar, die blendenden Kakadus hervor; von den gelbblühenden Akazien herniederleuchten mit den lebhaftesten Farben geschmückte Plattschweifsittiche, und um die Blüten der Bäume tummeln sich die honigsaugenden Pinselzüngler in ewig beweglichen Gruppen, während die kleinen Graspapageien die oft trostlosen Ebenen des Inneren freudig beleben. Wie bei uns die Schwalben durch die Straßen der Städte und Dörfer huschen, schwirren in Australien Flüge von Papageien über dieselben Wege dahin, und wie unsere Sperlinge auf den Landstraßen sich tummeln, sieht man dort sie gleichsam vertretende Papageivögel in buntem Gewimmel den Boden bedecken. Wenn der einsam wohnende Landwirt seine Ernte eingeheimst, erscheinen Flüge dieser Thiere, welche nach hunderten von Stücken zählen, vor den Thoren der Scheuern, wie bei uns die Tauben, und suchen in dem ausgedroschenen Strohe nach den letzten Körnern umher. Dichterisch fühlende Reisende sind begeistert von dem ewig wechselnden Schauspiele, welches die Prachtvögel gewähren; der Ansiedler hingegen haßt sie von Grund seines Herzens, weil sie nur zu oft in sein Besitzthum verwüstend einfallen, und schießt sie mit derselben Gleichgültigkeit zusammen, mit welcher bei uns ein Bauer unter die räuberischen Spatzen feuert.

Unter den mehr als sechzig bestimmten verschiedenen Papageiarten, welche Australien bevölkern, nehmen die Kakadus einen hohen Rang ein. Sie bilden eine ziemlich scharf in sich abgeschlossene Gruppe der Papageien und werden deshalb mit Recht in einer besonderen Familie oder von denen, welche in der gesammten Ordnung nur eine solche sehen, mindestens in einer Unterfamilie (Plictolophinae) vereinigt. Ihr am meisten in die Augen fallendes Merkmal ist die aufrichtbare Federhaube, welche den Kopf schmückt, und dieses eine Kennzeichen genügt auch, sie von allen übrigen Papageien zu unterscheiden.

[85] Australien, die Papuländer und einige indisch-malaiische Eilande sind die Wohnsitze der Kakadus. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von den Philippinen bis Tasmanien und von Timor und Flores bis zu den Salomonsinseln. Innerhalb dieses Kreises beherbergen fast alle Länder und Inseln Kakadus; einzelne Arten verbreiten sich jedoch über weite Landstriche oder über mehrere Eilande, während die Mehrzahl ein auffallend beschränktes Wohngebiet zu haben scheint. Hier leben die meisten Arten in großen, oft ungeheueren Scharen, welche sich in Waldungen verschiedenen Gepräges ansässig machen, von hier über die Fluren und Felder dahinstreichen und den Beschauern unter allen Umständen ein zauberhaft erhabenes Schauspiel gewähren. Selbst der Forscher stimmt gern in die dichterischen Worte der Reisebeschreiber ein, welche dieses Schauspiel gar nicht hoch genug rühmen können. »Mitten in dem massigen Schatten des dunkelsten Laubwerks treiben weiße Kakadus ihr Spiel gleich Geistern des Lichtes«, so sagt Mitchell von einer Art dieser Vögel, und »ihr hochrother Fittig und ihre glühenden Hauben wandeln die Höhen, in denen sie leben, zu Gefilden von üppigster Wonne«, von einer zweiten Art. Man muß selbst Umstrickung durch all den Zauber, welchen die Pflanzenwelt unter den Wendekreisen auf den Nordländer übt, empfunden, und erfahren haben, daß alle Pracht der Pflanzen doch erst durch die belebten Wesen, welche wir zu unseren Lieblingen erkoren, befähigt wird, ihre volle Wirkung zu äußern; man muß selbst von dem paradiesischen Wirrwarr einer durch den Menschen noch nicht behelligten Vogelwelt berauscht worden sein, um in solchen Aeußerungen nur den Erguß eines tief empfundenen Gefühles und nicht eine schwülstige Uebertreibung zu erkennen.

In ihrem Wesen und Treiben ähneln die Kakadus den übrigen Papageien. Sie gehören aber zu den liebenswürdigsten von allen. Wenn sie in Massen von tausenden zusammen leben, mag ihr unangenehmes Geschrei allerdings so betäubend werden können, daß sie die Gunst des Menschen verscherzen; wenn man jedoch den einzelnen Vogel kennen lernt, wenn man sich mit ihm befreundet, gewinnt man ihn lieb. Alle Kakadus sind kluge und verständige, die meisten ernste und sanfte Vögel. Ihre geistige Begabung ist außerordentlich entwickelt, ihre Neugier ebenso groß wie ihr Gedächtnis, die Eigenart des einzelnen bemerkenswerth. Kaum zwei von ihnen haben genau dasselbe Benehmen. Der Kakadu befreundet sich gern und innig mit den Menschen, zeigt weniger Tücke, als andere Papageien, und erkennt dankbar die ihm gespendete Liebe, welche er von jedem in gleicher Weise zu begehren scheint. Erst schlimme Erfahrungen machen ihn unfreundlich und unliebenswürdig. Man mag sich hüten, einen Kakadu von sich abzuwenden; denn sein vortreffliches Gedächtnis bewahrt die empfangenen Eindrücke treulich jahrelang auf. Er vergißt empfangene Beleidigungen schwer oder nicht, und das einmal erwachte Mißtrauen kann kaum wieder besänftigt werden; ja, es geschieht nicht selten, daß der beleidigte Vogel sogar rachsüchtig sich zeigt und später den, welcher ihm eine Unbill zufügte, gefährdet. Dieser Charakterzug ist vielleicht der einzig unangenehme, welchen der Kakadu bekundet; im allgemeinen ist mildes Wesen bei ihm vorherrschend. Er will lieben und geliebt sein und bekundet dies seinem Pfleger bald auf alle erdenkliche Weise. Hat er sich einmal mit dem Loose seiner Gefangenschaft ausgesöhnt und an einen Menschen angeschlossen, so läßt er sich gerne von diesem und bald von allen anderen streicheln, neigt willig seinen Kopf, sobald man Miene macht, ihn zu liebkosen, lüftet sein Gefieder der Hand förmlich entgegen. Es mag sein, daß ihm ein behagliches Gefühl erwächst, wenn man mit den Fingern in seinem Gefieder nestelt und auf der zwischen den dünn stehenden Federn leicht erreichbaren nackten Haut reibt und kraut; jene Willigkeit gewinnt jedoch stets den Anschein vergessender Hingebung und muß deshalb bestechen. »Ich besitze«, so schreibt mir Linden, »einen Kakadu, dessen Zahmheit und Zutraulichkeit jede Beschreibung übertrifft. Wenn auch im Wesen der Papageien immer etwas Tücke liegt und man sich bei dem zahmsten von ihnen gelegentlich auf einen Hieb gefaßt machen kann, sei es, indem man ihre Bosheit, ihre Eifersucht oder ihren Widerwillen weckte, so bildet dieser eine Ausnahme. In den zehn Jahren, seitdem er in meinem Besitze ist, hat er sich stets als dasselbe liebenswürdige Geschöpf bewiesen. Er läßt alles mit sich thun und beträgt sich immer wie ein gut geartetes Kind. Höchstens, [86] wenn man seinem Genossen zu lange schmeichelt, regt sich Eifersucht in ihm und er streicht sich dann mit einem Fuße über Hals und Kopf, um seinen Wunsch, auch geschmeichelt zu werden, zu erkennen zu geben.«

Aber der Kakadu besitzt noch andere gute Eigenschaften. Sein hochbegabter Geist bekundet sich nicht bloß in einem vortrefflichen Gedächtnisse, sondern auch durch eine große Gelehrigkeit. Er wetteifert hierin mit den begabtesten aller Papageien. Auch er lernt mit ziemlicher Leichtigkeit und Fertigkeit sprechen, verbindet verschiedene Worte in sinngebender Weise und wendet ganze Sätze bei passender Gelegenheit an, läßt sich abrichten zu Kunststücken mancherlei Art: ein sehr hoher Verstand ist nicht zu verkennen.

»Wohl keine Sippe der Sittiche insgemein«, bemerkt Linden ferner, »verdient den Namen ›gefiederte Affen‹ mehr als die Kakadus. Dies zeigt sich insbesondere auch in der Lust, alles nachzuahmen. Was in einem Nachbarkäfige geschieht, erregt ihre Aufmerksamkeit, und wenn sie es vermögen, thun sie es nach, ungewöhnliche Bewegungen und Geberden oder Stimmlaute ebensowohl wie uns angenehme oder unangenehme Handlungen. Einer meiner Gelbwangenkakadus läuft in gewissem, gleichmäßigem Takte auf seiner Sitzstange hin und her, tanzt, turnt und treibt allerlei Künste. Alles dies wird von den anderen nachgeahmt, zuerst vielleicht stümperhaft, später besser, zuletzt so ausgezeichnet, daß der ursprüngliche Lehrmeister sich übertroffen sehen muß. Wie erheiternd dieses Gebaren auf den Beschauer wirkt, läßt sich nicht schildern. Es liegt in der Nachahmung ein gewisser Muthwille und zugleich Eifer, etwas ebenso gut oder noch besser auszuführen. Wird von einem ein Futtergeschirr losgebrochen und als Spielball im Käfige umhergeworfen, so ruht der Nachbar nicht, bis auch er dasselbe gethan hat. Er bekundet dabei eine Kraft und Beweglichkeit des Schnabels ohnegleichen; denn dieses eine Werkzeug wird als Hammer, Zange, Schraubenzieher benutzt und leistet erstaunliches. Mit aller List habe ich Futtergeschirre befestigt, sie mit Draht um die Eisenstäbe gewunden, von außen mit Mutterschrauben fest angezogen usw.; aber meine Kakadus wissen den Schraubenwindungen ganz gut entgegenzuarbeiten und bringen früher oder später alles los. Meine Käfige bestanden vormals aus Drahtgeflecht; allein es war immer nur eine Frage der Zeit, bis wieder ein enggeflochtener Theil losgetrennt und dann die Oeffnung rasch genug erweitert wurde, um das Durchschlüpfen, behufs Verübung von allerlei Unfug, zu ermöglichen.« Die Lust zum Zerstören ist, wie ich hinzufügen will, bei Kakadus besonders ausgeprägt, und die Leistungen der Vögel übertreffen in der That alle Vorstellungen. Sie zernagen, wie ich aus eigener Erfahrung verbürgen kann, nicht allein Bretter von fünf bis sechs Centimeter Dicke, sondern sogar Eisenblech von einem Millimeter Stärke; sie zerbrechen Glas und versuchen selbst das Mauerwerk zu durchhöhlen. Von gewöhnlichen Vogelketten, welche sie an einen Ständer befestigen sollen, befreien sie sich mit Leichtigkeit. Die sinnreichsten Vorkehrungen, um sie an der Flucht zu verhindern, schützen wohl manchmal, aber keineswegs immer. Fiedler schreibt mir, wie ich bereits in den »Gefangenen Vögeln« erzählt habe, daß sie selbst eine doppelt, also gegeneinanderwirkende Schraube aufzudrehen verstehen. Dies alles trägt dazu bei, uns einen hohen Begriff von ihrem Verstande zu geben.

Die natürliche Stimme der Kakadus ist ein abscheuliches, unbeschreibliches Kreischen. Die Laute »Kakadu«, welche die meisten in bestechend zarter Weise aussprechen und mit denen sie auch regelmäßig ihre freundschaftlichen Gesinnungen oder ihre Hingebung an den Pfleger ausdrücken wollen, sind nichts anderes als ihnen angelernte Worte. Letzteres hat Bernstein, welcher Kakadus vielfach in der Freiheit beobachten konnte, mitgetheilt und Finsch wiederholt. Um mir Gewißheit hierüber zu verschaffen, wandte ich mich an den Thierhändler Hagenbeck und erfuhr von ihm, wie ich ebenfalls schon in meinem »Gefangenen Vögeln« erwähnt habe, das nachstehende: »Am regelmäßigsten habe ich das Wort ›Kakadu‹ von den aus Indien stammenden Arten gehört; aber die australischen sagen es ebenfalls. Ja, ich glaube mit Bestimmtheit behaupten zu können, daß man es von allen Arten überhaupt vernehmen kann. Jedoch waren es immer zahme Vögel, welche ihren Namen sprachen. Von wilden, welche man bekanntlich sehr leicht als alt [87] gefangene oder doch vernachlässigte erkennt, hörte ich die Worte nie und zwar ebenso wenig von indischen wie von australischen Arten. Vor kurzem erhielt ich vierzehn Gelbwangenkakadus, von denen nicht ein einziger ›Kakadu‹ sagte. Endlich muß ich bemerken, daß die australischen Arten das Wort ›Kakadu‹ englisch aussprechen und ebenso oft ›pretty cokey‹ sagen, was doch unbedingt beweist, daß sie wenigstens die betreffenden Worte erst in der Gefangenschaft gelernt haben.« Vollste Aufklärung hierüber gibt mir von Rosenberg. »Ich muß bemerken«, schreibt er mir, »daß das Wort ›Kakatua‹ von wildlebenden Vögeln niemals vernommen wird und auch nicht vernommen werden kann, weil es erst den jung gefangenen angelernt wird. Es ist malaiischen Ursprungs und bedeutet ›Alter Vater‹ (Kaka, Vater, tua, alt). Diejenigen Vögel also, welche es aussprechen, stammen entweder aus malaiischen Ländern oder sind jung in die Hände von Malaien gelangt.« Durch diese Bemerkung Rosenbergs wird mir auch die zarte Betonung der betreffenden Worte verständlich: es mögen, nein, es müssen Frauen und Kinder sein, welche das Lehramt bei den frischgefangenen Vögeln übernehmen.

Wie andere Papageien leben auch die Kakadus im Freien in Gesellschaften, welche selbst während der Brutzeit noch in einem gewissen Vereine bleiben. Die Nacht verbringen sie wohlverborgen in den dichtesten Kronen der höchsten Bäume; den Morgen begrüßen sie mit weithin tönendem Geschrei. Dann erheben sie sich und fliegen mit leichten Schwingenschlägen, viel schwebend und gleitend, dahin, irgend einem Fruchtfelde oder einem anderen, nahrungversprechenden Orte zu. Sie beuten ihr Gebiet nach Möglichkeit aus. Früchte, Körner und Sämereien bilden wohl ihre Hauptnahrung; nebenbei fressen sie aber auch kleine Knollen und Zwiebeln, welche sie mit dem langen Oberschnabel sehr geschickt aus dem Boden graben, oder sie nehmen Pilze auf und verschlingen außerdem, wie die Hühner thun, kleine oder mittelgroße Quarzstücke, jedenfalls aus demselben Grunde wie andere Körnerfresser, um die Nahrung zu zerkleinern. Der Kropf und Magen der getödteten enthält stets die verschiedensten Nahrungsstoffe durcheinander. Auf frisch gesäeten Feldern und im reisenden Mais können sie höchst empfindlichen Schaden anrichten. Sie sind mit Ausnahme der Mittagsstunden während des ganzen Tages in Thätigkeit und achtsam auf alles, was vorgeht. Jedes neue Ereignis wird mit Geschrei begrüßt; namentlich wenn ein Flug sich niedergelassen hat und ein anderer vorüberkommt, erhebt sich ohrenzerreißender Lärm, dessen Mißtöne man sich einigermaßen vorstellen kann, wenn man das Geschrei einiger wenigen Gefangenen durch eigene Erfahrung kennen gelernt hat. Sobald ein Flug sich gesättigt hat, kehrt er wieder nach dem Ruheorte im Walde zurück und verweilt nun eine zeitlang wenigstens verhältnismäßig ruhig, um zu verdauen. Dann geht es zum zweiten Male nach Nahrung aus, und mit einbrechender Nacht versammelt sich die Masse wiederum auf dem gewohnten Schlafplatze.

So ungefähr leben die Scharen bis zur Brutzeit. Nunmehr trennen sie sich in Paare, und jedes derselben sucht nun eine passende Höhlung zur Aufnahme des Nestes aus. Dieses findet sich je nach den Umständen in Baumhöhlen aller Art, namentlich in hohlen Aesten, aber auch in den Spalten der Felsen. Steile Felswände an den Flüssen Südaustraliens werden alljährlich von tausenden unserer Vögel besucht, in gleicher Weise wie die Klippen der nordischen Meere von den in noch größeren Mengen auftretenden Möven. Man behauptet, daß einzelne dieser Wände von den Papageien ganz durchlöchert seien, und die Kraft und Festigkeit des Schnabels läßt Arbeiten im Gestein in der That glaublich erscheinen. Das Gelege besteht immer nur aus zwei, höchstens drei rein weißen, etwas spitzigen Eiern, welche denen einer Zwerghenne ungefähr an Größe ähneln, aber durch ihren Glanz hinlänglich sich unterscheiden. In welcher Weise das Brutgeschäft besorgt und die Jungen aufgefüttert werden, ist mir nicht bekannt. Auch Buxton, welcher wohl Gelegenheit gehabt hätte, bei seinen freigelassenen Vögeln Beobachtungen in dieser Richtung zu sammeln, sagt nichts hierüber.

Freundschaften zwischen zwei verschiedenartigen Kakadus sind etwas durchaus gewöhnliches, und wenn die Freunde beiden Geschlechtern angehören, bildet sich zwischen ihnen regelmäßig ein [88] Liebesverhältnis heraus, welches früher oder später zu einem innigen Ehebunde wird. Beide Genossen oder Gatten pflegen dann ebenso unzertrennlich nebeneinander zu sitzen wie die Zwergpapageien und sich mit Zärtlichkeiten aller Art zu überhäufen. In Lindens Vogelhause hat sich ein riesiger Gelbwangenkakadu einem kleinen Ducorpkakadu gesellt und erweist der erwählten Genossin eheliche Liebkosungen. »Schon wiederholt«, schreibt mir Linden, »habe ich die Paarung beobachtet. Die Zärtlichkeit, welche derselben vorgeht und nachfolgt, ist auffallend. Beide umhalsen sich gegenseitig, umschlingen sich förmlich mit den Flügeln und küssen sich wie zwei Verliebte. Zum Eierlegen haben sie es jedoch noch nicht gebracht, und alle Nistkästen, welche ich ihnen gab, verfielen binnen wenigen Stunden ihrem unermüdlichen Schnabel.« Daß auch das entgegengesetzte stattfindet und verschiedenartige Kakadus erfolgreich sich fortpflanzen, haben wir oben gesehen.

Des Schadens wegen, welchen die oft in so großer Menge auftretenden Kakadus den Landwirten zufügen, werden sie in ihrer Heimat eifrig verfolgt und zu hunderten erlegt. Erfahrene Reisende erzählen, daß sie, wenn sie feindliche Nachstellungen erfahren, sich bald ungemein vorsichtig zeigen, wie andere Papageien auch oder wie die Affen, mit wirklicher List ihre Raubzüge ausführen und deshalb schwer oder nicht von den Feldern zu vertreiben sind. In eigenthümlicher Weise betreiben die Eingeborenen die Jagd auf diese Vögel. »Vielleicht«, erzählt Kapitän Grey, »kann es kein fesselnderes Schauspiel geben, als die Jagd der Neuholländer auf Kakadus. Sie benutzen hierzu die eigenthümliche, unter dem Namen ›Bumerang‹ bekannte Waffe, ein sichelartig geformtes, plattes Geräthe aus hartem Holze, welches mit der Hand mehr als dreißig Meter weit geschleudert wird, die Luft in kurzen Kreisen durchschneidet und trotz der vielfachen Abweichungen von dem geraden Wege mit ziemlicher Sicherheit das Ziel trifft, dieselbe gefährliche Waffe, welche auch von den Innerafrikanern in Holz und Eisen hergestellt wird. Ein Eingeborener verfolgt einen starken Flug unserer Vögel im Felde oder im Walde, am liebsten da, wo hohe, prachtvolle Bäume ein Wasserbecken umgeben. Solche Orte sind es hauptsächlich, welche die Kakadus aufsuchen, und hier sieht man sie oft in unzählbaren Scharen versammelt, kletternd im Gezweige oder fliegend von Baum zu Baum. Hier pflegen sie auch ihre Nachtruhe zu halten. Der Eingeborene schleicht mit Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln zu solchen Lachen herbei, drückt sich von einem Baume zum anderen, kriecht von Busch zu Busch und gibt sich die größte Mühe, die wachsamen Vögel so wenig als möglich zu beunruhigen. Aber so lautlos sein federnder Gang auch ist, die Kakadus nehmen ihn doch wahr, und ein allgemeiner Aufruhr bekundet das Nahen des gefährlichen Feindes. Die Vögel wissen, daß Gefahr im Anzuge ist; sie sind nur noch ungewiß über sie. So kommt der Verfolger zuletzt bis an das Wasser heran und zeigt unverhüllt seine dunkle Gestalt. Mit ohrenzerreißendem Schreien erhebt sich die weiße Wolke in die Luft, und in demselben Augenblicke schleudert der Neuholländer seine Waffe unter sie. Der Bumerang tanzt in den wunderbarsten Sprüngen und Drehungen über das Wasser hin, erhebt sich aber im Bogen mehr und mehr und gelangt bald genug mitten unter die Vögel. Eine zweite, dritte, vierte gleichartige Waffe wird nachgesandt. Vergeblich versuchen die geängsteten Thiere zu entrinnen: der scheinbar regellose Flug des Geschosses macht sie verwirrt und lähmt ihre Flucht. Einer und der andere kommt mit dem Bumerang in Berührung und wird zu Boden geworfen, sei es, indem die sausende Waffe ihm den Hals abschlägt oder einen Flügel zertrümmert. Schreiend vor Schmerz und Grimm stürzt einer der fliegenden zu Boden, und erst wenn der dunkle Jäger seinen Zweck erfüllt hat, besinnt sich die Masse und fliegt schreckerfüllt davon oder sucht in den dichtesten Baumkronen Zuflucht.«

Das Fleisch der erlegten wird als erträglich wohlschmeckend bezeichnet, und namentlich die Suppe, welche man von ihm bereitet, sehr gerühmt.

Daß die Kakadus auch leicht gefangen werden können, beweisen die vielen, welche lebend zu uns kommen. Allerdings ertragen gerade sie bei einfacher Nahrung die Gefangenschaft ohne Beschwerde und sind deshalb vortrefflich geeignet, weite Reisen zu überstehen; wenn man aber bedenkt, daß man in Deutschland aus dritter und vierter Hand einen Kakadu für wenige Mark [89] unseres Geldes kaufen kann, ergibt sich von selbst, daß er an Ort und Stelle sehr niedrig im Preise stehen muß.

Bei geeigneter Pflege hält der Kakadu auch in Europa viele Jahre lang aus: man kennt Beispiele, daß einer länger als siebzig Jahre im Bauer lebte. Seine Haltung erfordert wenig Mühe; denn er gewöhnt sich nach und nach an alles, was der Mensch ißt. Doch thut man wohl, ihm nur die einfachsten Nahrungsstoffe zu reichen: Körner mancherlei Art, gekochten Reis und etwas Zwieback etwa, weil er bei zu reichlichem Futter leicht allzu fett wird oder auch mancherlei Unarten annimmt, welche dann schwer auszurotten sind. Wer sich ihn zum Freunde gewinnen will, muß sich viel und eingehend mit ihm beschäftigen, ihm liebevoll entgegentreten und ihm manche Unart verzeihen. Unter guter Pflege wird früher oder später jeder Kakadu zahm und lohnt dann durch die treueste Anhänglichkeit die auf ihn verwendete Mühe. Doch darf man sich nicht verleiten lassen zu glauben, daß er, unter so glücklichen Verhältnissen er auch leben möge, jemals vergessen könnte, wozu ihm die Schwingen gewachsen sind. »Daß selbst lange Zeit in Gefangenschaft gehaltene Papageien, welche anscheinend nur klettern oder hüpfen können«, so schreibt mir Linden ferner, »im ersten Augenblicke ihres Freiwerdens aus dem Käfige von ihrer ungeschwächten Flugkraft den umfassendsten Gebrauch zu machen wissen, sollte ich an einem Gelbwangenkakadu erfahren. Ich hatte die Unklugheit, ein sehr großes Gebauer, in welchem er und sein bereits erwähnter Genosse, um nicht zu sagen Buhle, schon seit lange in guter Freundschaft lebten, in das Freie zu stellen. Eines Morgens beim Füttern entkam mir besagter Kakadu unbemerkt unter dem Arme weg. Im nächsten Augenblicke schon saß er auf dem höchsten Baume des Gartens, entfaltete seine Flügel, richtete seine gelbe Haube empor und nahm sich in der frühen Morgenstunde prachtvoll aus. Ich rief ihn mit den besten Worten, streckte ihm sein Lieblingsfutter empor; er aber hatte keinen Sinn mehr für alles, und nachdem er kurze Zeit in den schwankenden Zweigen geklettert, schwang er sich plötzlich mit Geräusch und Geschrei in die Höhe, flog höher und immer höher, so daß ich ihn kaum mehr mit den Augen verfolgen konnte und nahm dann die Richtung nicht über den nahen Bodensee, wie ich befürchtete, sondern nach der Landzunge, welche sich von hier aus eine Wegstunde lang in den See erstreckt. Mein sofortiges Suchen nach ihm war umsonst, obwohl ich jeden Obstbaum, das Weidengestrüpp und die Pappeln längs der Ufer genau durchforschte. Am Abend hatte ich die Hoffnung aufgegeben und konnte mir nicht anders denken, als daß er dennoch über den See in die Waldungen des anderen Ufers entkommen sei. Doch ging ich am nächsten Morgen noch vor Tagesanbruch nochmals zum Suchen aus und glaubte wirklich nach kaum einer Viertelstunde Weges seine Stimme zu hören, folgte derselben und entdeckte ihn in einem Obstgarten, wo er sich belustigte, Zweige in ganz bedeutender Menge von den Bäumen abzureißen. Mein Rufen beantwortete er; als ich jedoch Hülfe und eine Leiter geholt hatte, auf welcher einer den Baum erkletterte, flog er auf den nächsten, beschrieb plötzlich wieder eine weite Schraubenlinie, stieg höher und höher auf und ließ sich endlich ganz oben auf der höchsten Pappel, hart am Ufer nieder. Ihn aus solcher Höhe herabzulocken, schien mir unmöglich. Doch hatte ich seinen geliebten Genossen in einem kleinen Käfige mitgenommen und setzte letzteren auf den Boden, einen anderen leeren aber nebenan. Beide riefen sich, gaben sich gegenseitig Antwort, und endlich kam der Flüchtling aus seiner Höhe, zuletzt auch auf den Boden herab. Ein zufällig vorübergehender Mann verscheuchte ihn zum zweiten Male, und im Nu saß er wieder auf dem alten Standpunkte. Mir war die Geduld ausgegangen. Ich stellte daher eine Wache ganz in die Nähe und kehrte ohne Hoffnung nach Hause zurück. Allein kaum eine Viertelstunde später wurde mir der Flüchtling überbracht. Seine Genossin hatte ihn an sich gelockt, er der alten Freundschaft und Anhänglichkeit nicht zu widerstehen vermocht. Seit diesem Ausfluge befindet er sich längst wieder unter gutem Verschluß und lebt nach wie vor mit seinem Kameraden in größter Freundschaft.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 85-90.
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