Simbil (Ciconia Abdimii)

[355] Der Hausstorch Innerafrikas, welcher wegen seines theilweise nackten Gesichtes als Vertreter einer besonderen Untersippe (Sphenorhynchus) angesehen wird, »Simbil« der Sudânesen [355] (Ciconia Abdimii, Sphenorhynchus Abdimii, Abdimia sphenorhyncha), ist dem Schwarzstorche ungemein ähnlich, jedoch beträchtlich kleiner, auf Kopf und Hals schwarz, mit Purpurglanz, auf dem Mantel, einschließlich der Schwingen und der Steuerfedern, schwarz, grün glänzend, auf der Unterseite weiß. Das Auge ist braun, die nackte Stelle um dasselbe blau, das nackte Gesicht und die Kehle roth, der Schnabel grünlich, an der Spitze roth, der Fuß braungrau, an den Gelenken blaßroth. Die Länge beträgt fünfundsiebzig, die Breite einhundertundsechzig, die Fittiglänge fünfundvierzig, die Schwanzlänge neunzehn Centimeter.

Von Dongola an bis nach Südafrika bewohnt der Abdimstorch oder Simbil der Sudânesen geeignete Oertlichkeiten Mittelafrikas in erheblicher Anzahl, während der Brutzeit aber nur die Dörfer; jedoch nistet er selten auf den Häusern selbst, vielmehr regelmäßig auf benachbarten Bäumen, im Süden hauptsächlich auf Mimosen, und zwar in Gesellschaften, welche zuweilen förmliche Ansiedelungen bilden, da man bis dreißig Nester auf einem und demselben Baume finden kann.


Simbil (Ciconia Abdimii). 1/4 natürl. Größe.
Simbil (Ciconia Abdimii). 1/4 natürl. Größe.

Die Eier, welche in Form und Größe vielfach abwechseln, sind kleiner als die unseres Storches, nur fünfundfunfzig Millimeter lang und vierzig Millimeter dick, denselben aber ähnlich, und sehen unausgeblasen lichtblau aus. Für den mit den Sitten des Volkes nicht vertrauten [356] Reisenden ist es sehr schwer, solche Eier zu erhalten, weil die Schädigung des heiligen Vogels als ein Verbrechen angesehen wird, welches die ganze Bevölkerung eines Dorfes in Aufruhr bringt. Doch gibt es ein einfaches Mittel, das Volk zu beruhigen und – zu bethören, indem man vorgibt, daß man die Eier zur Bereitung heilsamer Arzneien gebrauchen wolle und gebrauchen müsse, da selbstverständlich nur die eines heiligen Vogels ersprießliche Wirksamkeit äußern könnten. Dieses leuchtet ein, und die Bevölkerung ist dem Forscher dann wohl selbst behülflich.

Hinsichtlich seiner Lebensweise unterscheidet sich der Simbil so wenig von unserem Hausstorche, daß seine Lebensschilderung auf wenige Worte sich beschränken darf. Auch er gehört zu den Wandervögeln, erscheint kurz vor der Regenzeit, brütet und verläßt das Land nach derselben mit seinen im Oktober flügge gewordenen Jungen wieder. Sein Erscheinen wird von dem Dörfler mit Freude begrüßt, sein Verschwinden mit Kummer begleitet. Während seines Aufenthaltes im Lande verkehrt er traulich mit dem Menschen, klappert ihm förmlich Grüße zu und erkennt vollständig die ihm gewährte Gastfreundschaft. Seine Nahrung, vorzugsweise Heuschrecken, laut Heuglin ebenso andere Kerbthiere, Skorpione, Taranteln, Würmer, Schnecken, Frösche und kleine Kriechthiere, sucht er in der Steppe zusammen, erscheint daher regelmäßig auch bei Bränden. Wenn er, Futter suchend, bedächtig im Steppengrase dahinschreitet, setzt sich ihm oft der Scharlachspint (Bd. IV, S. 325) auf Kopf und Rücken, um von hier aus die von ihm aufgetriebenen fliegenden Kerfe zu fangen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 355-357.
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