Quesal (Pharomacrus Mocinno)

[201] Der Quesal (Pharomacrus Mocinno, Trogon oder Calurus paradiseus und resplendens), der prachtvollste von allen, kennzeichnet sich durch einen vollen, aus zerschlissenen Federn gebildeten, seitlich zusammengedrückten, hohen, halbkugelförmigen Helm und die außerordentliche Entwickelung des Deckgefieders, welches über die Flügel und den Schwanz wallend herabhängt. Die vorherrschende Färbung des Gefieders ist ein glänzendes Smaragdgoldgrün; die Brust und die übrigen Untertheile sind hoch scharlachroth, die Schwingen und deren Deckfedern so wie die vier mittelsten Schwanzfedern schwarz, die übrigen Steuerfedern weiß. Die erste Reihe der oberen Flügeldecken ist merklich verlängert, schmal, spitzig, palmblattförmig gestaltet und hat wie die oberen außerordentlich verlängerte Schwanzdeckfedern, deren beide mittlere gegen achtzig Centimeter an Länge erreichen können, goldgrüne Färbung. Das Auge ist dunkel nußbraun, das Augenlid schwarz, der Schnabel gelb, am Grunde ölbraun, der Fuß braungelb. Das Weibchen unterscheidet sich durch den nur schwach angedeuteten Schopf und das weit weniger entwickelte Deckgefieder, welches die Steuerfedern weit überragt. Die Länge beträgt zweiundvierzig, die Fittiglänge einundzwanzig, die Schwanzlänge zweiundzwanzig Centimeter. Die längsten Schwanzdeckfedern überragen die Steuerfedern um fünfundsechzig Centimeter.

Bis vor kurzem wußten wir nur, daß der Quesal in Mejiko und Mittelamerika gefunden wird und hier die Gebirgswaldungen bewohnt; neuerdings sind wir durch Salvins und Owens Forschungen über die Lebensweise unterrichtet worden. »Der Vogel«, sagt ersterer, »wählt zu seinen Aufenthaltsorten einen Gürtel von ungefähr zweitausend Meter unbedingter Höhe. Innerhalb desselben scheint er in allen Waldungen vorzukommen, wenn auch nur in denen, welche aus den höchsten Bäumen bestehen. Die niederen Zweige der letzteren, d.h. diejenigen, welche sich ungefähr im zweiten Drittheil der Baumhöhe befinden, dienen ihm zur bevorzugten Warte. Hier sieht man ihn fast bewegungslos sitzen; denn er dreht höchstens den Kopf langsam von einer Seite zur anderen oder breitet und schließt abwechselnd den fast senkrecht herabhängenden Schwanz, erhebt ihn auch wohl und bringt dann die lang überhängenden Deckfedern in sanfte Bewegung. Sein Auge erspäht eine reife Frucht: er erhebt sich von seinem Zweige, erhält sich einen Augenblick rüttelnd, pflückt eine Beere und kehrt zu demselben Zweige zurück. Ein derartiger Ausflug wird mit einer Zierlichkeit ausgeführt, welche jeder Beschreibung spottet. Ich habe oft gehört, daß Leute, welche ausgestopfte Kolibris sahen, begeistert ausriefen: ›Wie prachtvoll müssen diese kleinen Geschöpfe erscheinen, wenn sie fliegen‹. Aber dies ist nicht der Fall. Man denke sich den Kolibri in einer Entfernung von zwanzig Meter, und man sieht von seinen Farben nichts, es sei denn, daß man sich in der allervortheilhaftesten Lage befinde. Anders ist es mit dem Quesal. Seine Pracht bleibt dieselbe, welche Stellung er auch annehmen möge, und er fesselt durch sie sofort das [201] Auge. Kein anderer Vogel der Neuen Welt erreicht ihn, kein anderer der Alten Welt übertrifft ihn. Dies waren meine Gedanken, als ich den ersten lebenden vor mir sah. Der Flug ist rasch und wird in gerader Richtung ausgeführt; die langen Schwanzdeckfedern, welche ihm durchaus nicht im Wege zu sein scheinen, strömen hinter ihm drein. Die Laute, welche er ausstößt, sind verschieden. Seine Lockstimme ist ein doppelter Laut, den Silben ›wiu wiu‹ ungefähr vergleichbar. Der Vogel beginnt mit einem sanften Pfeifen und verstärkt dieses nach und nach zu einem lauten, aber nicht klanglosen Schrei. Oft dehnt er diesen Laut, beginnt ihn leise, verstärkt ihn und läßt ihn dann allgemach wieder verstummen. Beide Töne können leicht nachgeahmt werden. Andere Schreie sind rauh und mißtönend, und sie lassen sich nur mit Hülfe von Blättern wiedergeben. Die Nahrung besteht vorzugsweise aus Früchten; doch findet man gelegentlich auch eine Heuschrecke in seinem Magen.«

Ueber das Brutgeschäft theilt Owen einiges mit. »Gelegentlich eines Jagdausfluges nach dem Berge von Santa Cruz erzählte mir einer meiner Jäger, daß er ungefähr eine Meile von Chilasco ein Quesalnest gesehen, und erbot sich, das Weibchen zu erlegen und mir das Ei zu bringen, falls ich ihm jemand zur Hülfe geben wollte. Ich ging selbstverständlich darauf ein, und der Mann kehrte mit dem Weibchen und zwei Eiern zurück. Er berichtete, daß das Nest in der Höhle eines abgestorbenen Baumes ungefähr acht Meter über dem Boden gestanden hatte. Zur Höhle führte ein Eingangsloch, eben groß genug, um das Einschlüpfen zu ermöglichen. Das Innere derselben war kaum so geräumig, daß sich der Vogel umdrehen konnte. Außer einer Lage von Mulm fand sich kein eigentliches Nest vor. Andere Bergbewohner erzählten, daß der Quesal gern mit verlassenen Spechthöhlen sich behelfe.« »Ich denke«, fügt Salvin vorstehenden hinzu, »daß diese Angabe für die Nestkunde des Vogels genügend ist. Meiner Meinung nachhilft der männliche Vogel nicht mit brüten, sondern überläßt diese Pflicht ausschließlich dem Weibchen. Der Ursprung der Erzählung, daß das Nest des Quesal nur in einer durchgehenden Baumhöhle angelegt werde, gründet sich unzweifelhaft auf die Unmöglichkeit, ein anderes Nest, welches die langen Schwanzfedern des Männchens nicht gefährdet, sich zu denken. So mußte man sich einbildet, daß der Vogel eine Baumhöhle erwähle, zu deren einem Eingange er einschlüpfe und durch deren anderen Zugang er sie wieder verlasse. Daß diese Erzählung in Guatemala entstanden ist, unterliegt für mich keinem Zweifel. Ein derartiges Nest ist mir oft beschrieben worden, aber niemals von einem, welcher es selbst gesehen.«

Die Jagd des Quesal ist für den, welcher den Laut seines Wildes nachzuahmen versteht, sehr einfach. Der Jäger, welcher sich des Prachtvogels bemächtigen will, geht gemächlich durch den Wald und ahmt dabei ab und zu den Lockruf des Männchens nach. Sobald ein solches ihn vernimmt, antwortet es. Der Jäger bleibt stehen und wiederholt die verschiedenen Schreie, bis der Vogel auf einem der nächsten Bäume vor ihm erscheint. Salvin sagt ausdrücklich, daß er selten lange habe warten müssen. Gewöhnlich fliegt das Weibchen voraus und setzt sich in großer Nähe über dem Jäger nieder. Dieser beachtet es nicht und fährt fort, nach dem Männchen zu rufen, bis letzteres sich einstellt. Nur zuweilen wird von dem Quesaljäger auch das Weibchen erlegt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 201-202.
Lizenz:
Kategorien: