Nachtspint (Nyctiornis Athertoni)

[329] Der Nachtspint oder Sangrok der Inder (Nyctiornis Athertoni und coeruleus, Merops Athertoni, Amherstiae, cyanogularis, paleazureus und assamensis, Napophila Athertoni und meropina, Bucia Athertoni und nipalensis, Alcemerops Athertoni) erreicht die Größe unserer Mandelkrähe; seine Länge beträgt siebenunddreißig, die Breite siebenundvierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge endlich sechzehn Centimeter. Die vorherrschende Färbung des Gefieders ist ein schönes dunkles Grasgrün, welches auf den unteren Schwanz- und Flügeldecken in einfarbiges Rostisabell, auf dem Hinterkopfe aber in ein zartes Meerblau übergeht. Einige sehr verlängerte breite Federn, welche in der Kehlgegend entspringen, sind dunkelblau, heller blau umrandet, die der Brust und übrigen Unterseite rostisabellgelb in die Länge gestreift. [329] Breite Innenränder der Schwingen und Schwanzfedern und deshalb auch die Schwingen und Steuerfedern, von unten gesehen, haben rostig isabellgelbe Färbung. Die Iris ist tiefgelb, der Schnabel bleigrau, an der Spitze schwarz, der Fuß düstergrünlich.

Atherton sandte diesen Bienenfresser zuerst an den Naturforscher Jardine und berichtete, daß derselbe sich einzeln in den Bambuswäldern des Inneren von Indien finde und des Nachts sein Wesen treibe. Auf diese Angabe hin wurde der auffallende und, wie durch spätere Beobachtungen erwiesen, falsche Name gegeben. Jetzt wissen wir durch Hodgsons und Jerdons Forschungen, daß der Nachtspint die großen, luftigen Wälder Indiens, von der Tiefe an bis zu tausend Meter unbedingter Höhe aufwärts, bewohnt. Nach Hodgsons Angaben ist er nirgends häufig und ein einsamer Gesell, welcher die tiefsten Schatten des Waldes aufsucht und hier, ruhig auf einem hohen Baume sitzend, nach Beute ausschaut, dieselbe nach Art seiner Verwandten im Fluge fängt und wieder zu seinem Zweige zurückkehrt. Niemals verläßt er das Dunkel des Waldes, und diesem Aufenthalte entspricht auch sein ruhiges, stilles, um nicht zu sagen düsteres Wesen. Jerdon versichert, niemals einen Ton von ihm vernommen zu haben; Boys hingegen schreibt ihm eine eigenthümlich wilde Stimme zu. Seine Nahrung besteht aus Bienen und ihren Verwandten, von denen er namhafte Mengen wegfängt, außerdem aus Käfern und ähnlichem Gethier, wahrscheinlich also in allen Kerbthieren, welche seine Wälder durchfliegen und seinem nicht allzuweiten Schlunde genehm sind. Ueber seine Fortpflanzung ist etwas sicheres bis jetzt noch nicht bekannt. Die Eingeborenen behaupten, daß er in hohlen Bäumen niste.

Boys versichert, daß man dem Vogel nur mit Schwierigkeit nahen könne, wohl nicht weil er scheu und vorsichtig ist, sondern weil der Wald, welchen er sich zu seinem Aufenthalte wählt, auch von Raubthieren aller Art bewohnt wird. Es mögen diese Angaben die Seltenheit des Nachtspints in den verschiedenen Sammlungen erklären. Dagegen soll er laut Hodgson gelegentlich der Jagdzüge, welche die Rajahs veranstalten, nicht allzu selten lebend gefangen werden, weil der Lärm, welchen eine größere Anzahl von Jägern verursacht, ihm förmlich die Besinnung raubt und dem Fänger gestattet, so weit sich ihm zu nähern, daß er ihn mit der Hand ergreifen kann.

Auf diese wenigen Angaben beschränken sich die mir bekannten Mittheilungen über den ebenso schönen wie seltenen Vogel.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 329-330.
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