Zwergpurpurhuhn (Porphyrio Alleni)

[428] Ebenso darf das in Mittel-, West-, Ost- und Südafrika heimische, auch schon in Marokko vorkommende Zwergpurpurhuhn (Porphyrio Alleni und minutus, Gallinula Alleni und mutabilis, Hydrornia porphyrio), welches als Vertreter einer gleichnamigen Untersippe (Hydrornia) gilt, einer Aufzählung der Europa besuchenden Vögel nicht fehlen, da ein Junges, laut Bolle, im Jahre 1857 bei Lucca, ein anderes, nach uns gegebener Versicherung Guirao's, einige Jahre früher an der Albufera bei Valencia erbeutet wurde. Kopf, Kinn, Schenkel und Steißgegend sind schwarz, Mantel, Schultern und Flügeldecken bräunlich ölgrün, Bürzel und Oberschwanzdecken dunkel olivenfarben, Hals, Brust und Bauch dunkel kobaltblau, die Schwingen olivenbraunschwarz, grünlich gerandet, die mittleren Schwanzfedern bräunlich olivengrün, die übrigen schwärzlichen so gerandet, die Unterschwanzdecken weiß. Das Auge ist ziegelroth, der Schnabel korallroth, die Stirnplatte braungrün, der Fuß dunkel rosenroth. Junge Vögel sind oberseits bräunlich, auf dem Oberflügel grün, hier wie dort durch gelbbraune Federränder gezeichnet, unterseits bräunlichgelb, an der Kehle heller, in der Weichengegend kobaltblau, auf dem Bürzel schwärzlich. Die Länge beträgt sechsundzwanzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge sechs Centimeter.

Alle Sultanshühner bewohnen vorzugsweise Sümpfe, in deren Nähe Getreidefelder liegen, oft auch die Reisfelder selbst, welche ja beständig überschwemmt gehalten werden und deshalb wahre Sümpfe sind. In ihrem Betragen erinnern sie am meisten an unser Teichhühnchen, tragen sich aber stolzer und schreiten würdevoller dahin. Ihr Gang ist abgemessen, jedoch zierlich. Ein Bein wird bedachtsam vor das andere gesetzt, beim Aufheben der Fuß zusammengelegt, beim Niedersetzen aber wieder so ausgebreitet, daß die Zehen eine verhältnismäßig bedeutende Fläche einnehmen, jeder Schritt außerdem mit einem Wippen des Schwanzes begleitet. Uebrigens ist das Sultans huhn ebenso wie das Teichhühnchen fähig, halb flatternd, halb laufend über eine schwankende Decke von schwimmenden Pflanzen wegzurennen. Das Schwimmen versteht es sehr gut, geht nicht bloß gezwungen, sondern, wie das Teichhühnchen, oft und gern ins Wasser, liegt leicht auf den Wellen und rudert mit anmuthigem Neigen des Hauptes dahin. Im Fluge zeichnet es sich bloß durch seine Schönheit, nicht aber durch die Leichtigkeit der Bewegung vor den Verwandten aus. Es erhebt sich ungern in die Luft, flattert unbehülflich eine Strecke fort und fällt dann rasch wieder auf den Boden herab, am liebsten in hohes Schilf, Ried oder Getreide, um hier sich zu verbergen. Seine langen, rothen Beine, welche es, wenn es fliegt, herabhängen läßt, zieren es übrigens sehr und [428] kennzeichnen es von weitem. Die Stimme erinnert an das Gackern oder Glucksen der Hühner, aber auch an die unseres Teichhühnchens, nur daß sie stärker und tiefer klingt. Ueber die geistigen Fähigkeiten lautet das Urtheil der Beobachter verschieden. Eigentlich scheu kann man die Purpurhühner nicht nennen; vorsichtig aber sind sie doch, und Verfolgung macht sie bald ungemein ängstlich. Temminck erzählt, einen Bericht Cantraine's wiedergebend, daß das Purpurhuhn, wenn es sich bedroht sähe, seinen Kopf in den Sumpf stecke und sich dann geborgen wähne: alle übrigen Forscher wissen hierüber nichts, und auch die Araber, denen dieses Betragen gewiß aufgefallen sein würde, haben mir etwas ähnliches nicht mitgetheilt. Auf meine Beobachtungen gestützt, kann ich nur sagen, daß die Dickme auch in ihrem Wesen dem Teichhühnchen ähnelt, wie dieses paarweise zusammenhält, Gesellschaft mit anderen ihrer Art aber meidet und deshalb sich stets ein bestimmtes Gebiet abgrenzt, innerhalb dessen sie kein anderes Pärchen duldet. Das Purpurhuhn wird sich wohl auch nicht anders betragen.

Zeitweilig fressen die Sultanshühner nur Pflanzenstoffe, und zwar frisch aufsprossendes Getreide oder Grashalme überhaupt, Blätter und verschiedene Sämereien, vorzugsweise Reis; während der Brutzeit aber schleichen sie beständig im Sumpfe umher, suchen Nester auf, plündern diese, begnügen sich keineswegs mit den Bruten schwächerer Vögel, sondern rauben selbst die Gelege stärkerer, werden dadurch also sehr schädlich. In allen Sümpfen, welche Purpurhühner beherbergen, findet man beim Nachsuchen Massen von zerbrochenen Eierschalen, und angefangenen Sultanshühnern beobachtet man sehr häufig Raubgelüste der verschiedensten Art. Wie die Raubvögel lauern sie auf Sperlinge, welche von ihrem Futternapfe naschen wollen, und wie eine Katze vor den Löchern der Mäuse. Ein einziger Hieb des kräftigen Schnabels genügt, dem Opfer den Garaus zu machen; dann wird es mit einem Beine gepackt, festgehalten, zerrissen und die Bissen mit dem Fuße zum Munde gebracht. Fische verzehren sie mit Begierde.

Vor der Brutzeit halten sich die Purpurhühner am liebsten in Reisfeldern auf, während der Nistzeit selbst siedeln sie sich, wo sie können, im Röhrichte oder Schilfe an. Das Nest steht ziemlich verborgen, in der Regel auf dem Wasserspiegel selbst, ist von dürren Gras- und Reisstengeln, Schilf und Rohrblättern errichtet, etwas liederlich zusammengebaut, dem unseres Wasserhuhnes entfernt ähnlich, und enthält im Mai drei bis fünf Eier. Letztere sind etwas größer als Birkhühnereier, durchschnittlich fünfundfunfzig Millimeter lang, achtunddreißig Millimeter dick, haben eine schöne längliche Eigestalt, glatte, aber wenig glänzende Schale und tragen auf dunkelsilbergrauem, fleischfarbigem oder rothgrauem Grunde violettgrauliche Unter- und rothbraune, sehr einzeln stehende Oberflecke. Die Jungen entschlüpfen in einem schwarzblauen Dunenkleide, lernen bald schwimmen und untertauchen, werden von beiden Eltern geführt, mit warmer Zärtlichkeit überwacht und bei Gefahr gewarnt. An Sultanshühnern, welche ich pflegte, beobachtete ich, daß beide Geschlechter bauen, abwechselnd brüten und gemeinschaftlich die Jungen führen. Doch hütet das Männchen nur so lange das Nest, als das Weibchen bedarf, um sich zu sättigen, hält dafür aber, während dieses brütet, treue Wacht und greift jeden gefiederten Ankömmling, am heftigsten seinesgleichen an. Nach achtundzwanzigtägiger Bebrütung entschlüpfen die Jungen, bedürfen jedoch noch mehrtägiger Pflege im Neste, bevor sie dasselbe verlassen können, und werden bis dahin von der Mutter gehudert und sorgfältig mit den Stoffen geatzt, welche das Männchen für sie und die Gattin herbeibringt. Später nimmt auch der Vater an der Atzung theil, faßt, wie er es der Mutter abgesehen, ein Bröcklein Nahrung so behutsam mit der Schnabelspitze, daß es an dieser nur zu kleben scheint, beugt sich nach unten und hält den Jungen so lange solchen Bissen vor, bis diese sich entschließen, letzteren vom Schnabel abzupicken. Erst am achten Tage ihres Lebens verlassen die Küchlein das Nest, beginnen, holperig trippelnd, umherzulaufen, lernen nach und nach gehen, endlich laufen, lassen sich nun entweder von der Mutter allein oder theils von dieser, theils vom Vater führen, entschließen sich aber erst sehr spät, selbst Futterstoffe aufzunehmen. Ihr bis auf den lebhaft rostrothen Flügelrand und einige zimmetrothe Stellen auf dem Kopfe kohlschwarzes Dunenkleid [429] lichtet sich zuerst auf dem Bauche und wird dann allmählich durch das Jugendkleid ersetzt, welches auf der Oberseite dem Alterskleide ähnelt, auf der Unterseite aber bräunlich fahlgrau aussieht und ohne Federwechsel zum Altersklei de sich ausfärbt. Gleichzeitig werden auch der hellblaue Schnabel sammt Kopfplatte und die schwarzblauen Füße allgemach roth. Im December tritt die erste Mauser ein, und nach ihr sind die Jungen von den Alten nicht mehr zu unterscheiden.

Alle Sultanshühner lassen sich leicht zähmen, gewöhnen sich bald an allerlei Futter, an die Hausgenossen, leben friedlich mit den Hühnern, vorausgesetzt, daß diese erwachsen sind, treiben sich, wenn man ihnen größere Freiheit gibt, in Hof und Garten oder auf der Straße umher, kommen in die Zimmer, betteln bei Tische und werden dann wirklich zu einer wahren Zierde des Gehöftes, dauern auch lange Jahre aus und schreiten bei geeigneter Pflege leicht zur Fortpflanzung.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 428-430.
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