Sonneratshuhn (Gallus Sonneratii)

[132] Von dem Haushuhne unterscheiden sich die Wildhühner hauptsächlich durch ihre Stimme. Das Krähen des Dschungelhahnes (Gallus Stanleyi) klingt, laut Tennent, wie »George-Joye«; das des Gangégar ist, nach Bernstein, zweisilbig und tönt heiser wie »Kükrüü, kukrü«, das des Sonneratshuhnes (Gallus Sonneratii) ist ein höchst sonderbarer, gebrochener Laut, eine unvollständige, aber unbeschreibliche Art von Krähen. Alle Arten tragen zur Belebung der Wälder wesentlich bei. »Es ist sehr unterhaltend«, sagt v. Möckern, »frühmorgens die vielen Hähne krähen zu hören, ihre stolzen Spaziergänge und ihre Gefechte anzusehen, während die Hennen mit ihren Küchlein zwischen Bäumen und Gebüschen umherschweifen.« Auch Tennent rühmt, daß ein Morgen auf den Waldbergen Ceylons durch das noch in der Nacht beginnende und lange fortwährende Krähen des Dschungelhahnes einen Hauptreiz erhalte. Die Hähne aller Arten sollen ebenso kampflustig, ja noch kampflustiger sein als ihre Nachkommen, deshalb auch von den Eingeborenen gezähmt werden, weil man gefunden hat, daß die Haushähne wohl stärker sein können aber niemals eine gleichgroße Gewandtheit und ebensoviel Muth besitzen wie sie.

Ueber die Fortpflanzung liegen mehrere Berichte vor. »Die Bankivahenne«, sagt Jerdon, »brütet vom Juni an bis zum Juli, je nach der Oertlichkeit, und legt acht bis zwölf Eier von milchweißer Färbung oft unter einen Bambusstrauch oder in ein dichtes Gebüsch, nachdem sie vorher vielleicht auch einige abgefallene Blätter oder etwas trockenes Gras zusammengescharrt und daraus ein rohes Nest bereitet hatte. Die Sonneratshenne brütet etwas später und legt sieben bis zehn Eier.« Das Nest der Gangégarhenne hat Bernstein gefunden. »Es stand mitten im hohen Alang-Alang in einer kleinen Vertiefung des Bodens, bestand einfach aus losen trockenen Blättern und Halmen der genannten Grasart und enthielt vier schon etwas bebrütete gelblichweiße Eier.« Der Hahn bekümmert sich nicht um die Aufzucht der Jungen; die Henne aber bemuttert diese mit derselben Zärtlichkeit wie unsere Haushenne die ihrigen. Jerdon versichert auf das bestimmteste, daß Vermischungen der neben einander wohnenden Hühnerarten nicht selten vorkommen und unterstützt dadurch die Vermuthung, daß mehrere der als Arten beschriebenen Wildhühner nur als Blendlinge der vier Hauptarten angesehen werden müssen.

Die Wildhühner werden wenig gejagt, weil ihr Wildpret, welches sich vom Fleische des zahmen Huhnes dadurch unterscheidet, daß es bis auf den weißen Schenkelmuskel braun aussieht, nicht besonders schmackhaft sein soll. Dieser Angabe widerspricht Jerdon, welcher versichert, daß das Wildpret junger Vögel den köstlichsten Wildgeschmack habe. Dieser Forscher rühmt auch die Jagd als höchst unterhaltend und sagt, daß sie hauptsächlich da, wo einzelne Dschungeldickichte zwischen Feldern liegen, sehr ergiebig ist.

Alle Wildhühner lassen sich zähmen, gewöhnen sich aber keineswegs so rasch an die Gefangenschaft, wie man vielleicht annehmen möchte. »Altgefangene«, sagt Bernstein, »werden nie zahm, und selbst wenn man die Eier durch Haushühner ausbrüten läßt, sollen die Jungen, sobald sie [132] erwachsen sind, bei der ersten Gelegenheit sich wieder weg machen. Ob sie sich in Gefangenschaft fortpflanzen oder mit Haushühnern paaren, kann ich aus eigener Erfahrung nicht mittheilen; man hat mir jedoch von verschiedener Seite versichert, daß jung aufgezogene wiederholt Eier gelegt haben.« In unseren Thiergärten pflanzen sich zwar alle Arten fort; niemals aber darf man mit Bestimmtheit darauf rechnen. Es muß uns daher räthselhaft bleiben, wie es der Mensch anfing, die freiheitliebenden Wildhühner zu vollendeten Sklaven zu wandeln. Keine Geschichte, keine Sage gibt uns über die Zeit der ersten Zähmung Kunde. Schon die ältesten Schriften erwähnen das Haushuhn als einen niemand mehr auffallenden Vogel. Von Indien aus wurde es über alle Theile der östlichen Erde verbreitet. Die ersten Seefahrer, welche die Inseln des Stillen Meeres besuchten, fanden es hier bereits vor; in geschichtlicher Zeit wurde es nur in Amerika eingeführt. Besonders beachtungswerth scheint mir zu sein, daß es nirgends verwilderte. Man hat versucht, es in geeigneten Gegenden einzubürgern, d.h. Waldungen mit ihm zu bevölkern, um in ihm ein Wild zu gewinnen: die Versuche sind jedoch regelmäßig fehlgeschlagen. In den Steppendörfern Innerafrikas und selbst um die mitten im Walde gelegenen Hütten lebt das Haushuhn massenhaft, fast ohne Pflege der Menschen, muß sich sein Futter selbst suchen, brütet unter einem ihm passend scheinenden Busche oft in einiger Entfernung von der Hütte seines Besitzers, schläft nachts im Walde auf Bäumen: aber nirgends habe ich es verwildert gesehen. Die verschiedensten Umstände erträgt es mit bewunderungswürdiger Fügsamkeit. Unter einem ihm eigentlich fremden Klima behält es sein Wesen bei, und nur in sehr hohen Gebirgen oder im äußersten Norden soll es an Fruchtbarkeit verlieren; da aber, wo der Mensch sich seßhaft gemacht hat, kommt es wenigstens fort: es ist eben zum vollständigen Hausthiere geworden. Auf dieses einzugehen, muß ich mir versagen, darf dies auch thun, da das Haushuhn neuerdings vielseitig so eingehend geschildert wird, wie es verdient.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 132-133.
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