Vierzehnte Familie: Bienenfresser (Meropidae)

[317] Zu den Prachtvögeln der Alten Welt zählen die Bienenfresser (Meropidae), ebenso eigenartig gestaltete wie schön gefärbte und in ihrem Thun und Treiben ansprechende Mitglieder der Ordnung. Mit Ausnahme dreier Arten, welche eine besondere Unter familie bilden, stimmen alle Bienenfresser, etwas über dreißig an der Zahl, unter sich so wesentlich überein, daß das von einem gesagte mit wenig Abänderungen auch für die anderen Gültigkeit hat. Verkennen oder mit anderen Vögeln verwechseln vermag man sie nicht. Ihr Leib ist sehr gestreckt, der Schnabel länger als der Kopf, an der Wurzel ziemlich stark, spitzig, oben und unten sanft gebogen, scharfrückig und scharfschneidig, mit kaum eingezogenen Rändern und etwas längerem, aber nicht übergekrümmten Oberschnabel, ohne Kerbe vor der Spitze. Die Füße sind sehr klein und kurz; von den drei Vorderzehen ist die äußerste mit der mittleren bis zum zweiten Gelenke und diese mit der inneren bis zum ersten Gelenke verwachsen, die Sohle deshalb breit; die Krallen sind ziemlich lang, gekrümmt, scharfspitzig und auf der inneren Seite mit einer etwas hervortretenden schneidenartigen Kante versehen. Die [317] Flügel sind lang und spitzig; unter den Schwingen ist die zweite die längste. Der Schwanz ist lang, entweder gerade abgeschnitten oder mehr oder weniger gegabelt oder auch sanft abgerundet; die beiden Mittelfedern verlängern sich bei vielen Arten bis auf das doppelte der Länge aller übrigen Steuerfedern. Das Gefieder ist kurz und etwas derb, seine Färbung fast ausnahmslos eine sehr prachtvolle und bunte, obgleich die einzelnen Farben gewöhnlich über große Felder vertheilt sind. Beide Geschlechter unterscheiden sich kaum in der Färbung, und das einfachere Gewand der Jungen geht schon im zweiten Lebensjahre in das Kleid der Eltern über.

Die warmen Länder der Alten Welt sind die eigentliche Heimat der Bienenfresser; nur eine einzige Art kommt in Neuholland vor. Sie bewohnen sehr verschiedene Oertlichkeiten, niemals aber solche, denen Bäume gänzlich mangeln. Von der Küste des Meeres an trifft man sie bis zu einem Höhengürtel von zweitausend Meter über dem Meere, und es scheint nicht, als ob einzelne Arten die Tiefe, andere die Höhe bevorzugen. Die im Norden lebenden Bienenfresser ziehen regelmäßig, die südlichen sind Stand- oder Strichvögel. Schon in Egypten lebt eine Art, welche jahraus jahrein an derselben Stelle verweilt und jährlich zweimal Verwandte über sich wegziehen zieht, ohne vom Wanderdrange ergriffen zu werden; die im Inneren Afrikas wohnenden Arten dagegen streichen den Jahreszeiten entsprechend: sie erscheinen an ihren Brutplätzen mit Beginn der Regenzeit und verlassen die Heimat wieder, wenn die winterliche Dürre eintritt. Alle Arten ohne Ausnahme sind höchst gesellige und ungemein friedliche Vögel. Einzelne scharen sich nicht bloß mit ihresgleichen, sondern auch mit verwandten Arten, namentlich während ihrer Reisen. Sie bilden dann gemeinschaftlich Flüge und vermengen sich so vollkommen unter einander, daß man die verschiedenen Arten nicht unterscheiden kann. Auch besondere Gelegenheiten vereinigen oft verschiedenartige Bienenfresser auf längere Zeit.

In ihrer Lebensweise ähneln diese Prachtvögel am meisten den Schwalben, in mancher Hinsicht aber auch den Fliegenfängern. Bei schönem Wetter sieht man sie oder doch wenigstens die größeren Arten der Familie in hoher Luft, Beute suchend, umherstreichen; bei trüber Witterung oder auch während ihrer Brutzeit pflegen sie auf hervorragenden Baumzweigen zu sitzen und von hier aus ihre Jagd zu betreiben. Zum Boden herab kommen sie selten, höchstens dann, wenn sie ein erspähtes Kerbthier aufzunehmen gedenken; dagegen streichen sie oft dicht über dem Wasserspiegel dahin, wie Sperrvögel thun. Die Nachtruhe verbringen sie auf den Zweigen dichtwipfeliger Bäume oder während der Brutzeit in ihren Nistlöchern.

Es ist unmöglich, Bienenfresser zu übersehen. Sie verstehen es, eine Gegend zu beleben. Kaum kann es etwas schöneres geben, als diese, bald nach Art eines Falken, bald nach Art der Schwalben dahinstreichenden Vögel. Sie fesseln unter allen Umständen das Auge, gleichviel, ob sie sich bewegen oder, von dem anmuthigen Fluge ausruhend, auf Zweigen und dem Boden sitzen. In letzterem Falle, oder wenn sie unter dem Beobachter auf- und niederstreichen, kommt die volle Pracht ihres Gefieders zur Geltung. Wenn sie, wie es zuweilen geschieht, zu hunderten oder tausenden auf einzelnen Bäumen oder Gebüschen oder auf dem Boden dicht nebeneinander sich niederlassen, schmücken sie solchen Ruheplatz in unbeschreiblicher Weise. Am meisten fesselt doch immer und immer wieder ihr köstlicher Flug. Ebenso ruhig als stetig, ebenso leicht als zierlich trägt er den Bienenfresser scheinbar ohne alle Anstrengung durch jede beliebige Luftschicht. Im Nu stürzt sich einer von ihnen aus bedeutender Höhe senkrecht zum Boden herab, um ein vorüberfliegendes Kerbthier, welches sein ungemein scharfes Auge wahrgenommen, zu fangen; binnen weniger Augenblicke hat er seine frühere Höhe wieder erreicht und fliegt mit den übrigen unter lautem, oft wiederholtem »Guep guep«, dem allen Arten gemeinsamen Lockrufe, weiter. Auf einige Flügelschläge folgt ein Dahingleiten mit halbausgebreiteten, halb angezogenen Schwingen, welches aber mit so großer Schnelligkeit geschieht, daß der Vogel wie ein Pfeil erscheint. Nicht minder anziehend sind diese liebenswürdigen Geschöpfe da, wo sie bleibend sich angesiedelt haben und in größter Nähe betrachten lassen. Pärchenweise sieht man sie auf den hervorragenden niederen Aesten sitzen. Der eine Gatte ruft dem anderen von Zeit [318] zu Zeit zärtlich zu; dann erhebt sich dieser zu einem kurzen, raschen Fluge und nimmt ein vorüberfliegendes Kerbthier auf. Während er dem Raube nachfliegt, bleibt jener ruhig sitzen und wartet auf sein Zurückkommen. Ich habe nie gesehen, daß zwei Bienenfresser um eine Beute sich gestritten hätten, niemals beobachtet, daß unter ihnen Kampf aus irgend welcher Ursache entstanden wäre. Friede und Verträglichkeit herrscht unter allen Umständen unter ihnen, ihr Verein mag so zahlreich sein, wie er sein kann.

Die Nahrung besteht ausschließlich in Kerbthieren, welche in der Regel im Fluge gefangen, ausnahmsweise aber auch von leicht zugänglichen Blättern oder selbst vom Boden aufgenommen werden. Merkwürdig ist, daß die Bienenfresser giftstachelige Kerfe verzehren. Versuche, welche angestellt wurden, haben zur Genüge bewiesen, daß der Stich einer Biene oder Wespe den meisten Vögeln tödtlich ist; genaue Beobachtungen ergaben, daß fast alle Vögel, welche derartige Kerbthiere fangen, ihnen vor dem Verzehrenden Giftstachel abbeißen: die Bienenfresser hingegen schlingen ohne jegliche Vorbereitung die gefährliche Beute hinab.

Alle Bienenfresser nisten gesellig und zwar in tiefen, wagerecht in steil abfallende Erdflächen gegrabenen Höhlen. Alle Arten lieben auch während ihres Brutgeschäftes die Gesellschaft ihresgleichen, und deshalb sind die Brutstellen fast ausnahmslos sehr zahlreich besuchte Siedelungen. Der eigentliche Nestplatz ist ein backofenförmig erweiterter Raum am hinteren Ende des Ganges. Ein wirkliches Nest wird nicht erbaut, das aus vier bis sieben reinweißen Eiern bestehende Gelege vielmehr auf den bloßen Sand niedergelegt. Erst nach und nach sammelt sich von den abgebissenen Flügeln der Kerbthire oder von den ausgespieenen Gewöllen eine Art von Unterlage, sozusagen ein Sitzpolster für die Jungen, an.

Am Weihnachtstage des Jahres 1850 legte ich mein Boot in der Nähe der zahlreichsten Siedelungen an, welche ich kennen lernte. Mindestens sechzig Pärchen des Zaumspintes (Merops frenatus) hatten sich eine glatte, feste Thonwand am Ufer des Blauen Flusses zur Niststelle erwählt und hier ihre Höhlen eingegraben. Die Ansiedelung nahm höchstens einen Raum von drei bis vier Geviertmeter ein; auf dieser Fläche aber befand sich eine Nisthöhle an der anderen, so dicht nebeneinander, daß der Abstand höchstens zehn bis funfzehn Centimeter betrug. Diese Eigänge hielten drei Centimeter im Durchmesser und führten 1 bis 1,5 Meter in wagerechter Richtung nach innen; dann erweiterten sie sich zu der Nestkammer, einem Raume von funfzehn bis zwanzig Centimeter Länge, zehn bis funfzehn Centimeter Breite und sechs bis acht Centimeter Höhe. In keinem der Nester, welche wir untersuchten, fanden wir Baustoffe, auch in keinem einzigen Eier oder Junge; demungeachtet schlüpften die Thierchen fortwährend aus und ein.

Ihr geschäftiges Treiben gewährte ein überaus anziehendes Schauspiel. Die nächsten Bäume waren geziert mit den prächtigen Vögeln; auf jedem passenden Zweige saß ein Pärchen einträchtlich bei einander, und einer der Gatten um den anderen erhob sich, Beute verfolgend, kehrte nach einigen Schwenkungen zurück oder flog auch wohl in eine der Höhlen, verschwand in ihr und kam erst nach geraumer Zeit wieder aus ihr hervor, ohne daß wir einsehen konnten, was er im Inneren treiben möge. Ganz unbegreiflich erschien es uns, wie es dem einzelnen möglich war, sein Haus von dem eines anderen Pärchens zu unterscheiden. Vor den Nisthöhlen ging es oft zu wie vor einem Bienenstocke. Man sah zeitweilig eine Menge von Zaumspinten unmittelbar vor den Nestern auf-und niederschweben; wollten dieselben aber in das Innere schlüpfen, so brauchten sie niemals erst nach ihrer Höhlung zu suchen: sie verweilten nur einen Augenblick und krochen dann so rasch ins Innere, daß man wohl überzeugt sein durfte, die betreffende Höhle müsse die ihrige sein. Gegen Abend wurde es stiller, und mit Einbruch der Nacht war die lebendige Schar verstummt und verschwunden: alle oder wenigstens der größere Theil der Pärchen hatten im Inneren ihrer Höhlung Herberge genommen. Diese Wahrnehmung erregte den Eifer des Sammlers. Ich beschloß, einen Fangversuch auf die damals noch sehr seltenen Vögel zu machen. Das Klebenetz wurde herbeigeholt und von oben so weit herabgelassen, daß es gerade vor die Höhlen zu hängen kam. Als ich am nächsten Morgen [319] nach dem ersten Jagdausfluge wieder zurückkam, waren funfzig der harmlosen Geschöpfe, welche sich beim Ausschlüpfen in dem feinen Gemasche verstrickt hatten, meiner Tücke zum Opfer gefallen. Ich bekam auf diese Art eine genügende Menge der Prachtthiere; aber es ist mir noch heute, als müsse ich mir Vorwürfe machen über diese Jagdweise.

Alte Bienenfresser in Gefangenschaft zu halten, ist überaus schwierig; jung eingefangene dagegen gewöhnen sich leichter, als man annehmen möchte, an den Verlust ihrer Freiheit, das enge Gebauer und ein Ersatzfutter, verlangen aber freilich anfänglich größere Sorgfalt als andere Nestvögel, auch später eine ausgewähltere Nahrung als die meisten gefiederten Hausgenossen, welche wir uns erwerben können.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 317-320.
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