Madenfresser (Crotophagae)

[249] Höchst eigenthümliche Kukuksvögel sind ebenso die Madenfresser (Crotophagae), eine wenig zahlreiche, auf Süd- und Mittelamerika beschränkte Unterfamilie. Sie kennzeichnen sich durch gestreckten Leib, starken, auf der Firste zu einem scharfen Kamme erhöhten Schnabel, kräftige, paarzehige Füße, deren Außenzehe nach hinten gewendet ist, mittellange Flügel, langen, breiten, stumpf gerundeten Schwanz, welcher nur aus acht Federn gebildet wird, und derbes, aber kleinfederiges, mehr oder weniger glänzendes Gefieder, welches an der Schnabelwurzel borstig ist und die Zügel- und Augengegend kahl läßt. Das Innere des Oberschnabels ist hohl, und die Hornmasse selbst besteht aus sehr dünnwandigen Zellen, fast wie bei den Pfefferfressern und Hornvögeln. An erstere erinnern die Madenfresser auch durch das knapp anliegende Gefieder, welches ihren Leib beständig mager erscheinen läßt, und so hat man sie gewissermaßen als ein Uebergangsglied von anderen Kukuksvögeln zu den Tukans anzusehen.

Die Lebensweise hat etwas sehr auffallendes; denn die Madenfresser leben durchaus nicht nach anderer Kukuke Art, sondern eher in derselben Weise wie unsere Elstern oder Krähen, gleichen aber auch wiederum den Pfefferfressern. Man sieht sie immer in Gesellschaft, und zwar in der Nähe menschlicher Wohnungen ebensowohl wie im Inneren der Steppenwaldungen; am liebsten aber treiben sie sich in der Tiefe der Thäler auf feuchten Wiesenplätzen umher, und regelmäßig gesellen sie sich den Viehherden. Die Nähe des Menschen scheuen sie nicht, bekunden im Gegentheile zuweilen eine Dreistigkeit, welche uns geradezu unbegreiflich erscheint. Ihre Fortpflanzung ist [249] ebenso eigenthümlich wie sie selbst. Die Madenfresser brüten nicht bloß in Gesellschaften, sondern in einem und demselben Neste, in welchem viele Weibchen ihre Eier ablegen, das Brutgeschäft gemeinschaftlich besorgen und die Jungen groß ziehen. Dank ihrer Allgegenwart, ihrer Lebendigkeit und ihrem lauten Rufen machen sie sich jedermann bemerklich, und so sind sie denn auch vielfach beobachtet worden, namentlich von Azara, Humboldt, dem Prinzen von Wied, Schomburgk, d'Orbigny, Gosse, Burmeister, Newton, Euler, Gundlach und anderen. Aus den Berichten dieser Naturforscher geht hervor, daß die Lebensweise der verschiedenen Arten im wesentlichen dieselbe ist, so daß man, wahrscheinlich ohne einen Fehler zu begehen, das von dem einen bemerkte auf die anderen übertragen kann. Dies gilt wenigstens für diejenigen Mitglieder, welche der Familie ihren Namen verliehen haben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 249-250.
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