Blauwangenspint (Merops aegyptius)

[320] Im Süden Europas gesellt sich zu dem Bienenfresser dann und wann eine zweite Art der Familie, der Blauwangenspint (Merops aegyptius, persicus, Savignii und Vaillantii). Sein Gefieder ist dunkel grasgrün, unterseits mehr ins Malachitgrüne, zuweilen meerblau angeflogen, oberseits ins Olivengelbbraune, auf Ober- und Hinterkopf mehr oder minder deutlich ins Braune scheinend, die Stirne weiß, gilblich verwaschen, der Vorderkopf und ein breiter Augenstreifen sowie ein anderer Streifen unter dem schwarzen Zügelbande zart blau, das Kinn gelb, die Kehlmitte aber mit einem schön kastanienbraunen Flecke geziert. Die Schwingen und Steuerfedern haben grüne, ins Bläuliche scheinende Färbung, die ersteren schwarze Spitzen und zimmetbraune Innenfahnen; die beiden mittelsten Steuerfedern zeichnen sich durch ihre weit vorragenden Spitzen aus. Größe, Färbung des Auges, des Schnabels und der Füße sind dieselben wie beim Bienenfresser.

Das Nistgebiet dieses Vogels erstreckt sich vom Kaspischen Meere an über Persien, Kleinasien und Nordafrika, das Verbreitungsgebiet hingegen infolge der ausgedehnten Wanderungen über ganz Afrika. Ein sehr naher Verwandter, welcher auch wohl als gleichartig angesehen wird, bewohnt Madagaskar.

Lebensart und Betragen, Sitten und Gewohnheiten, Nahrung, Wanderung und Brüten, kurz die ganze Lebensweise der beiden europäischen Bienenfresser, ähneln sich in so hohem Grade, daß ich meinestheils niemals einen Unterschied herauszufinden vermochte. Es genügt daher vollständig, wenn ich mich auf die Zeichnung eines Lebensbildes der erstgenannten Art beschränke.


Bienenfresser (Merops apiaster). 2/5 natürl. Größe.
Bienenfresser (Merops apiaster). 2/5 natürl. Größe.

Mit vollstem Rechte wird der Bienenfresser zu den deutschen Vögeln gezählt, da er sich nicht bloß mehrfach in Deutschland gezeigt, sondern auch schon hier [320] gebrütet hat. Allerdings ist sein Vorkommen kein regelmäßiges, aber doch auch nicht gerade ein seltenes, und namentlich in den südöstlichen Theilen Deutschlands wird der auffallende und leicht kenntliche Vogel sehr oft bemerkt. Von seinem Erscheinen in Gegenden, welche weit nördlich seines Verbreitungskreises liegen, haben wir wiederholt Kunde erhalten. Man hat ihn nicht bloß in Mittel- und Norddeutschland, sondern auch in Dänemark, in Schweden, ja selbst in Finnland wahrgenommen. Zuweilen ist er in ziemlich zahlreichen Flügen erschienen, und dann hat er nie verfehlt, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. So berichtet die Leipziger Chronik: »Seltzame Vögel. Anno 1517. Umb Philippi Jacobi sind seltzame Vögel, so unbekandt, umb Leipzig gesehen und gefangen worden, an der Grösse wie die Schwalben, mit langen Schnäbeln, der Obertheil am Kopff, Hals und Rücken, war dunckelbraun, die Flügel dunckelblau, der Leib schwartz, die Kehle gelbe, hatten kurtze Füsse, und thäten denen Bienen und Fischen grossen Schaden.« Der alte Geßner, welcher eine zwar mangelhafte, aber doch erkenntliche Abbildung des Bienenfressers gibt, sagt, daß er die Vorlage von einem Maler aus Straßburg erhalten habe, woselbst der Vogel, wenn auch selten, gesehen werde. Von dieser Zeit an, wohl der ersten geschichtlich nachweisbaren, haben sich die Bienenfresser oft nach Deutsch land verflogen, und einzelne Gegenden unseres Vaterlandes dürften sie, wenn nicht alljährlich, so doch innerhalb jedes Jahrzehnts besuchen.

[321] Viel seltener geschieht es, daß das eine oder andere Pärchen nördlich der Pyrenäen und Alpen zum Brüten schreitet; doch sind, wie bemerkt, auch derartige Fälle beobachtet worden. So hat man Bienenfresser wiederholt an der Donau oberhalb Wien, im Jahre 1792 an der Olau in Schlesien und neuerdings in Baden brütend gefunden. Ueber den letzterwähnten Fall danken wir dem Freiherrn von Schilling, dessen an Ort und Stelle eingezogene Erkundigungen ein ziemlich klares Bild der Einwanderung geben, eingehenden Bericht. Diesem zufolge erschienen vor einigen Jahren, Ende Mai etwa, funfzig Stück in dem Kaiserstuhlgebirge und siedelten sich hier unmittelbar hinter dem Dorfe Birkensohl, in einem fruchtbaren Thälchen mit südlicher Richtung, bleibend an, nisteten auch in der jähen Wandung eines verlassenen Doleritbruches. Aber sämmtliche Eier wurden durch Unbefugte zerstört, die Ansiedler überhaupt in einer so unwirtlichen, um nicht zu sagen gehässigen Weise behandelt, daß schon Mitte Juli keine einzige der »afrikanischen Schwalben« zu sehen war. Bauern, welche einzelne von ihnen erlegt hatten, verkauften dieselben, zu fünf Franken das Stück, nach Kolmar und nach Neubreisach, und der hohe Preis reizte die Begierde der ohnehin mordsüchtigen Aasjäger so, daß ihnen nicht einmal der Gedanke an Schonung gekommen sein mag. Nicht viel anders als in diesem Falle ergeht es dem Bienenfresser wohl überall im gesegneten Deutschland, und dies dürfte einer der Hauptgründe sein, daß er bis jetzt noch nicht zum regelmäßig wiederkehrenden Sommer- und Brutvogel geworden ist. Als solchen trifft man ihn erst im südlichen Europa an. In Spanien, in Italien, Griechenland und auf allen Inseln des Mittelmeeres, in der Türkei, in Ungarn und Südrußland gehört er, stellenweise wenigstens, zu den gemeinsten Vögeln. Aber er bewohnt nicht bloß Europa, sondern verbreitet sich noch weit über Asien. In Palästina, Kleinasien und Persien ist er ebenso häufig wie in Südeuropa. In den Steppen Nordturkestans begegneten wir, in denen des südlichen Turkestan Sewerzow und andere Forscher ihm, wenn auch nicht eben oft. In den Gebirgen Kaschmirs sah ihn Adams in großer Anzahl; auch in China ist er seßhaft. Gelegentlich seines Zuges scheint er halb Asien und ganz Afrika zu durchstreifen. In Indien wird er während des Winters an geeigneten Orten überall beobachtet; in Afrika sah ich ihn mit größter Regelmäßigkeit gelegentlich seiner Wanderungen: er erschien, von Europa kommend, Anfang September und zog bis Mitte Oktober über uns dahin; der Rückzug begann Anfang April und währte bis zur Hälfte des Mai. In keinem der von mir bereisten Ländern Afrikas nimmt der Bienenfresser Herberge für den Winter: Shelley's Angabe, daß man den Vogel im Laufe des ganzen Jahres in Egypten sehen könne, ist unrichtig. Er überwintert noch nicht einmal in der nördlichen Hälfte Afrikas, sondern wandert regelmäßig bis nach dem äußersten Südwesten und Süden des Erdtheiles. In der Nähe der Kapstadt traf ihn Levaillant in solcher Menge an, daß er binnen zwei Tagen mehr als dreihundert erlegen konnte. Die Vögel setzten sich dort zu tausenden auf große Bäume und erfüllten weite Strecken mit ihrer Menge. Nun behauptet Levaillant freilich, daß die Bienenfresser auch in Südafrika brüten; es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß diese Angabe irrthümlich ist, weil es nach meinen Erfahrungen keinen einzigen Vogel gibt, welcher während der Dauer seines Winteraufenthaltes in südlichen Ländern nistet. Auch erwähnen Layard und Andersson übereinstimmend, der erste für die Länder am Vorgebirge der Guten Hoffnung, der andere für das Damaraland, daß der Bienenfresser nur während seiner Wanderungen erscheint und sich einigermaßen über seine weite Herberge verbreitet. Als die Zeit der Ankunft gibt Layard, wohl etwas zu früh, den August an, während Andersson einfach von der Regenzeit spricht. In Wirklichkeit dürften die wandernden Scharen nicht vor Ende September in ihrer Winterherberge eintreffen und dieselbe schon im März wieder verlassen. Ausdrücklich bemerken will ich, daß der Bienenfresser, wenn auch vielleicht nicht immer, so doch sehr häufig, in Gesellschaft des oben beschriebenen Blauwangenspintes wandert und zwar mit ihm gemeinschaftlich in einem und demselben Fluge reist. Heuglin hat diese Angabe bestritten; ich aber halte sie mit dem Bemerken aufrecht, daß ich beide Arten aus einem und demselben Fluge herabgeschossen habe.

[322] Auf seinem Brutplatze erscheint der Bienenfresser flugweise Ausgang April oder Anfang Mai, in Griechenland, nach Lindermayers mir kaum glaublicher Angabe, bereits Ende März. Krüper gibt nach mehrjährigen Beobachtungen für Griechenland als früheste Ankunftszeit den zweiten, Drumm für Korfu den fünften April an, und ersterer bemerkt ausdrücklich, daß die Legezeit Ende Mai und Anfang Juni ihren Anfang nimmt. In der Gegend von Pisa sah Giglioni in den ersten Tagen des Mai große Schwärme von Bienenfressern nach Norden fliegen; auf Sardinien bemerkte sie Brooke zuerst vom siebzehnten April ab. Die frühesten Ankömmlinge aber zogen alle weiter nach Norden, und erst eine volle Woche später siedelten sich andere auf den Inseln an, um hier zu brüten. Mitte Mai haben sich die Flüge einigermaßen zertheilt; doch kommt es ebenso oft vor, daß mehrere sich vereinigen und gemeinschaftlich eine Siedelung bilden, welche funfzig, sechzig und mehr Paare zählen kann. Das eine wie das andere hängt von der Oertlichkeit ab. Findet sich eine höhere, senkrecht abfallende Erdwand, welche Raum zur Anlage für viele Nester bietet, so vereinigen sich die Bienenfresser; ist dies nicht der Fall, so sucht sich jeder einzelne so gut zu behelfen, wie es eben geht.

In der Nähe der Siedelung zeigt sich nun das gewöhnliche Sommerleben unseres Vogels. Während alle kleineren Arten der Familie nur ausnahmsweise ihre Warten auf längere Zeit verlassen, sieht man bei gutem Wetter, insbesondere in den Morgen- und Abendstunden, alle Mitglieder eines Verbandes dieser Art in hoher Luft stundenlang umherschwärmen. Der Flug bleibt in Verbindung, kann aber nicht als ein geschlossener bezeichnet werden; denn die einzelnen Vögel vertheilen sich über einen weiten Raum, halten nur aufmerksam eine und dieselbe Richtung ein und rufen sich beständig zu. In dieser Weise durchmessen sie mehrere Geviertkilometer, immer gemeinschaftlich. Sie rufen sich auch während der ganzen Jagd durch ihren beständig wiederholten Lockton, das hell klingende »Schürr schürr« oder »Guep guep«, zusammen. Gegen Sonnenuntergang erscheinen alle in der Nähe der Siedelung, vertheilen sich hier in Paare und fangen nun bis zum Eintritte der Dämmerung noch Kerbthiere von den Aesten aus. Ihre Nachtruhe verbringen sie, sobald die Nisthöhlen fertig sind, wohl ausschließlich in diesen, bis dahin aber dicht gedrängt auf den Aesten niedriger Gebüsche, welche sie zuweilen in so namhafter Menge anfüllen, daß man Dutzende von ihnen mit einem einzigen Schusse erlegen kann. Nachdem die Jungen ausgeflogen sind, vereinen sich noch viel bedeutendere Scharen, und wenn sich solche, wie zuweilen geschieht, auf sandigem Boden niederlassen, verwandeln sie diese Strecke gleichsam in eine blühende Wiese. Ihre Jagd betreiben sie auf Heiden oder ähnlichen Oertlichkeiten lieber als irgend wo anders und zwar aus dem ganz einfachen Grunde, weil diese die meisten Immen herbeiziehen und sie dort die meiste Beute gewinnen. In die Nähe der Ortschaften kommen sie, so lange die Witterung gut ist, selten oder nie. Verändert sich das Wetter, so verändern auch sie die Art und Weise ihrer Jagd. Sobald der Himmel umzogen ist, oder wenn Regen fällt, erheben sie sich nicht in die höheren Luftschichten, wie Schwalben und noch mehr die Segler zu thun pflegen, sondern jagen von den Aesten aus, erscheinen auch gern in unmittelbarer Nähe menschlicher Wohnungen und brandschatzen die Bienenkörbe in empfindlicher Weise. Man sieht sie unter solchen Umständen auf einem passenden Zweige des nächsten Baumes oder auf dem Flugbretchen des Stockes selbst sitzen und die ausgehenden Bienen wegschnappen.

Stechende Kerbthiere scheinen das Lieblingsfutter des Bienenfressers zu sein; denn ebenso wie er die Bienenstöcke brandschatzt, plündert er die Nester der Wespen, Hummeln und Hornissen. Man hat beobachtet, daß er sich möglichst nahe bei einem Wespenneste niederläßt und im Verlaufe weniger Stunden nach und nach alle fliegenden Bewohner dieses Nestes wegschnappt. Doch verschmäht er auch Heuschrecken, Cicaden, Libellen, Bremsen, Mücken, Fliegen und Käfer nicht, lieft letztere sogar von den Gebüschen oder von Blumen ab, obwohl er in der Regel nur auf fliegende Beute jagt und jedes vorübersummende Kerbthier, dessen er ansichtig wird, aufnimmt, vorausgesetzt, daß er dasselbe verschlingen kann. Die unverdaulichen Flügeldecken und andere harte Theile der Beute werden, zu Gewöllen geformt, wieder ausgeworfen.

[323] Ende Mai beginnt das Brutgeschäft. Zur Anlage seines Nestes wählt sich der Bienenfresser am liebsten das sandige oder lehmige Ufer eines Flusses. Hier beginnt er ein rundes Loch von fünf bis sechs Centimeter im Durchmesser auszuhöhlen, wahrscheinlich mit Schnabel und Klauen zugleich, möglicherweise auch mit dem Schnabel allein. Dieses Loch führt wagerecht oder in wenig aufsteigender Richtung weiter und bildet somit eine Höhle, welche ein bis zwei Meter tief sein kann. Das Ende des Ganges wird zu einer Kammer von zwanzig bis fünfundzwanzig Centimeter Länge, zehn bis funfzehn Centimeter Breite und acht bis zehn Centimeter Höhe erweitert, auf deren Boden dann das Weibchen im Juni seine fünf bis acht runden, glänzend weißen Eier niederlegt. Zuweilen wird, laut Salvin, noch eine zweite Nistkammer hinter der ersten ausgewölbt und mit dieser durch einen etwa dreißig Centimeter langen Gang verbunden. Fehlt es einer Gegend an senkrecht abfallenden Erdwänden, so entschließt sich der Bienenfresser wohl oder übel, schräge Gänge in den flachen Boden einzugraben. Solche fanden Heuglin im Steinigen Arabien und mittleren Egypten, Tristram in Palästina und Saunders im südlichen Spanien. Alte, vorjährige Nesthöhlen scheinen nicht wieder benutzt zu werden, vielleicht, weil sie später Eidechsen und anderen den Vögeln unliebsamen Eindringlingen zur Behausung dienen. Das Ausgraben der Nester geschieht höchst wahrscheinlich, ebenso wie beim Eisvogel, ausschließlich mittels des Schnabels, und die kleinen schwächlichen Füßchen dienen höchstens dazu, losgearbeitete Erde herauszuschaffen. Dieser Auffassung widerspricht Lindermayer, welcher aus Betrachtung der Füße folgern zu dürfen glaubt, daß der Vogel dieselben auf gleiche Weise wie eine Mauerkelle verwende, um den leicht abzukratzenden Sand immerfort hinter sich unter dem Bauche hin und so allmählich aus der Höhle herauszuschaffen. Soviel mir bekannt, hat bis jetzt noch kein Beobachter den Bienenfresser beim Graben überrascht, und es handelt sich daher um Ansicht gegen Ansicht; das Beispiel des Eisvogels aber dürfte mehr für meine Anschauung als für die Lindermayers sprechen. Einige Beobachter wollen eine Unterlage von Moos und Genist gefunden haben; ich meinestheils kann versichern, daß ich in allen Bienenfressernestern, welche ich untersuchte, niemals eine Spur von Niststoffen bemerkte. Aus den Flügeldecken, Beinen usw., welche von den Jungen nicht mitgefressen werden, sowie aus den von ihnen oder von den brütenden Alten ausgespieenen Gewöllen bildet sich nach und nach ein förmliches Sitzpolster im Inneren der Nistkammer, so daß die Jungen einer Unterlage wenigstens nicht gänzlich entbehren. Ob das Weibchen allein brütet, oder ob es vom Männchen abgelöst wird, konnte bisher noch nicht festgestellt werden; man weiß bloß, daß beide Eltern in das Geschäft der Aufzucht sich theilen und fleißig Nahrung zutragen. Schon Ende Juni sieht man Junge mit den Alten umherfliegen und letztere jene füttern. Anfangs kehrt die Familie höchst wahrscheinlich zur Nisthöhle zurück – wenigstens beobachtete Powys mehreremals, daß drei und vier Bienenfresser aus einer und derselben Höhle flogen – wenige Wochen später benehmen sich die Jungen ganz wie die Alten, und zur Zeit der Abreise unterscheiden sie sich, soweit es das Betragen angeht, nicht im geringsten von diesen.

Die Alten wußten über das Brutgeschäft noch ganz andere Dinge zu berichten, als wir. »Der Vogel ist also listig«, schreibt Geßner, jenen nach erzählend, »daß er seine jungen, damit sie nit gefangen werden, von einem ort an das andere trägt. Er fleucht auch selbst stäts an andere ort, damit er nicht gefangen werde, daß man auch nicht spüren möge, wo er seine junge erziehe. Man sagt, daß dieser vogel, als der Storch, seinen Eltern behülfflich sei, nicht allein im Alter, sondern wenn sie ihrer Hülff bedörffen vnd nottürfftig seyen, lassen derhalben ihre Eltern nicht auß dem Nest fliehen, sondern tragen jnen Nahrung herzu, tragen sie auch auff dem Rücken hin vnd her.«

Es ist erklärlich, daß der Bienenfresser nicht überall mit günstigem Auge angesehen wird. Die Räubereien, welche er sich zu Schulden kommen läßt, erregen den Zorn der Bienenzüchter und ziehen ihm rücksichtslose Verfolgung zu. Der Bienenfresser zeigt sich selten scheu, und am wenigsten in der Nähe Beute versprechender Oertlichkeit, läßt sich hier selbst durch Schießen so leicht nicht vertreiben. Erst wiederholte Verfolgung macht ihn vorsichtig und die Jagd auf ihn einigermaßen schwierig. In Griechenland wer den, nach Lindermayer, von der Mühle, Krüper und anderen, [324] in den letzten Sommermonaten außerordentlich viele Bienenfresser geschossen und als schmackhafte Speise mit Vorliebe genossen. Auch im südlichen Spanien, insbesondere in Sevilla und Cordova, bringt man im Herbste erlegte oder gefangene Bienenfresser schock- und sackweise auf den Markt, um sie zu verspeisen. Auf Kandia sollen sie an der Angel gefangen werden, in derselben Weise, welche uns schon Geßner beschreibt: »Ihre schöne reitzt die jungen Knaben in Creta, daß sie die mit Häwschrecken, als die Schwalben, fahen, also, daß sie an eine gekrümbte Glufen einen Häwschrecken stecken, vnd diese an einen Faden binden, den sie an einem ort in den Händen haben, am andern aber lassen sie den Häwschrecken fliegen: so denn dieser vogel ihn ersehen, verschluckt er den, vnnd wirdt also gefangen.«

Das Fleisch des Vogels ist, Geßners Meinung nach, keine gute Speise, wohl aber ein wirksames Arzneimittel: »Den Imbenfraß braucht man nicht zu der Speiß: dann sein Fleisch ist rauch, vndäwig, vnd böser feuchte, doch ist er dienstlich für die bösen Bläst im Leib. Seine Gall mit Baumöl auß vnzeitigen Oliven vermischt, macht das Haar sehr schwartz.«

Während man in früheren Jahren voreingenommenermaßen abstand, Bienenfresser überhaupt im Käfige zu halten, hat man neuerdings dies versucht und das überraschende Ergebnis gewonnen, daß sie im Gebauer besser ausdauern, als man dies für möglich erachten konnte. Sogar alt gefangene Bienenfresser gehen unter Umständen an das Futter, verlangen jedoch, daß man ihnen dasselbe reicht, welches sie in der Freiheit sich erbeuten, und weisen Ersatzfutter hartnäckig zurück. Ihre Gefräßigkeit übersteigt alle Vorstellungen. Sie fressen mehr als das doppelte ihres eigenen Gewichtes täglich, und ihre Ernährung ist daher auch ziemlich kostspielig. Jung eingefangene gewöhnen sich, obgleich sie anfänglich gestopft werden müssen, bald an Käfig und Stubenkost, werden zahm, befreunden sich mit dem Pfleger, begrüßen ihn, wenn er sich ihnen naht, nehmen ihm artig das Futter aus der Hand und bereiten dann viele Freude und Vergnügen. Unsere Abbildung ist nach gefangenen Bienenfressern gezeichnet worden, welche ich pflegte.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 320-325.
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