[113] Das Gefieder der verwandten Helmwachtel (Lophortyx Gambeli, Callipepla Gambeli und venusta) zeigt eine ähnliche Farbenvertheilung; das schwarze Gesichtsfeld ist aber größer, der Hinterkopf lebhaft rothbraun, die Unterseite gelb, ohne Muschelzeichnung, der Bauch schwarz und das Seitengefieder, anstatt auf olivenfarbenem, auf prächtig rothbraunem Grunde lichtgelb in die Länge gestreift, wie überhaupt alle Farben lebhafter und glänzender sind.[113] Alle mir bekannten Berichte über die Lebensweise der Schopfwachtel sind dürftig. »Dieser prachtvolle Vogel«, sagt Gambel, welcher das beste bietet, »so außerordentlich häufig in ganz Kalifornien, vereinigt sich im Winter zu zahlreichen Schwärmen, welche zuweilen tausend und mehr Stück zählen, vorausgesetzt, daß die Waldungen geeignet sind, um so vielen Deckung zu gewähren. Ebenso häufig wie im Walde findet man sie auf den buschigen Ebenen und Gehängen des Hügellandes. Sie bekundet dieselbe Wachsamkeit wie die Baumwachtel, ist aber viel besser zu Fuße und vereitelt die Verfolgung dadurch, daß sie mit einer bewunderungswürdigen Fertigkeit davon läuft und sich verbirgt.
Wird sie plötzlich aufgescheucht, so fliegt sie gewöhnlich den Bäumen zu, und drückt sich hier auf wagerechten Aesten wie ein Eichhorn nieder; dann erschwert die Aehnlichkeit ihres Gefieders mit der Baumrinde ihre Auffindung sehr. Das Nest wird auf dem Boden angelegt, gewöhnlich am Fuße eines Baumes oder unter dem Gezweige eines Busches; das Gelege pflegt zuweilen sehr reichzählig zu sein. In einer seichten Vertiefung, welche am Fuße eines Eichenbaumes ausgescharrt und mit einigen wenigen Blättern und trockenem Grase belegt, in der Mitte der Mulde aber unbekleidet war, fand ich vierundzwanzig Eier. Möglicherweise hatten zwei Hennen in dasselbe Nest gelegt, da funfzehn Eier die gewöhnliche Anzahl des Satzes zu sein scheint.« Diese Eier, deren Längsdurchmesser ungefähr zweiunddreißig und deren Querdurchmesser etwa vierundzwanzig Millimeter beträgt, sind in der Regel auf gilblichem oder grauweißem Grunde mit dunkelbraunen und braungelben Flecken gezeichnet, ändern jedoch vielfach ab.
Freyberg, welcher die Schopfwachtel ebenfalls in ihrem Vaterlande beobachtete, sagt, daß sie Standvogel sei oder doch wenigstens nur unbedeutend streiche, von Gras, Sämereien, Zwiebeln, [114] Lauch, Knollengewächsen und ähnlichen Pflanzen, Beeren aller Art sowie von Kerbthieren sich nähre, junge Haue oder überhaupt dichtes Gestrüpp jeder anderen Oertlichkeit bevorzuge und sie selten und niemals über vierzig bis funfzig Schritt weit verlasse, sich also kaum über den Schatten des Waldes hinaus ins Freie verirre, vor dem Hunde ziemlich lange aushalte, beim Aufstehen unfehlbar dem ersten alten Baume zufliege und hier das Gebaren des Haselhuhnes annehme, im Winter aber sich lange Gänge unter dem Schnee grabe. In Kalifornien schießt man sie mit einer kleinen Büchse von den Bäumen herab, jagt sie aber auch mit Hülfe des Hundes; denn ihr Fleisch ist kostbar und dem des Haselhuhnes bestimmt gleichzustellen.
»Wer die Sitten der Helmwachtel erforschen will«, sagt Coues, dem wir eine treffliche Lebensbeschreibung dieser Art verdanken, »muß alle Bequemlichkeit eines geregelten Lebens hinter sich lassen und von Westen aus gegen tausend Meilen ins Innere wandern. Er gelangt dann in eine wilde Gegend, in welcher der Apaché-Indianer noch immer Herr ist, und in welcher der weiße Mann nur durch tagtäglich erneuerte Kämpfe sich zu erhalten vermag. Das Land wird zerrissen von gähnenden Abgründen, tief eingeschnittenen Thälern und Schluchten, neben denen sich riesige Berge aufbauen, und bedeckt von Lavamassen, welche längst verkühlte und unkenntlich gewordene Feuerspeier auswarfen. Flüsse gibt es hier, in deren trockenem Bette der Reisende vor Durst umkommen mag, und weite Ebenen, bestanden mit einem trockenen, scharfen Grase und niederem Buschwerke, welche unter beständigem Wassermangel leiden. Aber diese Gegend ist ein Land der Gegensätze und Wunder. Von den wildesten Bergen werden liebliche, feuchte, grüne und fruchtbare Thäler eingeschlossen; weite Waldungen edler Fichten und Kiefern und Cedern wechseln mit dürren und verödeten Lavafeldern ab; die Gehänge der Hügel sind mit der Eiche, der ›Mez quite‹ und ›Manzanita‹ bedeckt, während die Ufer der Ströme von Wollpappeln, Weiden und Nußbäumen eingefaßt und durch beinahe undurchdringliche Wälle von Reben, Stachelbeeren, ›Gründornen‹, Rosen und, wie es scheint, jeder anderen Art rankender Gewächse eingehegt werden. Thier- und Pflanzenwelt, ja selbst die Felsen zeigen ein fremdartiges, neues Gepräge; sogar die Luft scheint anders als daheim zusammengesetzt zu sein.« Diese Gegend ist die Heimat unseres Baumhuhnes.
»Schön für das Auge, sanft für das Gefühl, süß duftend für den Geruch und schmackhaft für den Gaumen: in der That, die Helmwachtel ist ein herrlicher Vogel! Seitdem ich sie zum ersten Male sah, vor vielen Jahren, ausgestopft, tölpelhaft aufgenagelt auf ein Brett, um einem Museum als Zierde zu dienen, habe ich sie bewundert; jetzt aber, nachdem ich sie im Leben, in ihrer Heimat beobachtet, mit ihr verkehrt habe, bevor der Glanz ihrer Augen gebrochen war, nachdem ihre Küchlein meine Schoßthiere geworden, bewundere ich sie mehr und meine, daß es kaum einen anderen Vogel in Amerika geben kann, welcher so schön ist wie sie. Ihre vollen und runden Formen erscheinen keineswegs plump; denn Hals und Schwanz sind lang, der Kopf ist klein, und die zierlich gebogene Feder verleiht eine außerordentliche Anmuth. Ihr Lauf sieht leicht und gemächlich aus: es ist ein wundervoller Anblick, einen Hahn zu sehen, wie er stolz dahinschreitet, mit erhobenem Haupte, leuchtenden Augen und schwankender Helmfeder, über den am Boden liegenden Stamm, unter welchem sich seine kleine Familie versteckt hat. Er ist so muthig und so schwach, so willensstark und so unfähig dazu!
Es war spät im Juni, als ich in meinem Bestimmungsorte, in Arizona, eintraf. Ich erfuhr bald, daß die Helmwachtel überaus häufig ist. Schon beim ersten Jagdausfluge strauchelte ich sozusagen über ein Volk junger Küchlein, welche eben dem Eie entschlüpft waren; aber die kleinen behenden Thierchen rannten davon und verbargen sich so wunderbar, daß ich nicht ein einziges von ihnen finden konnte. Ich erinnere mich, daß ich sie mit der Bergwachtel (Oreortyx pictus) verwechselte und mich wunderte, noch so spät Junge von dieser zu finden. Aber es war noch nicht spät für die Helmwachtel; denn ich traf noch im August viele Bruten, welche erst wenige Tage alt waren. Im folgenden Jahre beobachtete ich, daß die alten Vögel zu Ende des April sich gepaart hatten, und im Anfange des Juni sah ich die ersten Küchlein. Ich wurde also belehrt, daß das [115] Brutgeschäft dieser Art während der Monate Mai, Juni, Juli und August vor sich geht. Die größte Anzahl der Küchlein einer Brut, welche ich kennen lernte, war zwischen funfzehn und zwanzig, die kleinste sechs bis acht. Am ersten Oktober traf ich zwar gelegentlich auch noch halb erwachsene Küchlein an; die Mehrzahl aber war bereits fast oder ganz so groß wie die Eltern und so flügge, daß sie wohl die Aufmerksamkeit eines ehrlichen Waidmannes auf sich ziehen konnten.
Solange als die junge Brut der Vorsorge der Eltern bedarf, hält sie sich in einem eng geschlossenen Volke zusammen, und wenn dieses bedroht wird, rennt jedes einzelne so schnell davon und drückt sich an einem so passenden Orte nieder, daß es sehr schwer hält, sie zum Aufstehen zu bringen. Gelingt es, so fliegt die Gesellschaft in geschlossenem Schwarme auf, fällt aber gewöhnlich bald wieder nieder, in der Regel auf die niederen Zweige von Bäumen oder Büschen, oft aber auch auf den Boden. Hier pflegen die Vögel still zu sitzen, manchmal förmlich auf einem Haufen, und weil sie meinen, gut versteckt zu sein, gestatten sie eine Annäherung bis auf wenige Schritt. Später im Jahre, wenn sie ihre volle Größe erreicht haben, bäumen sie seltener, sind vorsichtiger und lassen sich dann schwer nahe kommen. Die erste Andeutung, daß man sich einem Volke genähert hat, gibt ein einziger Laut, welcher zwei- oder dreimal nach einander rasch wiederholt wird; ihm folgt ein Rascheln auf den dürren Blättern, und die ganze Gesellschaft eilt so schnell wie möglich davon; noch einen Schritt weiter, und alle erheben sich mit einem schnurrenden Geräusche und zertheilen sich nach den verschiedensten Richtungen hin.
Mit Ausnahme zusammenhängender Nadelwälder ohne Unterholz bevölkern diese Hühner jede Oertlichkeit, scheinen jedoch dichtes Gestrüpp und namentlich Uferweidicht zu bevorzugen. Hier zu Lande freilich trifft man sie fast ebenso häufig an den zerrissenen Gehängen zwischen dem Gestrüppe, ja selbst in den Gebüschen der dürren Ebene, und da ich ihnen auf jeder Oertlichkeit begegnet bin, kann ich eigentlich kaum sagen, daß sie einer den Vorzug geben.
Wie ihre Verwandte nährt sich auch die Helmwachtel vorzugsweise von Sämereien und Früchten, obschon Kerbthiere einen nicht geringen Theil ihrer Aesung ausmachen. Sämereien aller denkbaren Grasarten, Beeren der verschiedensten Art, Trauben und dergleichen, Heuschrecken, Käfer, Fliegen und andere Kerbthiere, alles findet man in ihren Kröpfen, und zweifelsohne werden sie, wenn Arizona angebaut sein wird, Weizen, Roggen und anderes Getreide auch nicht verschmähen. In den ersten Frühlingsmonaten fressen sie gern die Weidenknospen, und dann bekommt ihr Fleisch einen bitteren Beigeschmack.
Ich habe drei verschiedene Laute von der Helmwachtel vernommen. Der gewöhnliche Ruf, welcher bei jeder Gelegenheit ausgestoßen wird, ebensowohl um das Volk zusammenzuhalten wie zu warnen, ist ein einfaches, wohllautendes, zuweilen unzählige Male wiederholtes, ›Thsching, tsching‹, der zweite Laut, welchen man während der Paarungszeit, wenn das Männchen um die Gunst des Weibchens wirbt, hört, ein helles, kräftiges Pfeifen, welches in meinem Ohre wie die Silben ›Kilink‹ tönte; der dritte Laut, welcher, wie ich glaube, nur vom Männchen und, meiner Meinung nach, auch bloß dann, wenn das Weibchen brütet oder seine Küchlein führt, namentlich bei Sonnenauf- und Sonnenniedergang, hervorgebracht wird, ist ein auffallend klangloser Laut. Das Männchen pflegt dabei auf den Kronenzweigen eines Eichen- oder Weidenbusches zu sitzen, streckt den Hals lang aus, läßt die Flügel hängen und schreit nun seine rauhen, kräftigen Kehltöne in den Wald hinein.
Die zierliche Kopfhaube, welche so wesentlich zum Schmucke dieser Art beiträgt, bildet sich schon in frühester Zeit aus; denn man bemerkt sie bereits bei Küchlein, welche nur wenige Tage alt sind. Bei ihnen besteht sie freilich nur aus einem kleinen, kurzen Busche von drei oder vier Federn, welche eher braun als schwarz, gegen ihre Spitze nicht verbreitet und gerade aufgerichtet sind. Erst wenn der Vogel vollkommen flügge ist, richtet sie sich vorwärts. Die Anzahl der Federn, aus welcher sie besteht, schwankt erheblich. Zuweilen wird sie von einer einzigen und dann wiederum von acht bis zehn Federn gebildet. Unmittelbar nach der Fortpflanzung tritt die Mauser ein: sie [116] aber geht so langsam und allmählich vor sich, daß ich höchst selten ein Stück geschossen habe, welches zum Ausstopfen unbrauchbar gewesen wäre. Auch die Helmfedern werden nur nach und nach gewechselt, so daß man kaum einen Vogel ohne diesen prächtigen Kopfschmuck findet.
Die Jagd der Helmwachtel ist schwieriger als die der Baumwachtel. Sie erhebt sich zwar nicht plötzlich, fliegt auch nicht schneller als jene; aber wenn ein Volk aufgestanden ist und ein oder zwei Stück von ihnen erlegt worden sind, hält es überaus schwer, noch einen dritten Schuß anzubringen. Sie liegen, gewisse Umstände ausgenommen, sehr locker, und wenn sie aufgescheucht wurden und wieder einfallen, drücken sie sich oft, ohne sich wieder aufscheuchen zu lassen, oder laufen so schnell und so weit wie nur möglich, so daß man sie, wenn es überhaupt geschieht, erst in ziemlicher Entfernung von der Einfallsstelle wieder findet. Ihre Gewohnheit, sich laufend davon zu stehlen, ermüdet nicht bloß den Jäger, sondern auch den Hund in so hohem Grade, daß selbst der am besten abgerichtete wenig oder gar nicht nutzen kann. Freilich bietet sich dem Schützen oft Gelegenheit, auf das laufende Huhn einen Schuß anzubringen: aber welcher Waidmann würde wohl in dieser ruhmlosen Weise seine Jagdtasche mit einem so edeln Wilde zu füllen suchen! Der Flug ist überraschend schnell und kräftig, stets eben und geradeaus, so daß es dem geübten Schützen nicht eben schwer hält, sie zu erlegen.«
Im Jahre 1852 wurden sechs Paare Schopfwachteln von Herrn Deschamps in Frankreich eingeführt. Schon im folgenden Jahre erzielte man von ihnen Nachkommenschaft, und später versuchte man wiederholt, den zierlichen Vogel in Frankreich einzubürgern, ohne jedoch durchgreifende Erfolge zu erzielen. Auch in Deutschland hat man ähnliches unternommen und ähnliches erfahren. Die Mittheilungen der verschiedenen Züchter, welche mir geworden sind, lauten jedoch nur theilweise ungünstig, und so hege ich auch, jetzt noch wie vor Jahren, die Meinung, daß es gelingen dürfte, den äußerst zierlichen Vogel bei uns heimisch zu machen. Aber hierzu ist vor allem erforderlich, daß die Versuche von sachkundigen Leuten, am rechten Orte und mit genügendem Nachdrucke unternommen werden. Im allgemeinen dürfte man nur in solchen Gegenden auf Erfolg rechnen können, in denen Fasanen ohne wesentliches Zuthun des Menschen gedeihen. Möglichst gemischte Waldungen mit mehr oder weniger undurchdringlichen, aus dornigem Gestrüppe, Weidichten, hohen Gräsern und rankenden Pflanzen bestehenden Dickichten sind es, welche man in das Auge zu fassen hat; aus allen übrigen entweichen die glücklich gezüchteten Schopfwachteln, sobald sie können. Den Versuch der Einbürgerung mit wenigen Paaren zu beginnen, ist nicht räthlich; erwünschter Erfolg steht nur dann in Aussicht, wenn man ein Gebiet gleichzeitig mit einer erheblichen Anzahl der Fremdlinge besetzt. Zwar ist mir berichtet worden, daß schon sechs bis acht Paare genügten, um im Laufe eines Sommers eine Fasanerie zu bevölkern; von den Alten und Jungen aber waren im nächsten Jahre nur noch einzelne zu sehen. Wer sich erinnert, daß in dem auf ein gutes Feldhühnerjahr folgenden Frühlinge ein Jagdgebiet eben auch nicht übervölkert ist; wer in Betracht zieht, wie viele der bei uns von Hause aus heimischen Rebhühner im Laufe des Winters der Witterung oder den Raubthieren zum Opfer fallen, wird darüber kaum sich wundern. Meiner Ansicht nach müßte man mit mindestens vierzig, lieber noch funfzig bis einhundert Paaren beginnen und dürfte dann auf einer günstigen Oertlichkeit des erwünschten Erfolges wohl versichert sein. Bei einer geringen Anzahl empfiehlt es sich, in dem betreffenden Walde Brutgehege, einfache, aber geräumige Fluggebauer zu errichten, in ihnen die Paare brüten zu lassen und Alten und Jungen erst dann die Freiheit zu geben, wenn letztere bereits fliegen können; besser aber wird es unter allen Umständen sein, viele Paare im Frühjahre in einer umhegten und geschützten Fasanerie auszusetzen und sich selbst zu überlassen. Je größere Freiheit man den alten Vögeln von Anfang an gewährt, um so sicherer ist der Erfolg. Im Käfige legen die Hennen gewöhnlich außerordentlich viele, oft funfzig bis siebzig Eier, dann aber meist nicht auf eine bestimmte Stelle in ein Nest, sondern an den verschiedensten Orten im Käfige ab. Solche Eier kann man nun zwar durch kleine Zwerghennen ausbrüten lassen, erlebt aber selten Freude an solcher Zucht. Mutterbruten sind allen [117] übrigen vorzuziehen, gewähren dem Pfleger auch das meiste Vergnügen. Beschränkt man die Freiheit der zur Brut bestimmten Paare möglichst wenig, so pflegt das Weibchen, welches selbst zu brüten beabsichtigt, vor dem Eierlegen an einer ihm besonders zusagenden Oertlichkeit, in der Regel unter einem dichten Gebüsche, eine seichte Mulde auszugraben, sie mit Würzelchen, Heuhalmen, dürren Blättern und dergleichen auszukleiden, in dieses Nest seine zwölf bis sechzehn Eier zu legen und dann sofort zu brüten. Der Hahn löst die Henne gewöhnlich nicht ab, hält sich jedoch beständig in ihrer Nähe auf und warnt sie bei Annäherung eines Menschen oder Thieres, worauf sie sich schnell erhebt, die Eier mit etwas dürrem Laube überdeckt und verstohlen davonschleicht. Geht sie während der Brutzeit ein, so übernimmt oft der Hahn ihre Pflichten und brütet weiter. Nach dreiundzwanzigtägiger Brutzeit entschlüpfen die Jungen, werden in den ersten Tagen ihres Lebens von der Mutter viel gehudert, zum Füttern angeleitet, sorgfältig überwacht und bei jeder Gefahr ängstlich gewarnt. Wird letztere drohend, so geben sich beide Eltern dem Feinde scheinbar preis und versuchen ihn abzulenken, während sich die Küchlein blitzschnell verstecken und so vortrefflich verbergen, daß auch das schärfste Auge sie nicht wahrzunehmen vermag. Mit dem neunten Tage ihres Lebens sind die Jungen im Stande zu bäumen, und von nun an verbringen sie die Nacht stets in der sicheren Höhe auf einem dicken Aste, dicht an oder unter ihre Eltern geschmiegt. Nach Verlauf eines Monates sind sie bereits so selbständig geworden, daß sie auch dann ihren Weg durchs Leben zu finden wissen, wenn die Henne, was vorkommt, zu einer zweiten Brut schreiten sollte. Bis gegen den Herbst hin halten sich die Ketten eng zusammen, äsen sich ebensowohl unten am Boden wie im Gezweige der Bäume, suchen in den Kronen der letzteren bei Gefahr Zuflucht und bergen sich hier mit demselben Geschicke wie Haselhühner. Alles geht gut bis zum Eintritte des Winters, beziehentlich bis zum ersten Schneefalle. Dieser aber bringt auf Alte und Junge oft eine geradezu betäubende oder verwirrende Wirkung hervor, sprengt die Ketten und zerstreut die einzelnen Wachteln in alle Gegenden der Windrose.
Dies sind, in wenige Worte zusammengedrängt, die Erfahrungen, welche im Laufe der letzten Jahre gesammelt wurden. Für unbedingtes Gelingen der Einbürgerung sprechen sie nicht, sind aber auch keineswegs so ungünstig, daß sie von ferneren Versuchen zurückschrecken sollten.
Bonaparte und Gray sehen in einer Familie höchst zierlicher und in vieler Hinsicht auffälliger Scharrvögel nahe Verwandte der Rebhühner und Wachteln: andere Naturforscher sind geneigt, sie mit den südamerikanischen Steißhühnern zu vereinigen; Gould, welcher viele von ihnen beobachtete, meint, daß sie in ihrer äußeren Erscheinung allerdings an Wachteln und Rebhühner erinnern, daß aber eine wirkliche Aehnlichkeit zwischen beiden Gruppen doch nicht stattfinde, ebensowenig wie er zwischen ihnen und gedachten Steißhühnern irgend welche Verwandtschaft entdecken könne, daß unsere Hühnchen vielmehr gewissermaßen als Uebergangsglieder von den Scharrvögeln zu den Regenpfeifern und Strandläufern anzusehen wären.
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