Fünfte Familie: Nageschnäbler (Trogonidae)

[195] Die nächsten Verwandten der Bartkukuke und Glanzvögel sind ebenfalls noch arge Träumer; aber bei ihnen söhnt doch wenigstens das prachtvolle Gefieder einigermaßen mit dem stillen und langweiligen Wesen aus. Die Nageschnäbler oder Surukus (Trogonidae), eine zahlreiche, in mehr als vierzig Arten über die Wendekreisländer der alten und neuen Welt verbreitete Familie, kennzeichnen sich durch gestreckten, aber reich befiederten Leib, sehr kurzen, breiten, dreieckigen, stark gewölbten Schnabel mit hakiger Spitze und bauchig nach hinten vortretenden Kieferrändern, welche oft gezähnelt sind, sehr kleine und schwache, kurzläufige, fast ganz vom Schenkelgefieder verdeckte, dünn- und kurzzehige Füße, deren innere Zehe neben der hinteren sich nach rückwärts wendet, kurze, stark abgerundete Flügel, deren Schwingen schmal, spitzig, steifschaftig und sichelförmig gekrümmt sind, langen, zwölffederigen Schwanz, dessen drei äußere Federn jeder Seite sich verkürzen, wogegen die sechs mittleren, breiteren annähernd gleiche Länge haben, und durch ein sehr weiches, stark duniges, prachtvoll metallisch glänzendes Gefieder, welches sich am Schnabelgrunde ebenfalls in Borsten umwandelt. Der innere Bau gleicht im wesentlichen dem der Kukuke.

Von jeher hat die wundervolle Pracht des Gefieders die Aufmerksamkeit der Forscher und Laien auf diese merkwürdigen Vögel gelenkt, deren Leben im übrigen wenig beachtenswerthes bietet. Die Nageschnäbler erinnern nicht bloß durch den weit gespalten Schnabel und die auffallend kleinen Füße, sondern auch durch die Weichheit ihrer Haut und ihres Gefieders an die Nachtschwalben. Besonders bemerklich wird die Aehnlichkeit beider Gruppen bei jungen Vögeln. Sie kann, laut Frantzius, so täuschend sein, daß auch nicht ganz ungeübte Beobachter beide zu verwechseln im Stande sind. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß Surukus und Nachtschwalben in gewisser Hinsicht als Verwandte angesehen werden müssen, und es erklärt sich daraus auch, daß einzelne Forscher beiden im Systeme eine benachbarte Stellung anweisen. Färbung und Lebensweise der Nageschnäbler unterscheiden sie jedoch wesentlich von den Ziegenmelkern und stellen sie so bestimmt in die Nähe der Glanzvögel und Bartkukuke, daß man sich den Naturforschern, welche sie mit den Nachtschwalben vereinigen, nicht wohl anschließen darf. Auch sie sind, obwohl sie während des Tages ihren Geschäften nachgehen, als Dämmerungsvögel anzusehen; denn nur wenige verlassen die schattigen, düsteren Wälder, welche selbst der scheitelrecht stehenden Sonne verwehren, ihre Strahlen in das Blätterdunkel hinabzusenden. Hier, in den unteren Theilen der Baumkronen, sieht man sie einzeln oder paarweise ihr Wesen treiben. Je reicher, je üppiger der Wald, um so häufiger finden sie sich. Aber sie beschränken sich keineswegs auf die Niederungen, sondern steigen auch zu sehr bedeutenden Höhen in den Gebirgen empor.

In ihrem Betragen gleichen sie den Mitgliedern der vorher behandelten Familie in jeder Hinsicht. Träge und träumerisch sitzen sie auf einem Aste und spähen von hier aus in die Runde. Ein fliegendes Kerbthier reizt sie zu kurzem Fluge an; sie verfolgen die Beute mit großer Gewandtheit, fangen sie mit vielem Geschicke und kehren dann wieder zu einem Ruhepunkte zurück. Aber nicht bloß Kerbthiere, sondern auch Früchte dienen ihnen zur Nahrung; manche Arten scheinen sogar ausschließlich auf Pflanzenstoffe angewiesen zu sein und bemächtigen sich derselben in gleicher Weise wie einer fliegenden Beute, indem sie von ihrem Ruhesitze aus auf eine Frucht oder Beere zufliegen, sie abpflücken, verschlingen und hierauf wiederum zu ihrem Sitze zurückkehren.

[195] Ueber die Fortpflanzung der Surukus liegen noch wenige und keineswegs eingehende Beobachtungen vor. Doch wissen wir so viel, daß alle Arten, deren Nistgeschäft man kennen lernte, vorgefundene Baumhöhlen benutzen oder sich an steilen Erdwänden flache Höhlungen ausgraben und in das Innere derartiger Nisträume zwei bis vier sehr rundliche, lichtfarbene, beziehentlich weiße Eier legen.

Auffallenderweise hat man bis jetzt noch niemals ernstlich versucht, Nageschnäbler in Gefangenschaft zu halten. Die Trägheit der ansässigen Südamerikaner, ihre Gleichgültigkeit gegen die sie umgebende reiche Thierwelt, mindestens gegen diejenigen Thiere, welche ihnen nicht gerade schädlich werden, und die Ungeschicklichkeit, gefangene Vögel zu behandeln, mögen die hauptsächlichsten Ursachen sein, daß diese prachtvollen Geschöpfe lebend noch nicht in unsere Käfige gelangten. Auch die Hinfälligkeit des überaus zarten Gefieders bildet ein Hindernis für die Gefangenschaft. Unmöglich aber ist es keinenfalls, Surukus zu erhalten; ja, es erscheint sogar wahrscheinlich, daß sie bei sorgfältiger Abwartung länger im Käfige ausdauern dürften als viele andere Vögel, welche man pflegt und selbst bis zu uns versendet.

Beachtenswerth ist noch eines. Die Farbenpracht des Gefieders, zu deren Beschreibung die Worte mangeln, ist in einem Grade hinfällig wie bei keinem anderen Vogel. Die Farben scheinen wie angehaucht zu sein: sie verlieren sich an ausgestopften Stücken, wenn sie dem Lichte ausgesetzt werden, schon nach sehr kurzer Zeit. Cabanis sagt, daß die Nageschnäbler »Licht und Sonne im Leben wie im Tode vermeiden«; ich muß bemerken, daß diese Behauptung ebenso wenig richtig ist, wie der gewählte Ausdruck.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 195-196.
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