Flamming (Phoenicopterus roseus)

[339] Der Flamming, Pflug-, Scharf- oder Schartenschnäbler (Phoenicopterus roseus, antiquorum, antiquus, europaeus, platyrhynchus, Blythi und Andersoni), ist weiß, äußerst zart und schön rosenroth überhaucht, sein Oberflügel karminroth; die Schwingen sind schwarz. Das Auge ist gelb, der Augenring karminroth, der Schnabel an der Wurzel rosenroth, an der Spitze schwarz, der Fuß karminroth. Die Länge beträgt einhundertundzwanzig bis einhundertunddreißig, die Breite einhundertundsechzig bis einhundertundsiebzig, die Fittiglänge neununddreißig, die Schwanzlänge vierzehn Centimeter. Das Weibchen ist bedeutend kleiner, höchstens einhundertundzehn Centimeter lang und einhundertfünfundfunfzig Centimeter breit. Bei den Jungen ist das ganze Gefieder weiß, am Halse grau, auf dem Oberflügel gesprenkelt. Erst mit dem dritten Jahre geht dieses Kleid in das des alten Vogels über.

Die Länder um das Mittelländische und Schwarze Meer sind die Heimat des Flammings. Von hieraus verbreitet er sich südlich über den Norden des Rothen Meeres und andererseits bis gegen die Inseln des Grünen Vorgebirges hin. Ebenso tritt er in Mittelasien an den großen Seen ziemlich regelmäßig und an den Meeresküsten Südasiens auf. Auffallend ist seine Beschränkung auf gewisse Oertlichkeiten. Nach den Berichten der älteren und neueren Forscher erscheint er alljährlich massenhaft in den größeren Seen Sardiniens und Siciliens, ebenso in der Albufera bei Valencia und anderen spanischen Seen, ist häufig in allen Strandseen von Egypten, Tripolis, Tunis, Algerien und Marokko, nicht selten bei Smyrna, an der Wolga usw., kommt aber nur höchst selten in Griechenland vor. Vom Mittelmeere aus hat er sich schon einige Male nach Deutschland verflogen. Im März 1795 wurde ein Flamming am Neuburger See erlegt, 1728 einer am Altrhein bei Alzey geschossen; im Juni 1811 erschienen siebenundzwanzig Stück bei Kehl, von welchen sechs Stück erlegt wurden; am fünfundzwanzigsten Juni desselben Jahres sah man eine Anzahl dieser Vögel über Bamberg fliegen; vom vierzehnten bis sechzehnten Juli beobachtete man ihrer zwei auf einer Rheinaue bei Schierstein. Alle diese Irrlinge waren junge Vögel, welche verschlagen worden sein mußten. Streng genommen bildet das südliche Europa die nördliche Grenze seines Verbreitungskreises und Nordafrika und Mittelasien das eigentliche Wohngebiet.

Strandseen mit salzigem oder brackigem Wasser sind die Aufenthaltsorte, welche der Flamming allen übrigen vorzieht. Nach wirklich süßen Gewässern verirrt er sich nur, hält sich hier auch immer bloß kurze Zeit auf und verschwindet wieder. Dagegen sieht man ihn häufig im Meere [339] selbst, erklärlicherweise nur auf flachen Stellen, welche ihm gestatten, in gewohnter Weise sich zu bewegen. Er zählt zu den Strichvögeln, scheint aber so regelmäßig zu streichen, daß man bei ihm vielleicht auch von Ziehen reden kann. Schon Cetti erwähnt, daß die Flammings auf Sardinien zu einer bestimmten Zeit eintreffen und wieder weggehen; Salvadori vervollständigt diesen Bericht. Das auffallende ist jedoch, daß die Vögel, welche auf den Seen von Scaffa, Oristano und Molentargius bei Cagliari erscheinen, um die Mitte des August eintreffen und im März oder in den ersten Apriltagen wieder fortziehen. Salvadori bemühte sich, etwas über ihr Brutgeschäft zu erfahren, war aber nicht so glücklich, ein befriedigendes Ergebnis zu erlangen, und es scheint also, daß sie nicht oder wenigstens nicht regelmäßig in Italien brüten. Nach Afrika ziehen sie, und von Afrika her kommen sie geflogen; wahrscheinlich also brüten auch diejenigen, welche während des Winters in Italien leben, an den Strandseen des südlichen Mittelmeeres. Hier sind sie Standvögel, welche jahraus jahrein dieselben Seen bewohnen.


Flamming (Phoenicopterus roseus). 1/6 natürl. Größe.
Flamming (Phoenicopterus roseus). 1/6 natürl. Größe.

[340] Wer, wie ich, tausende von Flammings vereinigt gesehen hat, stimmt in die Begeisterung der übrigen Beobachter ein, denen das Glück wurde, ein so großartiges Schauspiel zu genießen, »Wenn man des Morgens von Cagliari aus gegen die Seen sieht«, schildert der alte Cetti, »scheint sie ein Damm von rothen Ziegeln zu umgeben, oder man glaubt eine große Menge von rothen Blättern auf ihnen schwimmen zu sehen. Es sind aber die Flammings, welche daselbst in ihren Reihen stehen und mit ihren rosenrothen Flügeln diese Täuschung bewirken. Mit schöneren Farben schmückte sich nie die Göttin des Morgens, glänzender waren nicht die Rosengärten des Pästus als der Schmuck, welchen der Flamming auf seinen Flügeln trägt. Es ist ein lebhaft brennendes Rosenroth, ein Roth erst aufgeblühter Rosen. Die Griechen benannten den Vogel von dieser Farbe der Flügeldeckfedern, die Römer behielten die Benennung bei, und die Franzosen hatten auch nichts anderes im Sinne als die brennendrothen Flügel, wenn sie unseren Vogel ›Flamant‹ nennen.« Mir wird der erste Eindruck, welchen die Flammings auf mich übten, unvergeßlich bleiben. Ich schaute über den weiten Mensalehsee hinweg und auf tausende und andere tausende von Vögeln, buchstäblich auf hunderttausende. Das Auge aber blieb haften auf einer langen Feuerlinie von wunderbarer, unbeschreiblicher Pracht. Das Sonnenlicht spielte mit den blendendweiß und rosenroth gefiederten Thieren, welche sie bildete, und herrliche Farben wurden lebendig. Durch irgend etwas aufgeschreckt, erhob sich die Masse; aus dem wirren Durcheinander, aus den lebendigen Rosen ordnete sich ein langer, mächtiger Zug in die Keilform der Kraniche, und nunmehr zog die Feuerlinie an dem blauen Himmel dahin. Es war ein Anblick zum Entzücken! Nach und nach ließen sie sich wieder herab, und von neuem stellten sie sich in altgewohnter Weise auf, so daß man wiederum meinen mußte, einen zahlreichen Truppenkörper vor sich zu haben. Das Fernrohr belehrt, daß die Flammings nicht eine Linie im strengsten Sinne des Wortes bilden, sondern nur auf weithin neben einander stehen; aus größerer Entfernung gesehen, erscheinen sie aber stets wie ein wohlgeordnetes Heer. Die Singalesen nennen ihre Flammings »englische Soldatenvögel«, die Südamerikaner geradezu »Soldaten«; ja Humboldt erzählt uns, daß die Einwohner Angosturas eines Tages kurz nach Gründung der Stadt in die größte Bestürzung geriethen, als sich einmal gegen Süden Reiher und »Soldatenvögel« erblicken ließen. Sie glaubten sich von einem Ueberfall der Indianer bedroht, und obgleich einige Leute, welche mit dieser Täuschung bekannt waren, die Sache aufklärten, beruhigte sich das Volk nicht ganz, bis die Vögel in die Luft flogen und der Mündung des Orinoko zustrebten.

Einzelne Flammings sieht man selten, vor Anfang der Paarungszeit wohl nie; es müßte sich denn ein junger, unerfahrener von dem Haupttruppe der Alten verflogen haben, wie ich auch beobachten konnte. Immer sind es Massen, welche gesellschaftlich auf einer und derselben Stelle ihrer Jagd obliegen und innerhalb des eigentlichen Heimatgebietes stets Massen von hunderten oder von tausenden. Derartige Gesellschaften vermeiden fast ängstlich, Stellen zu nahen, welche ihnen gefährlich werden könnten. Sie fischen im freien Wasser, welches ihnen nach allen Seiten hin Umschau gestattet oder hüten sich namentlich vor Schilfdickichten. Einem Boote, welches auf sie lossteuert, entweichen sie stets aus weiter Ferne; überhaupt schreckt sie alles fremdartige auf, und es ist deshalb nicht gerade leicht, ihr Freileben zu beobachten. Man sieht sie tagtäglich, ohne über ihr Treiben vollständig klar werden zu können, und nur mit Hülfe eines guten Fernrohres wird es möglich, sie zu beobachten. Gewöhnlich stehen sie bis über das Fersengelenk im Wasser; seltener treten sie auf die Düne oder auf Sandinseln heraus, am wenigsten auf solche, welche irgendwie bewachsen sind. Im Wasser und auf dem Lande nehmen sie die sonderbarsten Stellungen an. Der lange Hals wird eigenthümlich verschlungen, wie mein Bruder trefflich sich ausdrückt, verknotet vor die Brust gelegt, der Kopf dann auf den Rücken gebogen und unter den Schulterfedern der Flügel verborgen. Das eine Bein trägt dabei regelmäßig die Last des Leibes, während das andere entweder schief nach hinten weggestreckt oder zusammengeknickt an den Bauch angezogen wird. In dieser Stellung pflegt der Flamming zu schlafen; sie ist ihm eigenthümlich. Bei einer anderen [341] Stellung, welche stets von dem vollen Wachsein Kunde gibt, wird der Hals nach Art der Reiher S-förmig zusammengebogen, so daß der Kopf dicht über dem Nacken zu stehen kommt. Nur wenn der Flamming erschreckt oder sonstwie erregt wurde, erhebt er seinen Kopf so hoch, wie der lange Hals dies gestattet, und nimmt dann auf Augenblicke diejenige Stellung an, welche bei unseren Ausstopfern ganz besonders beliebt zu sein scheint. Ebenso sonderbar wie im Zustande der Ruhe, trägt er sich, wenn er mit Aufnahme seiner Nahrung sich beschäftigt. Er gründelt nach Art der Zahnschnäbler, aber in durchaus verschiedener Weise. Fischend wadet er in dem Wasser dahin und biegt seinen langen Hals so tief herab, daß der Kopf mit den Füßen auf dieselbe Ebene zu stehen kommt, mit anderen Worten, daß der Schnabel, und zwar der Oberschnabel, in den Schlamm eingedrückt werden kann. In dieser Weise untersucht er den Grund des Gewässers, bewegt sich dabei mit kleinen Schritten vor- und rückwärts und öffnet und schließt abwechselnd seinen Schnabel unter entsprechender Bewegung der Zunge. Vermöge des feinen Gefühls derselben wird alles, was in den Siebschnabel gelangt, geprüft und das zur Ernährung dienende von dem unbrauchbaren ausgeschieden oder richtiger abgeseiht. Durch das Trippeln mit den Füßen bringt er die kleinen Wasserthiere, von denen er sich ernährt, in Aufruhr und Bewegung.

Der Gang ähnelt der Gehbewegung hochbeiniger Wadvögel, ohne ihr jedoch zu gleichen. Jeder Storch, jeder Kranich, jeder Reiher geht anders als ein Flamming; der Unterschied in der Bewegung des einen und der anderen läßt sich aber schwer mit Worten ausdrücken: man kann höchstens sagen, daß die Schritte des Flammings langsamer, unregelmäßiger, schwankender sind als die der eigentlichen Wadvögel, was wohl in der Länge der Beine seinen hauptsächlichsten Grund haben mag. An gefangenen Flammings sieht man übrigens, daß ihm das Gehen sehr leicht wird, ganz im Gegensatze zu der oft ausgesprochenen Meinung einiger Forscher, welche sich verleiten ließen zu glauben, daß er sich beim Gehen mit dem Schnabel stützen müsse, weil sie sahen, daß er zuweilen auch auf dem Festlande seinen Kopf bis zum Boden herabbeugt. Allerdings benutzt er seinen Schnabel zur Stütze, aber nur dann, wenn er mit zusammengeknickten Beinen auf dem Boden ruhte, bezüglich lag und sich dann rasch aufrichten will. Ist dies einmal geschehen, so läuft er in der oben beschriebenen Weise ziemlich rasch dahin. Vor dem Auffliegen nämlich bewegt er sich gar nicht selten halb fliegend, halb laufend auf der Oberfläche des Wasser dahin, zwar nicht mit der Fertigkeit, welche der Sturmvogel an den Tag legt, aber doch ebenso gewandt, wie ein Wasserhuhn oder ein Entvogel dasselbe auszuführen vermag. Im tieferen Wasser schwimmt er, wie es scheint, ohne alle Anstrengung. Der Flug, welcher durch jenes Dahinlaufen über das Wasser eingeleitet zu werden pflegt, erscheint leicht, nachdem der Vogel sich einmal erhoben hat. Die ziemlich raschen Flügelschläge bringen ein ähnliches Geräusch hervor, wie wir es von Enten und Gänsen zu hören gewohnt sind; einige Berichterstatter vergleichen das Getön, welche eine plötzlich aufgescheuchte Flamminggesellschaft verursacht, mit fernem Donner. Auch der Ungeübteste oder der Neuling, wenn ich so sagen darf, würde den fliegenden Flamming nie zu verkennen im Stande sein. Gegen anderer Langhälse Art streckt dieser Vogel nämlich im Fliegen außer den langen Beinen auch den langen Hals gerade von sich und erscheint deshalb auffallend lang und schmächtig. An diese Gestalt sind nun die schmalen Flügel genau in der Mitte eingesetzt, und so nimmt der fliegende Flamming die Gestalt eines Kreuzes an. Eine größere Anzahl pflegt sich, wie das ziehende Kranichsheer, zu längerem Fluge entweder in eine Reihe oder in einen Keil zu ordnen, dessen Schenkel im Verlaufe des Fluges fortwährend sich ändern, weil immer einer der Vögel nach dem anderen den Vordermann ablöst. Aus größeren Höhen steigen die Flammings in weit ausgeschweiften Schraubenlinien hernieder, kurz vor dem Niederlassen schweben sie wie vor dem Auffliegen noch ein Stück über das Wasser dahin, bis sie im Stande sind, ihre Bewegung, soviel wie zum ruhigen Stehenbleiben erforderlich ist, zu verlangsamen.

Unter den Sinnen dürfte der Geschmack mit dem Gesichte auf gleicher Stufe stehen; aber die nervenreiche Zunge dient zugleich als Tastwerkzeug, und der Tastsinn wird durch die weiche Hautbekleidung [342] des Schnabels gewiß noch sehr unterstützt, so daß also auch das Gefühl wohl ein sehr entwickeltes genannt werden darf. Möglicherweise werden die gedachten Sinnesthätigkeiten auch durch den Geruch erhöht; doch können hierüber selbstverständlich nur Muthmaßungen herrschen. Ueber die Schärfe des Gehöres läßt sich mit Sicherheit ebensowenig ein Urtheil fällen, wohl aber soviel sagen, daß es wenigstens nicht verkümmert ist. So erscheint der Flamming als ein sinnenscharfes Geschöpf, und damit steht denn auch seine geistige Begabung im Einklange. Schon der für einen Vogel seiner Art große Kopf deutet auf besondere Entwickelung des Gehirnes hin, und die Beobachtung straft die Annahme höherer Geistesfähigkeiten nicht Lügen. Er ist immer vorsichtig und unter Umständen sehr scheu. Er unterscheidet genau ein ihm gefährliches Wesen von anderen, unschädlichen. Eine Herde läßt ein Boot niemals so nahe an sich herankommen, daß mit Erfolg auf sie geschossen werden könnte; die ältesten der Gesellschaft halten Tag und Nacht Wache und sind nicht so leicht zu überlisten. Nur die einzelnen Jungen sind selten scheu, ihnen mangelt noch die den Alten gewordene Erfahrung. Aber der Flamming gewöhnt sich auch rasch an diejenigen Wesen, welche ihm früher als Feinde erschienen, eingefangen z.B. an den Menschen und zumal an den, welcher sich viel mit ihm beschäftigt; er gewinnt diesen schließlich lieb. An gefangenen habe ich erfahren, daß sie ihren Wärter genau von anderen Leuten unterscheiden. Leichter als andere frischgefangene Vögel lassen sie sich behandeln, in ihre Ställe treiben, von einem Orte zum anderen bringen; leicht gewöhnen sie sich an die Gesellschaft fremdartiger Thiere. Hierzu trägt freilich ihr äußerst friedliches Wesen das meiste bei. Nur in einer Hinsicht erscheint der Flamming wenig begabt: seine Stimme ist ein rauhes, heiseres »Krak«, ein gleichsam mühselig hervorgebrachtes Gekrächze, jedes Wohlklanges bar, welche zeitweilig mit einem gänseartigen, höher klingenden Geschreie, gleichsam dem überschnappenden »Krak«, abwechselt.

Der Flamming lebt von kleinen Wasserthierchen, insbesondere von einschaligen Muscheln, welche er durch Gründeln gewinnt, Würmern verschiedener Art, Krebsen, kleinen Fischchen und gewissen Pflanzenstoffen. Gefangene können mit gekochtem Reis, ein gequelltem Weizen, Gerstenschrot, eingeweichtem Brod und Teichlinsen längere Zeit erhalten werden, bedürfen jedoch, um sich wohl zu befinden, einen Zusatz von thierischen Stoffen. Bei derartig gemischter Nahrung halten sie viele Jahre in der Gefangenschaft aus. Es verdient bemerkt zu werden, daß ihr Gefieder den zarten Rosenhauch verliert, wenn man ihnen längere Zeit ausschließlich Pflanzennahrung reicht, wogegen sie ihre volle Schönheit zurückerhalten, wenn man die Futtermischung der von ihnen selbst während des Freilebens gesuchten Nahrung möglichst entsprechend wählt.

Ueber die Fortpflanzung des Flammings und seiner Verwandten sind wir immer noch nicht genügend unterrichtet. Labat gab zuerst eine sonderbare Schilderung der brütenden Vögel; Dampier bestätigte sie; die späteren Forscher schrieben sie nach, ohne an ihrer Wahrheit zu zweifeln. »Die Flammings« gibt Dampier an, »bauen ihr Nest in Sümpfen, in denen es viel Koth gibt, indem sie diesen mit den Füßen zusammenhäufen und kleine Erhöhungen bilden, welche Inselchen gleichen und sich anderthalb Fuß über das Wasser erheben. Diese Hügel sind kegelförmig und enthalten oben auf dem Gipfel die Nistmulde.« Labat sagt, sie seien fest, soweit sie im Wasser stehen, oben aber hohl wie ein Topf. »Wenn sie legen oder brüten, so sitzen sie aufrecht, nicht auf dem Hügel, sondern ganz daneben, mit den Füßen auf dem Grunde und im Wasser, indem sie sich an ihren Kegel anlehnen und ihr Nest mit ihrem Schwanze bedecken.« Auch Pallas drückt sich dahin aus, daß sie an den Hügel herantreten und so die Eier bedecken, sagt aber nicht, ob er aus eigener Anschauung spricht oder vorstehendes einfach wiederholt. Naumann bezweifelte diese Angaben auf das entschiedenste, und ich bin durch meine Beobachtungen an lebenden Vögeln zu demselben Ergebnisse gekommen, obgleich ich nicht so glücklich war, jemals einen Flamming beim Brüten zu sehen, und eben nur behaupten kann, daß der Vogel am Mensalehsee in Egypten brütet, weil ich, und zwar im Mai, in dem Legschlauche eines getödteten Weibchens ein vollkommen reifes Ei gefunden habe. Gegen die kegelförmige Gestalt der im Wasser stehenden Nester lassen sich, [343] den übereinstimmenden Angaben früherer und späterer Reisenden gegenüber, kaum Zweifel erheben, wohl aber gegen die beschriebene Art der Bebrütung. Das Thatsächliche rücksichtlich des Brutgeschäftes scheint folgendes zu sein. Der Flamming legt sich sein Nest inmitten des Wassers selbst auf seichten Stellen, nach Versicherung der Araber hingegen auf flachen, mit sehr niederem Gestrüppe bewachsenen Inseln an. Im ersteren Falle ist das Nest ein kegeliger Haufen von Schlamm, welcher mit den Füßen zusammengescharrt, wahrscheinlich durch Wasserpflanzen und dergleichen gedichtet und so hoch aufgerichtet wird, daß die Mulde bis zu einem halben Meter über dem Wasserspiegel liegt, im letzteren Falle nur eine seichte, im Boden selbst ausgescharrte Mulde, in welcher man, wie mir die Araber erzählten, eine dürftige Lage aus Schilf und Rohrblättern findet. Die Anzahl der Eier beträgt gewöhnlich zwei; es mag jedoch vorkommen, daß auch einmal ihrer drei in einem Neste liegen. Sie sind sehr gestreckt, meist ungleichhälsig, haben eine weiche, kreidige und ebene Schale und sehen kalkweiß aus. Der Vogel brütet unzweifelhaft, indem er sich mit zusammengeknickten Beinen auf das Nest setzt; es kann jedoch geschehen, daß er zuweilen eines seiner Beine nach hinten ausstreckt und über den Rand des Nestes hinabhängen läßt. Die Zeit der Bebrütung soll dreißig bis zweiunddreißig Tage währen, und das Weibchen sein Männchen durch lautes Schreien zum Wechseln einladen. Die Jungen sollen bald nach dem Ausschlüpfen ins Wasser geführt werden, hier vom ersten Tage ihres Lebens an umherschwimmen und bald auch sehr fertig laufen können, aber erst nach mehreren Monaten flugfähig sein.

John Wilhelm von Müller behauptet, gehört zu haben, daß der Flamming in der Camargue vor einigen Jahren häufig gebrütet habe, so daß ein Franzose manchmal größere Karren voll Eier wegfahren konnte, fügt dieser offenbaren Unwahrheit auch hinzu, daß er dies sehr wohl glaube, da die Flammings stets gesellschaftlich in langen Reihen auf der Erde nisten sollen und man also die Eier leicht einsammeln könne. Andere Forscher sind minder glücklich gewesen mit dem, was sie erfahren konnten; Salvadori hat sich vergeblich bemüht, etwas über das Brutgeschäft des von ihm oft beobachteten Vogels zu erkunden, und zwar wiederholt mausernde Junge in den Händen gehabt, niemals aber ein Nest oder Eier finden können, obwohl den Fischern die Sache vielfach empfohlen worden war. »Die Nachforschungen der letzteren«, sagt er, hätten erleichtert werden müssen durch die seltsame Form des Nestes, welches in einem nicht sehr großen See, wie der von Scaffa, schwer unbemerkt hätte bleiben können, zumal einer so großen Anzahl Fischern so viele Jahre hindurch.

Die Jagd des Flamming erfordert äußerste Vorsicht. Bei Tage läßt ein Heer der ängstlichen Geschöpfe den Jäger nicht einmal auf Büchsenschußweite an sich herankommen; beim Nahrungsuchen halten stets mehrere der älteren Wache und warnen die Gesammtheit beim Herannahen einer Gefahr. Nachts hingegen lassen sie sich leichter berücken. Salvadori versichert, daß es dann nicht schwer sei, sie mit Schroten zu schießen, und die Araber erzählen mir, daß man sie noch einfacher erbeuten könne. Man spannt nachts zwischen zwei Barken gewöhnliche Fischnetze aus und segelt mit ihnen unter eine Flammingherde; die erschreckten Thiere fliegen auf, verwickeln sich in den Netzen und werden von einigen Bootsleuten ausgelöst. Auf diese Weise erlangt man zuweilen funfzig und noch mehr aus einer Gesellschaft. Eine viel sonderbarere Fangart erzählten mir die Fischer am Mensalehsee. Nachdem man durch längeres Beobachtenden Schlafplatz einer Herde genau erkundet hat, nähert man sich des Nachts höchst behutsam auf einem aus Rohrstengeln zusammengebauten Floße und sucht den wachthabenden zu entdecken. Dieser steht aufrecht da, während die anderen den Kopf unter den Flügeln verborgen haben und schlafen. Ein entkleideter Fischer schwimmt und kriecht nun halb über, halb unter dem Wasser, gedeckt durch ein Bündel Riedgras, welches er vor sich hertreibt, zu dem wachthabenden heran, packt ihn rasch, drückt ihm den Hals unter das Wasser, tödtet ihn durch Umdrehen des letzteren, die übrigen greifen noch einige mit den Händen, tödten sie in gleicher Weise und binden sie an eine lange Schnur fest. Ich würde diese Erzählung nicht geglaubt haben, wenn ich mir das Ergebnis ihrer Jagden anderweitig hätte erklären können. Auf [344] den Märkten der nordegyptischen Städte findet man den schönen Vogel oft zu Dutzenden, weil er als Wildpret sehr beliebt ist. Die alten Schriftsteller erzählen, daß die Römer das Fleisch, insbesondere aber Zunge und Hirn außerordentlich hochschätzten und von dem letzteren ganze Schüsseln voll auftragen ließen. Ich habe Fleisch und Zungen selbst versucht und beides wohlschmeckend, die Zunge aber wirklich köstlich gefunden. Von dem thranigen oder fischigen Geschmacke, welchen das rosenröthliche Fleisch besitzen soll, habe ich nichts bemerkt, einen gebratenen Flamming vielmehr selbst an dem an Wildpret so reichen Mensalehsee stets als vortreffliches Gericht betrachtet.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 339-345.
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