Buschhuhn (Talegallus Lathami)

[169] Das Gefieder des Buschhuhnes (Talegallus Lathami, Alectura oder Alectrorura Lathami, Meleagris Lindesayii, Catheturus australis und Lathami) ist auf der Oberseite schön chokoladebraun, auf der Unterseite hellbraun, silbergrau gerändert oder gebändert, das Auge hellbraun, die Haut des nackten Kopfes und Halses scharlachroth, die herabhängende Klunker hochgelb, der Schnabel bleigrau, der Fuß hell chokoladebraun. Die Länge beträgt achtzig, die Fittiglänge einunddreißig, die Schwanzlänge fünfundzwanzig Centimeter. Das Weibchen unterscheidet sich durch geringere Größe und minder entwickelten Halsschmuck vom Männchen.

»Wie weit sich der Verbreitungskreis dieses Vogels ausdehnt«, sagt Gould, »ist noch nicht hinlänglich ermittelt. Man kennt ihn aus verschiedenen Theilen Neusüdwales vom Kap Howe bis zur Moretonbai; Macgillivray versicherte mich auch, daß er ihn an der östlichen Küste bis Port Molle hin erlegt habe; die häufigen Jagden in den Wäldern von Illanvarra und Maitland haben ihn aber schon so vermindert, daß er möglicherweise jetzt hier bereits ausgerottet ist. Am häufigsten, vermuthe ich, hält er sich in den dichten und noch wenig betretenen Buschhölzern des Manning und Clarence auf. Zuerst glaubte ich, daß das Land zwischen dem Gebirge und der Küste seine einzige Heimat sei und war daher nicht wenig überrascht, ihn in den buschigen Schluchten und auf kleinen Hügeln zu treffen, welche von dem großen Gebirgszuge des Inneren ausgehen.

[169] Der merkwürdigste Umstand in der Lebensweise des Buschhuhnes besteht darin, daß es seine Eier nicht nach Art anderer Vögel bebrütet. Mit Beginn des Frühlings scharrt sich der Vogel einen sehr großen Haufen aus abgestorbenen Pflanzentheilen zur Unterlage seiner Eier zusammen und überläßt die Entwickelung seiner Jungen der Wärme, welche die Zersetzung jener Pflanzenstoffe hervorbringt. Der zu diesem Zwecke aufgeschichtete Haufen wird mehrere Wochen vor der Legezeit errichtet, ist breit kegelförmig, schwankt jedoch in der Größe so, daß er von zwei bis vier Karrenladungen enthält; ein und dasselbe Gebäude scheint aber, falls man von seiner Größe und der vollkommenen Zersetzung der Stoffe des Untertheiles folgern darf, mehrere Jahre nach einander benutzt und nur durch Zuthat neuer Stoffe wieder brauchbar gemacht zu werden.


Buschhuhn (Talegallus Lathami). 1/4 natürl. Größe.
Buschhuhn (Talegallus Lathami). 1/4 natürl. Größe.

Der Hügel wird aufgehäuft, indem die Vögel eine gewisse Menge Baustoff mit dem Fuße losscharren und hinter sich nach einem Mittelpunkte werfen. Sie reinigen dabei den Boden ringsum so vollständig, daß kaum ein Blatt oder Grashalm liegen bleibt. Wenn nun der Haufen seine genügende Größe [170] erreicht und sich hinlängliche Wärme in ihm entwickelt hat, werden die Eier in ihm gelegt und zwar in einem Kreise in der Mitte desselben, in einer Entfernung von fünfundzwanzig bis dreißig Centimeter von einander, etwa armstief, aber so, daß sie mit dem breiten Ende nach oben aufrecht stehen, hierauf mit Blättern überdeckt und der Entwickelung überlassen. Mir ist ebensowohl von Eingeborenen wie von glaubwürdigen Ansiedlern versichert worden, daß man aus einem und demselben Haufen zuweilen einen Scheffel Eier ausnehmen kann, und ich selbst habe eine Frau gesehen, welche halb so viele, in einem benachbarten Dickichte von ihr gefundene nach Hause trug. Einige von den Eingeborenen behaupten, daß das Weibchen sich beständig in der Nähe des Haufens aufhält, um die entblößten Eier wieder zu bedecken und den ausgekrochenen Jungen beizustehen, während andere angeben, daß die Eier eben nur abgelegt würden, und die Jungen ihren Weg ohne jegliche Hülfe fänden. Ein Punkt ist vollständig aufgeklärt worden, nämlich daß die Jungen von dem Augenblicke ihres Ausschlüpfens an mit Federn bekleidet sind, genügend entwickelte Flügel besitzen, welche sie befähigen, auf die Zweige der Bäume zu fliegen, daß sie sich ebenso auf ihre Beine verlassen können, ganz wie ein eben der Puppe entschlüpfter Schmetterling, nachdem derselbe seine Flügel getrocknet hat.«

»Das männliche Buschhuhn«, sagt Sclater, »beginnt, wenn die Brutzeit herannaht, innerhalb seines Geheges alle vorhandenen Pflanzenstoffe zusammenzuscharren, indem es dieselben nach hinten wirft, immer einen Fuß voll auf einmal. Da es seine Arbeit stets am äußeren Rande des Geheges anfängt, wird die Masse nach innen in den sich umschließenden Kreis geworfen und mehr und mehr zum Haufen aufgethürmt. Sobald dieser eine Höhe von ungefähr anderthalb Meter erreicht hat, machen sich beide Vögel daran, ihn zu ebenen, und wenn dies geschehen, höhlen sie im Mittelpunkte eine Vertiefung aus. In letzterer werden zu bestimmten Zeiten die Eier abgelegt und ungefähr vierzig Centimeter unter dem Gipfel in einem Kreise geordnet. Das Männchen beaufsichtigt den Hergang der Entwickelung und namentlich der Wärme des natürlichen Brütofens sehr sorgfältig. Es bedeckt gewöhnlich die Eier und läßt nur eine runde Oeffnung, durch welche die nöthige Luft nach unten gelangt, und durch welche übermäßig gesteigerte Wärme Abfluß findet; bei heißem Wetter aber nimmt es zwei- oder dreimal täglich fast die ganze Decke weg.

Das ausgeschlüpfte Junge verweilt mindestens zwölf Stunden im Inneren des Hügels, ohne die geringste Anstrengung zum Herausgehen zu machen, und wird während dieser Zeit vom Männchen ebenso tief vergraben wie der Rest der Eier. Am zweiten Tage kommt es hervor und zwar mit wohlentwickelten Federn, welche beim Ausschlüpfen noch in einer bald platzenden Hülle stecken. Es scheint jedoch keine Neigung zu haben, diese Federn zu gebrauchen, sondern bewegt sich ausschließlich mit Hülfe seiner kräftigen Füße. Nachmittags zieht es sich nach dem Bruthaufen zurück und wird von dem besorgten Vater wieder vergraben, obschon in geringerer Tiefe als früher; am dritten Tage ist es zum Fliegen vollständig befähigt: eines von denen, welche im Garten groß wurden, drängte sich um diese Zeit durch die Maschen des Netzes, welches das Gehege überdeckte.« Die Eier sind fünfundneunzig Millimeter lang, fünfundsechzig Millimeter dick und reinweiß.

Sclaters Angaben sind durch wiederholt in verschiedenen Thiergärten angestellte Beobachtungen durchaus bestätigt, neue Thatsachen aber nicht erkundet worden.

In seinen heimischen Waldungen lebt das Buschhuhn gesellig, gewöhnlich in kleinen Trupps, nach Art anderer Hühnervögel. Solche Gesellschaften pflegen scheu und mißtrauisch zu sein, so lange sie auf dem Boden dahinlaufen, während sie die äußerste Sorglosigkeit bekunden, sobald sie gebäumt haben. Beim Laufen durch die Waldungen lassen sie oft einen laut glucksenden Ton vernehmen. »Aufgescheucht«, fährt Gould fort, »vereitelt das Buschhuhn die Verfolgung durch die Leichtigkeit, mit welcher es durch das verworrene Buschwerk rennt. Wird es hart bedrängt oder von seinem ärgsten Feinde, dem Wildhunde, angefallen, so springt es zum niedersten Zweige eines benachbarten Baumes empor und von Zweig zu Zweig immer höher, bis es den Wipfel erreicht hat, um hier sitzen zu bleiben oder von hieraus nach einem der anderen Bäume des Waldes zu [171] fliegen. Auch pflegt es im Gezweige Schutz vor der Mittagssonne zu suchen und führt dadurch oft seinen Untergang herbei, da es sich dann dem Schützen als sicheres Ziel bietet. Ist es in kleinen Gesellschaften vereinigt, so kann der Jäger eines nach dem anderen von ihnen herabschießen und die ganze Gesellschaft nach Hause bringen. Ohne besondere Mittel für ihre Erhaltung muß diese Fahrlässigkeit der Vögel ihre Ausrottung zur Folge haben. Dies aber würde zu beklagen sein, da ihr Wildpret ein ausgezeichnetes Gericht ist.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 169-172.
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