Sechzehnte Familie: Wasserhühner (Fulicidae)

[426] Die Wasserhühner (Fulicidae), etwa vierzig über alle Theile der Erde verbreitete, in einer besonderen Familie vereinigte Arten, stehen den Rallen so nahe, daß sie von einzelnen Forschern, wohl mit Recht, als solche betrachtet werden. Sie kennzeichnen kräftiger Leib, mittellanger Hals, großer Kopf, kurzer, meist kräftiger, hoher, dicker, auf der Firste gebogener Schnabel mit nackter Stirnschwiele, kräftige, mittelhohe Füße, deren Zehen entweder sehr lang oder seitlich mit Lappen besetzt sind, sehr kurze Flügel, unter deren Schwingen die dritte oder vierte die längste zu sein pflegt, sehr kurzer Schwanz und reiches, weiches, wasserdichtes, weitstrahliges, mehr oder weniger einfarbiges Gefieder. Der innere Bau ähnelt dem der Rallen.

Alle Arten dieser Familie bewohnen schilfreiche Seen, größere Sümpfe und Brüche, Teiche und pflan zenbedeckte Flußufer, immer aber süße Gewässer, treiben sich viel im Schilfe und noch mehr auf dem pflanzenbedeckten Wasserspiegel umher, sind im Laufen weniger geschickt als die Rallen, übertreffen diese aber durch ihre bedeutende Schwimm- und Tauchfertigkeit und ähneln ihnen hinsichtlich ihres schwerfälligen, wankenden und ermüdenden Fluges. Auch sie gehören nicht zu den verträglichen Vögeln, sondern behaupten eifersüchtig das einmal gewählte Gebiet, vertreiben aus ihm jeden anderen ihrer Art, wenn sie können, auch andere Vögel überhaupt, und beweisen dabei einen mit ihrer geringen Größe außer allem Verhältnisse stehenden Muth. Kleine Vögel fallen auch sie mörderisch an, und den Bruten werden sie sehr schädlich. Dagegen zeigen sie sich äußerst zärtlich gegen ihren Gatten, und die Eltern ungemein anhänglich und hingebend gegen die Brut. Ihr aus Schilf- und Rohrblättern kunstlos zusammengebautes Nest legen sie stets im oder wenigstens in der Nähe von Schilf an, oft so, daß es auf dem Wasserspiegel schwimmt. Das Gelege besteht aus vier bis zwölf glattschaligen, gefleckten und gepunkteten Eiern. Die Jungen kommen in einem äußerst zierlichen, dunkel gefärbten Dunenkleide zur Welt. Nach der Brutzeit verlassen alt und jung gemeinschaftlich die Heimat und wenden sich entweder südlicheren oder in anderer Hinsicht günstigeren Gegenden zu, hier die Mauser verbringend.

Da die Nahrung der Wasserhühner zum größten Theile aus Pflanzenstoffen besteht, lassen sich alle Arten leicht an ein Ersatzfutter gewöhnen und mit diesem jahrelang erhalten, werden ungemein zahm, gewöhnen sich zum Aus- und Einfliegen, gehen oder folgen ihrem Pfleger bei dessen Ausflügen auf dem Fuße nach und belästigen nur dadurch, daß sie, wenigstens die größeren Arten, nach Raubvogelart junges Geflügel überfallen und tödten.

Das Wildpret steht an Wohlgeschmack dem anderer Sumpf- und Wasservögel zwar bedeutend nach, gibt aber, gehörig zubereitet, immerhin ein leidliches Gericht. Dazu kommt, daß einzelne da, wo sie massenhaft auftreten, wirklichen Schaden anrichten und schon deshalb auch Verfolgung abseiten des Menschen rechtfertigen. Außerdem haben diese Vögel viel von den Nachstellungen des Raubzeuges, insbesondere der Falken, zu leiden, obgleich sie sich durch geschicktes Tauchen oder Verbergen im Schilfe ihren Feinden oft zu entziehen wissen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 426.
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