Tordalk (Alca torda)

[631] Alle Gegenden und Meerestheile, in denen der Lund vorkommt, beherbergen auch den Tordalk, Klub-, Eis- oder Elsteralk (Alca torda, pica, glacialis, microrhynchos, balthica und islandica, Pinguinus torda und pica, Utamania torda und pica). Im Hochzeitskleide ist das Gefieder oben und am Vorderhalse schwarz; eine schmale Binde vom Schnabel bis zum Auge, ein Spitzensaum an den Schwungfedern zweiter Ordnung, die Brust und der Bauch sind weiß. Im Winterkleide zeigt sich die weiße Färbung auch am Vorderhalse und den Kopfseiten; im Jugendkleide sind die Farben unreiner. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel, mit Ausnahme eines weißen Querbandes, schwarz, der Fuß ebenfalls schwarz. Die Länge beträgt zweiundvierzig, die Breite siebzig, die Fittiglänge einundzwanzig, die Schwanzlänge neun Centimeter.

In Lebensweise, Betragen und Wesen ähnelt der Tordalk den Lummen so, daß fast alles, was für diese gilt, auch von ihm gesagt werden kann. Er ist in demselben Grade Meervogel, lebt jahraus jahrein so ziemlich an einer und derselben Stelle, streicht aber gern von einem Meerestheile zum anderen, besucht beispielsweise im Winter häufig alle Fjorde Norwegens, in welchen man ihn im Sommer nicht sieht, erscheint auch ziemlich regelmäßig an unseren, den holländischen und französischen Küsten und wendet sich mit beginnendem Frühlinge wieder nach Norden zurück, um zu brüten. Im Mai trifft er mit den Lummen und Lunden auf den Vogelbergen ein, ist hier auch in der Regel ebenso häufig wie beide. Boje beobachtete einen Zug, welcher bei tausend Schritt Breite im dichten Gedränge so lange über seinem Boote weg flog, daß er zehnmal sein Gewehr laden und Feuer geben konnte; ich habe in derselben Gegend mehrere ähnliche Flüge gesehen. Auf den Nyken lebten hunderttausende von Tordalken. Man sah sie paarweise und in Gesellschaften auf allen Vorsprüngen der Felsen sitzen, nur scheinbar ruhig sich haltend, in Wahrheit beständig sich bewegend, wenigstens den Kopf hin- und herbiegend. Auch sie ließen mich, ohne Furcht zu verrathen, bis auf sechs und vier Schritte an sich herankommen und, wenn ich mich dann ruhig verhielt, gemächlich betrachten, stürzten jedoch nach dem Meere hinab, wenn ich versuchte, sie zu ergreifen, schwammen dort einige Zeit umher, tauchten und kamen hierauf zum Berge zurück. Einzelne flogen in derselben Weise wie der Lund dicht über dem Wasser weg und theilweise durch die Wellen, andere erhoben sich leicht vom Wasser und schwirrten ungemein rasch zur Höhe empor. Im Fluge zittern sie wie rüttelnde Falken mit den Flügeln, bewegen jedoch dabei die Flügel viel schneller, insbesondere wenn sie von oben nach unten fliegen. Beachtenswerth scheint mir eine Beobachtung zu sein, welche ich machte. Um zu erproben, wie tief ein Alk tauchen und wie lange er unter Wasser verweilen könne, band ich einem, welchen ich aus einer Nisthöhle hervorgezogen hatte, einen sehr langen, dünnen Faden an den Fuß und warf ihn vom Boote aus ins Meer. Der Vogel verschwand augenblicklich und rollte mir die sechzig Meter lange Schnur bis zum letzten Ende ab; nach zwei und dreiviertel Minuten etwa erschien er wieder an der Oberfläche, schöpfte Luft und tauchte von neuem. Jetzt zog ich ihn zu mir heran und bemerkte sofort, daß sein Leib wie aufgedunsen war; bei näherer Untersuchung ergab sich, daß er sich vollständig mit Luft aufgeblasen hatte, derart, daß sein Fell nur noch am Halse, an den Flügeln, an den Beinen und am Schwanze fest anlag, übrigens aber einem aufgeblasenen Luftsacke glich. Die Stimme klingt der des Lundes ähnlich, jedoch noch etwas tiefer und rauher, ungefähr wie »Oer« oder »Arr«, zuweilen auch miauend wie »Arr, err, querr, queör«.

Auf den mehrerwähnten Vogelbergen nimmt der Tordalk am liebsten die Felsenritzen und Spalten in Besitz; einzelne Nester fand ich auch unter Steinen, also gewissermaßen in Höhlungen. Jedes Pärchen legt nur ein einziges Ei von sehr bedeutender Größe, etwa achtzig Millimeter Längs- und funfzig Millimeter Querdurchmesser nämlich, länglicher Gestalt und höchst verschiedener Färbung [631] und Zeichnung; denn auch für diese Art gilt, daß man kaum zwei Eier findet, welche sich ähneln. Wie lange die Brutzeit währt, ist unbekannt, weil man die einzelnen Pärchen nicht wohl beachten kann; wahrscheinlich dauert sie über vier Wochen. Das Junge kommt in einem braunschwarzen, im Gesichte weißlichen Dunenkleide zur Welt und springt, kaum halb erwachsen, nach längerem Zögern, aufgemuntert durch die lebhaft schreienden und sich geberdenden Alten, von der Höhe der Felsen entweder unmittelbar auf das Meer hinab, oder rollt sich an den Bergwänden hernieder, bis es das Wasser erreicht; die Eltern folgen, schwimmen neben ihm, lehren es tauchen und seine Nahrung aufsuchen und begleiten es, wenn es selbst fressen gelernt hat, noch einige Zeit lang, ohne es jedoch zu füttern. Wird dem Paare sein Ei genommen, so legt es ein zweites, auch wohl ein drittes; das aus letzterem schlüpfende Junge ist aber meist ein Schwächling.

Beim Sturze vom Felsen herab verunglücken viele Tordalken: an einzelnen Vogelbergen findet man in der bezüglichen Zeit den Fuß der Felsen regelmäßig mit Leichen bedeckt. Solche, welche zu frühzeitig den Sprung wagten oder durch irgend ein Mißgeschick herabgerollt wurden, gehen ebenfalls zu Grunde, weil sie wohl zu schwimmen, nicht aber zu tauchen verstehen und die Eltern zu ungeschickt sind, sie auf dem Wasser zu füttern. Außerdem sind Alte und Junge denselben Gefahren ausgesetzt und werden von denselben Feinden bedroht wie die Verwandten.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 631-632.
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