Hahnkukuk (Geococcyx californianus)

[247] Der Hahnkukuk (Geococcyx californianus, maximus und variegatus, Cuculus viaticus, Saurothera californiana und Bottae, Leptosoma longicauda), eines der größten Mitglieder der Familie, erreicht eine Länge von funfzig bis sechzig Centimeter, wovon auf den Schwanz einunddreißig bis fünfunddreißig Centimeter kommen, wogegen die Flügel nur siebzehn Centimeter lang sind. Das Gefieder ist bunt, aber düsterfarbig, der Oberkopf schwarz, jede [247] Feder breit rostfarben gekantet, ein aus fahlweißen Federspitzen gebildeter Augenstreifen hell, aber undeutlich, der Mantel schwarz, jede seiner Federn seitlich breit rostfarben gesäumt, die Kopfseiten weißlich, ein undeutlicher Ohrstrich dunkel, der Vordertheil der Unterseite rostfarben, jede Feder schmal gesäumt, die übrige Unterseite weißlich, der Bürzel graubraun. Die schwarzen Schwingen schimmern stahlgrün, und die hintersten Armschwingen zeigen wie die oberen Flügeldecken breite weißliche Seitenränder; ein Mittel- und Spitzenfleck der Außenfahne der Schwingen und die Schwingendecken am Ende sind breit weiß, wodurch drei helle Querbinden über dem Flügel entstehen, die Schwanzfedern endlich stahlviolettblau mit weißem Endtheile, die beiden mittelsten stahlgrün mit weißem Seitenrande. Die Iris ist braun, der nackte Augenkreis gelb, der Schnabel wie der Fuß hellbläulich.

Der Hahnkukuk verbreitet sich vom südlichen Kalifornien und dem mittleren Texas an bis Mejiko, ist seiner auffallenden Gestalt und seines eigenartigen Wesens halber überall wohl bekannt und führt bei den Eingeborenen wie bei den Eingewanderten verschiedene Namen. So heißt er in Mejiko der »Bauersmann« oder der »Wegläufer«, in Texas der »Wegrenner« oder der »Steppenhahn«, in Kalifornien endlich der »Grundkukuk«, abgesehen selbstverständlich noch von den Namen, welche er bei den eingeborenen Stämmen führt. Man begegnet ihm im ganzen nördlichen Mejiko, Texas und Kalifornien, in einzelnen Gegenden, beispielsweise in Arizona und Neu-Mejiko, in besonderer Anzahl. Seine kurzen Flügel gestatten ihm nur höchst beschränkten Flug, die langen Lauffüße dagegen außerordentlich schnelle Bewegung auf dem Boden. Er gehört deshalb zu den Standvögeln im vollsten Sinne des Wortes und wechselt das einmal bewohnte Gebiet bloß im höchsten Nothfalle mit einem anderen. Mit seinesgleichen hält er wenig Gemeinschaft. Jeder einzelne lebt für sich und treibt sich möglichst still und verborgen auf seinem Wohnplatze umher. Ungestört sieht man ihn hier gemächlich auf-und niederwandeln, den langen Schwanz meist gestelzt, den Vordertheil des Körpers etwas niedergebeugt, jedoch in mancherlei Stellungen sich gefallend. Ganz anders bewegt sich derselbe Vogel, wenn er sich bedroht fühlt. Im Laufe nimmt er es fast mit dem Rennpferde auf, wird wenigstens in dieser Beziehung von keinem anderen nordamerikanischen Vogel erreicht, geschweige denn übertroffen. Denn er vermag springend bis zu drei Meter über dem Boden sich zu erheben und demzufolge, obgleich er zur Unterstützung des Sprunges nur einen Augenblick die Flügel breitet, wirklich gewaltige Sätze auszuführen. Er ist nebenbei aber auch im Stande, fliegend dahin zu eilen, obschon er der kurzen Schwingen halber selten mehr als zwei Meter hoch über dem Boden wegstreicht. Seine eigenartige Bewegungsfähigkeit verleitet die Mejikaner nicht selten zu einer Hetzjagd, welche wohl weniger des zu erlangenden Fleisches halber als in der Absicht unternommen wird, die Geschicklichkeit des Reiters gegenüber einem so ungemein behenden Vogel zu zeigen. Oberst Mac Call erzählt, daß er bei einer Gelegenheit einen Wegläufer auf offener Straße bemerkt und zu seinem Vergnügen die Jagd auf ihn begonnen habe. Der Vogel befand sich ungefähr hundert Meter vor dem Pferde und begann zu flüchten als er dieses hinter sich her rennen sah. Volle vierhundert Meter verfolgte der genannte den Kukuk auf dem schmalen und engen Wege, auf welchem dieser mit ausgestrecktem Nacken und leicht entfalteten Flügeln springend dahin eilte; aber einzuholen vermochte der Reiter ihn nicht, und als er endlich in einem Dickichte Zuflucht suchte, hatte er nicht mehr als funfzig Meter verloren. Dresser versichert, ihn in gleicher Weise oft gejagt, niemals aber gesehen zu haben, daß er auch bei der eiligsten Flucht die Flügel zu Hülfe nehmen mußte.

Allerlei Kerb- und Weichthiere, insbesondere Schnecken bilden die gewöhnliche Nahrung des Hahnkukuks. Die Schnecken werden in der Regel erst auf bestimmten Plätzen enthülst, und man findet daher in den von solchen Kukuken bewohnten Waldungen vielfach die Ueberreste seiner Mahlzeiten. Außer besagtem Kleingethier geht unser Vogel aber auch kleinere Wirbelthiere, insbesondere Kriechthiere, an und gilt in den Augen der Mejikaner geradezu als einer der hauptsächlichsten Vertilger der ebenso gefürchteten als verhaßten Klapperschlangen, welche er, wenigstens [248] so lange sie noch jung sind, ohne Schwierigkeit bewältigen soll. Dank der Gewandtheit im Springen erwischt der Kukuk, wie man sagt, nicht selten auch fliegende Beute, steht überhaupt an Gefräßigkeit und Raublust, ebenso an Raubtüchtigkeit anderen Mitgliedern seiner Familie nicht im geringsten nacht. Die einzigen Laute, welche man bis jetzt bei den Erdkukuken beobachtet hat, bestehen in einem schwachen, selten ausgestoßenem Geschrei oder in einem Girren, welches dem einer Taube bis zum Verwechseln ähnelt und durch Heben der Haube und Stelzen des Schwanzes begleitet wird.

Ueber die Fortpflanzung des Vogels fehlen eingehende Berichte. Herrmann fand ein leicht aus Zweigen zusammengebautes Nest zwischen dem Blattwerke eines Kaktus, welches zwei große weiße Eier enthielt.

Die Zuneigung, welche die Mejikaner dem Erdkukuke geschenkt haben, begründet sich auch auf die Leichtigkeit, mit welcher er sich zu einem halben Hausthiere gewinnen läßt. Man hält ihn häufig in Gefangenschaft, und er gewöhnt sich binnen kurzer Zeit derartig an die veränderten Verhältnisse, daß man ihm nicht allein gestatten darf, nach Belieben im Hause umherzulaufen, sondern auch in Hof und Garten sich zu bewegen. Einmal eingewöhnt, wird er auch hier bald heimisch und erwirbt sich durch Aufzehrung von Mäusen, kleinen Schlangen und anderen Kriechthieren, Kerfen aller Art und sonstigem Ungeziefer wirkliche Verdienste, eingebildete aber durch sein Fleisch, welches von den Mejikanern als in vielen Krankheiten besonders heilsam angesehen wird und ihm zwar die Ehre, zum Hausgenossen erhoben zu werden, einbringt, aber auch das Loos, gegebenen Falles das Leben lassen zu müssen, bereitet. An mehreren von ihnen hat man beobachtet, daß sie mit der erhaschten Beute eine Zeitlang spielen, wie die Katze mit der Maus, und sie dann mit Haut und Haaren verschlingen.

Ein gefangener Erdkukuk, welchen Dressen pflegte, durfte zuletzt nicht mehr ohne Aufsicht gelassen werden, weil er die verschiedenartigsten Gegenstände stahl oder spielend verdarb. Gegen einen zahmen Papagei bekundete er die größte Abneigung, sträubte die Federn, sobald jener frei gelassen wurde, gerieth in höchsten Zorn und entwich endlich, um sich entweder zu einem der Nachbarn oder auf seinen beliebtesten Ruheplatz, die Firste des Hauses, zu begeben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 247-249.
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