Fischeule (Ketupa ceylonensis)

Fischeule (Ketupa ceylonensis). 1/5 natürl. Größe.
Fischeule (Ketupa ceylonensis). 1/5 natürl. Größe.

[87] Die Fischeule, »Ulu« der Hindu, »Utum« der [87] Bengalen (Ketupa ceylonensis, Leschenaultii, Strix ceylonensis, dumeticola, Leschenaultii und Hardwickii, Cultrunguis nigripes und Leschenaultii), steht dem Uhu an Größe wenig nach; ihre Länge beträgt sechzig, die Breite einhundertundzwanzig, die Fittiglänge zweiundvierzig, die Schwanzlänge einundzwanzig Centimeter. Das Gefieder ist oben weinröthlich rostfarben; die Federn des Kopfes und Nackens sowie die Ohrbüschel sind der Länge nach dunkelbraun gestreift, die Rücken- und die Flügeldeckfedern braun und falb gemischt, da jede Feder auf blaßbraunem Grunde einen dunkelbraunen Streifen zeigt, welcher durch blasse, wolkige Binden unterbrochen wird, die Schwungfedern braun mit fahlen Bändern, weinröthlich oder gilblich an der Außenfahne, blaß mit Weiß gefleckt an der inneren, die Schwanzfedern braun mit drei oder vier blaßbräunlichen Binden und einem gleich gefärbten Endbande; das Gesicht ist braun mit dunkelbraunen Streifen, das borstige Gefieder weiß und schwarz gemischt, das Kinn weiß, theilweise braun gestrichelt, das übrige Gefieder weinröthlichbraun gefärbt, jede Feder mit einem schmalen, dunkelbraunen Schaftstreif und zahlreichen [88] Querbinden gezeichnet. Das Auge ist orangegelb, das Augenlid purpurbraun, der Schnabel blaß horngelb, der Fuß schmutziggelb.

Die Fischeule findet sich durch ganz Indien und ebenso häufig auf Ceylon, verbreitet sich aber offenbar viel weiter, da man sie ebenso in China wie in Palästina erlegt hat. Auf den malaiischen Inseln wird sie durch eine verwandte Art vertreten. Sie bewohnt hauptsächlich die Baumgruppen und kleineren Gehölze in der Nähe der Dörfer, verbirgt sich wenigstens hier während des Tages, nach anderer Eulen Art dicht am Stamme sitzend, in der Krone irgend eines dichtbelaubten Baumes. Tickell begegnete ihr am häufigsten im dichtesten Dschungel, zwischen wildem Gefelse oder in steilwandigen Thälern, Holdsworth auf alten Bäumen am Ufer stehender Gewässer Ceylons, einen wie alle Tage auf demselben Zweige sitzend. So sehr sie übertages den Schatten sucht, so gern sonnt sie sich zuweilen, und wenn man sie dann aufscheucht, fliegt sie, ohne irgend welche Behinderung durch das Licht zu bekunden, leicht und gerade über das Unterholz dahin und stürzt sich nach einiger Zeit kopfunterst in das Dickicht desselben. Gegen Abend erscheint sie außerhalb ihres Versteckes, um einem Hochsitze, der Spitze eines Hügels oder dem obersten Wipfelzweige eines Baumes, zuzufliegen und von hier aus nach Beute zu spähen. Die javanische Art liebt, nach Bernstein, vorzugsweise die Gruppen dicht bei einander stehender Arengpalmen, deren sich in solchen Fällen vielfach kreuzende Blätterwedel ein Laubdickicht bilden, welches ihr sehr erwünschte Schlupfwinkel darbietet. Die menschlichen Wohnungen selbst, in deren unmittelbarer Nähe sie vorkommt, scheint sie nicht zu bewohnen. Aufgejagt fliegt sie, wie Bernstein berichtet, »meistens auf einen nicht sehr entfernten Baum und mißt von hier mit weit geöffneten Augen ihren Feind. Obschon auch sie ohne Noth ihren Schlupfwinkel nicht vor Beginn der Dämmerung verläßt, scheint sie doch ebensowenig wie ihre Verwandte durch das Tageslicht am Sehen verhindert zu werden. Einige von mir in Gefangenschaft gehaltene wußten wenigstens Eidechsen, Schlangen, Ratten und andere Thiere, welche zufällig in ihren geräumigen und durchaus nicht dunklen Kerker kamen, auch bei Tage sehr geschickt zu fangen.« Außer diesen Thieren sollen sie in der Freiheit, nach der Behauptung der Eingeborenen, auch den Hühnern und anderen Vögeln nachstellen. Jerdon hingegen sagt, daß die Fischeule gewöhnlich ihren Weg nach dem nächsten Gewässer nehme, gleichviel ob es ein Teich, Bach oder Fluß sei. Hier sieht man sie auf einem überhängenden Felsen oder dürren Baume sitzen und den Fischen auflauern. Hodgson beobachtete zuerst, daß sie Fische frißt; Jerdon fand, daß sie Krabben vielleicht noch bevorzugt. Die Eingeborenen versichern, daß sie auch Katzen angreife und tödte. Ihre rauhe und hohle Stimme klingt oft wie haarsträubendes Gelächter, »Ha, hau, hau, ho«, und verfehlt nicht, furchtsamen Hörern, welche sich vielleicht außerdem durch die von der Fischeule bevorzugte Oertlichkeit bedrückt fühlen, Grausen einzuflößen. Besonders zur Paarungszeit hört man sie oft und lebhaft schreien. Ein Horst, welchen Bernstein untersuchte, befand sich »in ziemlicher Höhe im Wipfel eines alten Durengbaumes, an der Stelle, wo ein dicker, mit Moos, Farnen, Orchideen und dergleichen dicht bedeckter Ast sich vom Stamme trennte. In dieses Schmarotzerpolster hatten die Vögel eine Vertiefung gemacht, oder vielleicht auch nur eine schon vorhandene Spalte noch etwas vertieft und vergrößert. Diese Vertiefung bildete das ganze Nest, in dem ohne weitere Unterlage ein mattglänzendes, rein weißes Ei lag, welches, wie in der Regel die Euleneier, eine auffallend kurze, beinahe rundliche Gestalt hat. In einem anderen Neste hat einer meiner Jäger ein schon völlig flügges Junges gefunden, so daß es hiernach scheint, daß diese Eule für gewöhnlich nur ein einziges Ei legt.« Die Fischeule wird von den Singalesen oft in Gefangenschaft gehalten, gelangt daher dann und wann auch in unsere Käfige, zählt hier jedoch stets zu den Seltenheiten.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 87-89.
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