Pfauenkranich (Balearica pavonina)

[398] Der Pfauenkranich (Balearica pavonina, Grus pavonina und balearica, Ardea, Anthropoides und Geranarchus pavonina) ist schwarz, seine Krone goldgelb und schwarz gemischt; die Flügeldeckfedern sind rein weiß, die Oberarmschwingen rostbraun, die letzten goldgelb. Das Auge ist weiß, die Wange oben licht fleischfarben, unten hochroth, der Schnabel schwarz, an der Spitze weißlich, der Fuß schwarzgrau. Im Leben liegt ein bläulicher Duft über dem Gefieder, weshalb dieses graulich erscheint. Die Länge beträgt neunundneunzig, die Breite einhundertachtundachtzig, die Fittiglänge einundfunfzig, die Schwanzlänge zweiundzwanzig Centimeter.

Die Alten nannten den Pfauenkranich balearischen Vogel oder Kranich, und die neueren Naturforscher glaubten deshalb annehmen zu dürfen, daß er auf gedachter Insel gefunden wird; [398] einzelne, z.B. Degland, geben auch Sicilien und insbesondere die Insel Lampedosa als Fundorte an. Ich bezweifle die Richtigkeit der letzteren Angabe, obgleich ich mir wohl bewußt bin, daß der gewissenhafte Tristram einmal zwei Pfauenkraniche in der nördlichen Sahara beobachtet hat. Die Heimat des Vogels ist Mittelafrika, ungefähr vom sechzehnten Grade nördlicher Breite an nach Süden. In Südafrika wird er durch eine nahe verwandte Art vertreten; in östlicher Richtung dehnt sich sein Verbreitungskreis über ganz Afrika. Er ist häufig im Westen und gehört im Osten, wenigstens vom funfzehnten Grade an nach Süden hin, zu den regelmäßigen Erscheinungen. Hier bewohnt er nach meinen Beobachtungen paar- oder gesellschaftsweise die mit Gebüsch bedeckten flachen Ufer der Ströme oder die dünner bestandenen Waldungen, kommt aber täglich auf die Strominseln, um hier zu trinken und zu tanzen. Während der Regenzeit begegnet man ihm paarweise, sonst in Gesellschaften, welche zuweilen mehr als hundert Stück zählen. Diese Schwärme gesellen sich auch wohl zu den im Sudân überwinternden Scharen des grauen und Jungfernkraniches, treten aber nie in engere Verbindung mit ihnen und scheinen von ihren sogenannten Verwandten zwar geduldet, kaum aber gern gesehen zu werden.

In seinem Wesen erinnert der Pfauenkranich nur entfernt an seine Namensvettern. Sein Gang ist aufrecht; der Rücken wird dabei wenig gekrümmt, die Krone aufgerichtet. In der Regel geht er langsam; geängstigt aber kann er, wie mich flügellahm geschossene belehrten, so schnell laufen, daß ein Mensch sich sehr anstrengen muß, wenn er ihn einholen will. Vor dem Aufstehen rennt er mit geöffneten Flügeln ein Stück auf dem Boden dahin und erhebt sich erst dann in die Luft. Sein Flug ist langsam; die Flügel werden in gemessenen Schlägen bewegt; der Hals wird weit vorgestreckt, die Krone nach hinten zurückgelegt. Aber gerade der fliegende Pfauenkranich zeigt sich in seiner vollen Pracht, weil die beiden Hauptfarben, schwarz und weiß, jetzt zur Geltung kommen. Verwechseln kann ihn derjenige, welcher ihn einmal sah, mit keinem anderen Sumpfvogel. Auch der laufende Pfauenkranich ist eine anziehende Erscheinung, namentlich wenn er sich auf einer grünen Fläche oder zwischen grünem Gebüsche bewegt. Höchst eigenthümlich sind die tanzartigen Bewegungen, welche er bei jeder Erregung zum besten gibt. Pfauenkraniche, welche auf einer Sandfläche stehen, beginnen zu tanzen, so oft eine ungewöhnliche Erscheinung sie beschäftigt, so oft einer zu dem großen Haufen stößt usw. Der Tänzer springt in die Höhe, nicht selten meterhoch vom Boden auf, breitet dabei die Flügel ein wenig und setzt die Füße tanzend nieder, nicht immer beide gleichzeitig, sondern zuweilen einer um den anderen. Ob beide Geschlechter tanzen, weiß ich nicht, glaube jedoch annehmen zu dürfen, daß nur das Männchen in dieser Weise sich belustigt. Die Stimme ist ein lauter Ruf, welcher durch den arabischen Namen des Vogels »Rharnuk«, ein Klangbild des Geschreies, ziemlich richtig wiedergegeben wird; man vernimmt sie im Walde auf eine Entfernung von zwei Kilometer. Die Nahrung besteht fast ausschließlich aus Sämereien, während der Reife des Getreides nur aus Durrah oder Kafferhirse, sonst aus verschiedenen Körnern, insbesondere aus den Samen einiger Grasarten; nebenbei nimmt der Vogel Baumknospen, Grasspitzen, Früchte und Kerbthiere, ausnahmsweise vielleicht auch Muscheln und kleine Fischchen zu sich, ohne jedoch Entbehrung zu bekunden, wenn diese Nahrung ihm fehlt.

Das tägliche Leben des Pfauenkraniches ist ein sehr geregeltes. Von dem Schlafplatze aus zieht er mit Sonnenaufgange in die Steppe hinaus, verweilt hier, Futter suchend, ungefähr zwei Stunden, erscheint sodann auf den Sandbänken im Strome, trinkt, putzt sich das Gefieder und vergnügt sich in der angegebenen Weise. Zuweilen wird in den Nachmittagsstunden ein kurzer Ausflug gemacht; in der Regel jedoch genügt die Morgenmahlzeit für den ganzen Tag. Gegen Abend theilen sich die Herden in kleinere Trupps, und diese fliegen nun gemeinschaftlichen Schlafplätzen zu. Am Blauen Nile belehrten mich die Pfauenkraniche, daß sie nur im Walde übernachten. Einige vorüberziehende zeigten mir die Richtung des Weges, und nachdem ich einige Minuten weit gegangen war, vernahm ich auch die Trompetentöne der schreienden Schlafgesellschaft. Es ging sehr laut zu auf dem Versammlungsorte; aber die Töne klangen so schwach zu mir [399] herüber, daß ich bald einsah, derselbe müsse noch in weiter Ferne sein. In der That hatte ich noch eine gute Viertelstunde zu gehen, bevor ich den Schlafplatz erreichte. Zu meiner nicht geringen Ueberraschung fand ich dreißig bis vierzig Pfauenkraniche auf den Bäumen eines kleinen, rings von der Steppe umgebenen Wäldchens sitzen, keinen einzigen auf der Erde. Diese Wahrnehmung, welche ich später wiederholt machte, bestimmte mich zu glauben, daß die Pfauenkraniche auch auf Bäumen und nicht auf dem Boden nisten. Ueber die Fortpflanzung selbst habe ich eigene Beobachtungen leider nicht sammeln können.

Schon seit längerer Zeit wird der schöne und auffallende Vogel von den Westafrikanern gezähmt und demgemäß auch oft nach Europa gebracht. Mein Bruder sah ihn in Lissabon als halbes Hausthier, wie es schien, ohne alle Aufsicht in den Spaziergängen und Straßen der Stadt frei umherlaufen. Vorübergehende warfen ihm Brod und dergleichen zu, und er hatte sich auch an die mildthätigen Gaben derselben so gewöhnt, daß er dieselben förmlich beanspruchte. Mit Hühnern oder Stelzvögeln vertragen sich die gefangenen vortrefflich; ihren Gebieter bewillkommnen sie bei Gelegenheit durch ihre lustigen Tänze. In den Thiergärten ziehen sie die Besucher lebhaft an, weil sie in der Regel auch zu tanzen beginnen, wenn sie Musik vernehmen.

Alle gefangenen Pfauenkraniche, welche zu uns gelangen, werden jung aufgezogen, obgleich es vielleicht nicht allzu schwer sein dürfte, auch alte auf den gewöhnlichen Schlafplätzen zu berücken. Die Jagd ist ziemlich schwierig, weil der Pfauenkranich selbst im Urwalde seine Scheu nicht ablegt. Er weicht dem Reiter oder einem gegen ihn heransegelnden Schiffe vorsichtig aus, sieht überhaupt in allem ungewohnten Gefahr. Wir mußten uns entschließen, Erdhütten zu bauen, um uns der Pfauenkraniche zu bemächtigen; diese Hütten aber erwiesen sich ihnen gegenüber immer nur wenige Tage als brauchbar, weil alle Gesellschaften, aus deren Mitte ein oder zwei Stück gefallen waren, fortan die betreffende Insel mit den Hütten sehr sorgsam mieden. Ergiebig war der Anstand unter den Schlafplätzen; aber das Anstehen in Afrika hat Schattenseiten, an welche man, ohne sie kennen gelernt zu haben, nicht denkt. Ganz abgesehen davon, daß es nicht überall gerathen ist, der Löwen und Leoparden halber nachts im Walde umher zu streichen, stellt dieser selbst dem Jäger Hindernisse in den Weg, welche im Dunkel geradezu unüberwindlich werden. Jeder Busch nämlich streckt hunderte von Dornen aus, hält mit diesen den nächtlichen Wanderer fest, zerreißt ihm die Kleider und zerfleischt ihm die Glieder, so daß das Vergnügen einer nächtlichen Jagd auch dem eifrigsten Naturforscher schließlich gänzlich verleidet wird.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 398-400.
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