Rauchfußhühner (Tetraoininae)

[29] In den ersten dieser Unterfamilien vereinigen wir die Rauchfußhühner (Tetraoininae). Ihre Kennzeichen sind gedrungener, kräftiger Leib, kurzer, dicker, sehr gewölbter Schnabel und niedrige, starke Füße, deren Fußwurzeln mehr oder weniger befiedert sind, kurze oder höchstens mittellange Schwingen und kurzer, gerade abgeschnittener, ausnahmsweise aber auch verlängerter, keilförmig zugespitzter oder gegabelter Schwanz sowie reiches, dichtes Gefieder, welches nur über dem Auge oder am Hinterhalse kleine Stellen frei läßt, von denen diejenige über dem Auge mit rothen hornigen Plättchen bekleidet ist. Bei vielen Rauchfußhühnern tragen die Zehen eigenthümliche Horngebilde, sogenannte Fransen, welche man als verkümmerte Federn anzusehen hat.

Nach den Untersuchungen von Nitzsch sind für den inneren Bau der Waldhühner folgende Merkmale bezeichnend. Das Thränenbein verbreitert sich auf der Stirne und bildet eine starke, seitlich vorspringende Platte, während der absteigende Theil verkümmert. Der vordere und hintere Schläfendorn verbinden sich und umschließen eine Röhre, in welcher der Schläfenmuskel entspringt. Das Oberkieferbein ist sehr klein; die Gaumenbeine sind schmal und grätenartig, die hinteren Fortsätze der Unterkieferäste lang und aufwärts gekrümmt. Sieben Wirbel tragen breite und starke Rippen, deren vorderstes Paar falsch ist; die mittleren Wirbel verwachsen. Das Brustbein ähnelt dem der Tauben, ist jedoch am Halsrande mehr entwickelt, im ganzen mehr häutig als knöchern und sein Kamm minder hoch als bei den Tauben. Die Gabel verschmächtigt, das Schulterblatt verbreitert sich am freien Ende. Die Vorderglieder zeichnen sich durch die Breite des Vorderarmes und die Krümmung der Elnbogenröhre aus; Oberarm und Handtheil sind kürzer als der Vorderarm. Der marklose Knochen des Oberschenkels nimmt Luft auf. Ueber die Gaumenfläche verlaufen gezähnte Querleisten; die ziemlich gleich breite, oben flache und weiche, kurzgespitzte Zunge hat einen einfachen, hinten mit Eckfortsätzen versehenen Kern und länglichschmalen Zungenbeinkörper. Dem unteren Kehlkopfe fehlen eigene Muskeln. Der Kropf ist ansehnlich groß, der drüsenreiche Vormagen dickwandig, der Magen starkmuskelig. Die Blinddärme zeichnen sich durch ihre Länge aus. Eine rundliche, gallertartige, mit Zellgewebe bekleidete Masse belegt den unteren Theil der weichen Luftröhre und des Kehlkopfes.

Der Norden der Erde ist die Heimat der Rauchfußhühner. Sie verbreiten sich vom Himalaya und von den ostasiatischen Gebirgen an über ganz Asien und Europa, fehlen in Afrika gänzlich, treten aber wiederum, und zwar vielzählig, in Nordamerika auf. Waldungen bilden ihren bevorzugten Aufenthalt; einzelne bewohnen Steppen und Tundren, andere gebirgige Halden in der Nähe der Schneegrenze, ohne sich viel um Gebüsch oder Bäume zu kümmern. Alle, ohne Ausnahme, sind Standvögel, welche jahraus, jahrein in derselben Gegend verweilen und höchstens unregelmäßig streichen. Sie leben während der Brutzeit paarweise oder einzeln, sonst immer in Gesellschaften. Waldfrüchte mancherlei Art, Beeren, Knospen, Blätter, auch Nadeln des Schwarzholzes, Sämereien, Kerbthiere und Kerbthierlarven dienen ihnen zur Nahrung; einzelne fressen zeitweilig fast nur Blätter und Knospen, weil ihre arme Heimat ihnen dann kaum mehr bietet.

Die Rauchfußhühner dürfen wohlbegabte Vögel genannt werden, obwohl man sie nicht als hochstehende Hühner anzusehen hat. Sie gehen gut, schrittweise und sehr schnell, fliegen aber schwerfällig, unter rauschenden Flügelschlägen und, wie es scheint, mit Anstrengung, deshalb auch selten weit und niemals hoch. Ihre Sinne sind scharf, und zumal die beiden edelsten wohl entwickelt; die geistigen Fähigkeiten hingegen scheinen auf ziemlich tiefer Stufe zu stehen.

Einzelne Arten leben in geschlossener Ehe, die übrigen in Vielehigkeit. Die Paarungslust ist bei ihnen überaus lebhaft, und die Hähne leisten während der Paarungszeit außerordentliches durch Geberden und Laute, förmliches Vergessen der gewohnten Lebensweise und ein Benehmen, welches [29] wir toll nennen würden, wenn es uns nicht allzu anziehend erschiene. Dieses Liebesspiel ist so ausgeprägt, so eigenthümlich, daß es im Jägermunde unter dem Namen »Balze« oder »Falz« eine besondere Bezeichnung erhalten hat. Alle Arten vermehren sich stark. Das Weibchen legt acht bis sechzehn, einander sehr ähnliche, rein eiförmige, glattschalige und auf gilblichem Grunde braun gefleckte Eier. Ein eigentliches Nest wird nicht gebaut, an einem versteckten Plätzchen höchstens eine seichte Vertiefung ausgescharrt, und diese unordentlich mit etwas Genist, vielleicht auch mit einigen Federn ausgekleidet. Dagegen widmen sich die Hennen dem Brutgeschäfte mit regem Eifer, gehen erst dann vom Neste, wenn ihnen die augenscheinlichste Gefahr droht, gestatten, daß Veränderungen in der Nähe desselben vorgenommen werden, verlassen ihre Eier oder Küchlein überhaupt nie, bemuttern die ausgeschlüpften Jungen bis zum Flüggewerden mit der innigsten Zärtlichkeit, und setzen ohne Besinnen ihr Leben ein, wenn sie glauben, dadurch das der Küchlein retten zu können. Letztere wachsen sehr rasch heran, müssen aber mehrere, auch äußerlich sichtbare Entwickelungsstufen durchleben, bevor sie das Alterskleid anlegen. Aelter geworden, wechseln sie nicht bloß ihr Gefieder, sondern auch ihre Nägel, indem dieselben förmlich abgestoßen und nach und nach durch neue ersetzt werden, denen die alten bis zum Losfallen zum Schutze dienen. Nach mir mitgetheilten Beobachtungen verschiedener Auerhuhnpfleger erneuern gewisse Arten, so die Auerhühner, mit der Mauser sogar den hornigen Ueberzug des Schnabels, welcher zuerst in der Gegend der Nasenlöcher sich zu lösen beginnt und in kleinen Theilen absplittert, dessen Spitzentheil aber im ganzen abgeworfen wird.

Der Mensch ist es nicht gewesen, welchem wir die Erhaltung der Rauchfußhühner verdanken; denn er hat unter diesem edlen Wilde ärger gehaust als die schlimmsten Raubthiere und verfolgt es rücksichtslos noch heutigen Tages. Nur da, wo eine geordnete Forstwirtschaft eingeführt ist und das edle Waidwerk von zünftigen Grünröcken gehandhabt wird, genießen jene des ihnen so nothwendigen Schutzes; da, wo sie noch häufig sind, stellt ihnen jeder Bauer ohne Schonung, ohne Barmherzigkeit nach, und wahrscheinlich steht ihnen dort dasselbe Schicksal bevor wie in Mitteleuropa: sie werden nach und nach ausgerottet werden, wie der Stolz unseres Waldes, das Auerhuhn, in vielen Gauen und Gegenden bereits ausgerottet wurde. Dies ist zu beklagen, aber nicht aufzuhalten. Sie bringen zwar dem Forste keinen ersichtlichen Nutzen, verursachen aber auch nur ausnahmsweise wirklich empfindlichen Schaden und würden nach wie vor jenem zur Zierde gereichen können, wäre unser deutscher Wald nur noch als solcher zu bezeichnen. Die forstliche Bewirtschaftung desselben, nicht die rücksichtslose Verfolgung, gereicht ihnen zum Verderben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 29-30.
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