6. Candidatenleben

(1798. 1799.)

[59] Nachdem ich im Juni 1798 meine geliebte Mutter verloren hatte, that ich die ersten Schritte zum Eintritte ins bürgerliche Leben, und eine von meinem Großvater mir zufallende[59] Erbschaft von einigen hundert Thalern schaffte mir die Mittel dazu.

Im August wurde ich Doctor der Philosophie. Die deshalb angestellte Prüfung war ganz nach den alten Formen. Nachdem ich des Morgens eine eidliche Versicherung über mehrere Puncte, namentlich auch über meine eheliche Abkunft abgegeben hatte, mußte ich in einem verschlossenen Zimmer eine Chrie über ein gegebenes Thema nach allen Regeln der Kunst ausarbeiten, und Nachmittags war das mündliche Examen über Physik, Geschichte und Philologie. In der Pause ergötzte es mich, wie meine Examinatoren über die Geringfügigkeiten des Lebens im steifen Tone der Zunftgelehrten sich unterhielten, wo unter Anderem Hindenburg an den zeitigen Decan Beck, der ein kleines Landgut besaß, die Frage richtete: »Sind bei Eurer Spectabilität die Kartoffeln gut gerathen?«

Hierauf habilitirte ich mich als Privatdocent. Wie späterhin immer, so betrachtete ich schon jetzt eine zu liefernde Dissertation als eine vorschriftsmäßige Arbeit von blos ephemerer Bedeutung, auf welche ein Mann, der als freier Schriftsteller aufzutreten gedenkt, nicht mehr Feiß zu verwenden hat, als gerade nöthig ist, um sie mit Ehren vertheidigen zu können. Ich wählte also ein Thema aus dem Kreise meiner bisherigen Privatstudien, nämlich einen Commentar über ein Buch des Hippokrates1, und ich ward bald damit fertig, so daß ich schon in der ersten Hälfte Septembers disputiren konnte. Von Professoren opponirte mir nur mein Freund, der Jurist Hübner, dieser aber etwas unfreundlich: ihn ärgerte nämlich eine, ich weiß nicht in welchem Anfalle von Uebermuth, mir entschlüpfte Aeußerung, daß ich lieber auf einem neuen, noch ungebahnten Wege fallen, als auf der Heerstraße sicher einher wandeln wolle, – zu welchem kecken Ausspruche die vorliegende Leistung allerdings nicht paßte.

Für meine ärztliche Bildung mußte ich mir noch den Unterricht[60] von einem großen klinischen Lehrer wünschen, dergleichen Leipzig nicht besaß; auch schien es ganz passend, daß ich von den Zuhörerbänken erst nach einem Umwege auf den Lehrstuhl überging. Nun waren zwar Jena durch Hufeland, Stark, Loder und Halle durch Reil damals berühmte Bildungsanstalten für Aerzte; aber noch höher stand Wien, welches, seinen alten Ruhm und seine großartigen Krankenanstalten abgerechnet, einen Peter Frank besaß, dessen bewährter Ruf durch seine Befolgung der Brownschen Grundsätze am Krankenbette für mich noch bedeutungsvoller wurde; hierzu kam, daß mein Sinn in die Ferne stand, daß das lebensfrohe Wien mich lockte, und daß, wie ich nachmals berichten werde, mein Herz mich dahin zog. So war es denn gar keine Frage: ich mußte nach Wien, und das Bedenken, daß ich einen großen Theil meiner kleinen Erbschaft darauf würde verwenden müssen, hatte für mich durchaus kein Gewicht. Der Mann meiner Mutterschwester, Advocat Hänsel, meinte zwar, ein armer Teufel, wie ich, habe doppelt Ursache, seine paar hundert Thaler recht sicher unterzubringen; doch ich fühlte mich so wenig als armen Teufel, daß mich dies gar nicht traf und ich unbekümmert alle Anstalten zu der Reise traf, auf welcher die Gelegenheit, mein Geld unterzubringen, nicht fehlen würde.

Wenige Tage nach meiner Disputation machte ich mich auf. Zunächst wanderte ich nach Mittweide, um noch einige Tage bei meinem Onkel zu verleben. Schwägrichen geleitete mich bis zum Johanniskirchhofe, wo er in Erwartung eines frohen Wiedersehens von mir schied; ich ging zum Grabe meiner Mutter, weinte mich da noch einmal aus, und schritt dann unter Sturm und Regen wohlgemuth fort. Ich beschäftige mich mit heiteren Bildern meiner Zukunft, ohne mich durch Weg und Wetter in meiner frohen Laune stören zu lassen, und als ich vor Rochlitz durch einen Wald ging, wo der schmale Fußpfad das Bett eines Baches geworden war, der unter meinen Füßen der Stadt zurauschte, die Gesträuche zu beiden Seiten ihre großen Regentropfen an mir abwischten und ich von oben her den Regen theils aus erster, theils aus zweiter Hand bekam,[61] indem der Wind den Bäumen das kaum empfangene Wasser wieder abjagte, mußte ich über die allseitige Anfeuchtung herzlich lachen. So frohen Muthes ging ich einer verhängnißvollen Zukunft entgegen!

Nach sechstägigem Aufenthalte in Mittweide wanderte ich nach Dresden, und als ich am Tage nach meiner Ankunft daselbst zufällig auf die Kurfürstliche Bibliothek gerieth, traf ich unerwartet und zu beiderseitiger großer Freude mit meinem Freunde Schindler zusammen, der mich zu seinem Verwandten, dem Landrentmeister Weiße, führte. In diesem Hause verlebte ich nun mehrere sehr frohe Tage; auch versäumte ich nicht, mich dem Minister von Burgsdorf und den übrigen Männern vorzustellen, die ich für meine künftige akademische Laufbahn, so wie zunächst für Erlangung einer Unterstützung zu einer größeren wissenschaftlichen Reise zu Gönnern gewinnen wollte: sie nahmen mich freundlich auf und machten mir Hoffnungen. Diesen vertrauend, reiste ich fröhlich nach Wien, wo ich am 7. October eintraf und sogleich von einem barmherzigen Bruder, vormaligen Tyroler Jäger, der von Prag aus mit mir gereist war, in den Wirthshäusern getanzt oder zum Tanze aufgespielt, Juden geneckt und allerhand Possen getrieben hatte, in seinem Kloster herum geführt wurde.

Einer meiner ersten Gänge war zu Peter Frank. Ich fand an ihm einen Mann von ansehnlicher Größe, würdevoller Haltung, hoher, stark gewölbter Stirne, scharfem Blicke; in seinem ganzen Wesen sprach sich hohe Ruhe und Sicherheit aus. Er klagte über die Mängel der Wiener Universität, wo noch die Boerhaave'schen Lehren vorgetragen würden, so daß die Studirenden erst späterhin die Medicin in ihrem dermaligen Zustande kennen lernen, also doppelte Studien machen müßten; er erklärte, daß er selbst der Humoralpathologie ein gewisses Feld einräume und sie nur als umfassende Theorie der Arzneikunst nicht gelten lassen könne. In seinen klinischen Vorträgen fand ich, daß er allerdings die Zöglinge der Wiener Universität als mit der neuern Medicin noch unbekannt und überhaupt noch ziemlich unwissend behandelte, indem er Sätze aus den Anfangsgründen[62] der Physiologie und Pathologie für seine Zuhörer aus dem nördlichen Deutschland viel zu weitläufig erörterte. Was aber seine Rücksicht auf Humoralpathologie anlangte, so konnte ich davon am Krankenbette nichts bemerken. Wiewohl er einzelne Ansichten Browns verwarf, so wurden doch fast alle vorkommenden Krankheitsfälle für asthenisch erklärt und als solche gemeiniglich mit Glück behandelt: ich staunte nicht wenig, als ich in den ersten Tagen meines Besuchs der Klinik bei einer heftigen Pneumonie blos Senega und Valeriana geben und dabei den Kranken ohne Aderlaß und Salpeter genesen sah, oder als bei blos reizender Methode gastrische Beschwerden verschwanden und die mangelnde Leibesöffnung ohne Abführmittel von selbst eintrat etc. Aber es kamen auch Fälle vor, wo die reizende Methode trotz ihres offenbar übeln Erfolgs consequent durchgeführt wurde, wie wir denn z.B. eine Dysenterie unter fortgesetztem Gebrauche von China und Campher dem tödtlichen Ausgange entgegen gehen sahen. Es war uns Norddeutschen deutlich, daß in solchen Fällen zu weit gegangen war, – aber wie weit man gehen dürfe, blieb unentschieden. – Wenn man aus der Dunkelheit plötzlich in die Helle tritt, so wird man geblendet, und wenn einem Jünglinge bisher nur eine veraltete Lehre vorgetragen worden ist, so begrüßt er die entgegengesetzten neuen Ansichten als den Gipfel der Weisheit und als das Heil der Welt. So waren es denn unter Franks Zuhörern vornehmlich mit der sogenannten Solidarpathologie noch unbekannte Oesterreicher, welche blinde Anhänger des Brownianismus wurden; diesen machte nichts mehr Freude, als in Krankenexamen zu hören, daß der bisherige Arzt Blut gelassen oder Abführmittel gegeben hatte; ja der Kranke brauchte blos zu sagen, daß er ein Tränkchen bekommen und Stuhlgang gehabt habe, so galt dies als Beweis, daß er schwächend behandelt worden sei und in Folge davon an einem Typhus leide. Abgesehen vom Brownianismus gab Frank aus dem reichen Schatze seiner Erfahrung und seiner Belesenheit immer noch gehaltvolle Belehrung genug. Uebrigens war er eine Ehrfurcht gebietende Erscheinung, wenn er am Krankenbette über die in dichten[63] Kreisen ihn umstehenden Aerzte hervorragend mit einer vornehmen Kälte und hohen Würde in fließendem, wenn auch nicht immer correctem Latein die Krankheit erklärte und auf seine vielfältige Erfahrung sich berief. Seine Vorlesungen über Therapie der chronischen Krankheiten waren weniger interessant, indem er nur dictirte und kaum mehr als den Inhalt seiner Epitome vortrug. Er verschmähte den Weihrauchdampf der Schmeichler nicht, und sein Selbstgefühl sprach sich zuweilen etwas stark aus, wie er denn seine Vorlesung im Anfange des Semesters mit den Worten begann: »mementote, juvenes! quam magnum et gravem finem vobis adsequendum proposueritis, quo ut potiamini omnes vires intendere oportet. Ego vero securo brachio vos per tortuosam istam viam, per tot tantosque labyrinthos tutos perducam.«

Franks Assistent, Cappelini, machte gewöhnlich die Abendvisite im Klinikum, simulirte dabei die Belesenheit seines Meisters, gegen den er die tiefste Unterwürfigkeit zeigte, machte sich aber durch die vielfachen Blößen, die er gab, lächerlich. Dabei radebrechte er das Deutsche wie das Lateinische; so fragte er eines Tages einen Kranken, der am hitzigen Fieber darnieder lag: »sind Sie stark schwach, wenn Sie spazieren?« und erhielt zu unserem Vergnügen die trockene Antwort: »ich spaziere nicht.«

Joseph Frank, ein blühender, feuriger, lebenslustiger junger Mann, der sich viel mit Musik und Theater beschäftigte, war Primärarzt in einer Abtheilung des allgemeinen Krankenhauses, wo er den geistvollen Malfatti zum Secundärarzte hatte. Seine Visiten waren sehr expedit: das Krankenexamen wurde schnell abgemacht, da Nachforschung über Jugendkrankheiten und dergleichen mehr für eine lächerliche Weitläufigkeit galt; die Diagnose ging im Wesentlichen auf Sthenie und Asthenie hinaus und bestimmte demgemäß die einfache Heilanzeige. Dabei scheute er sich sehr vor Ansteckung: während seiner Anwesenheit in einem Saale mußten die Fenster auch bei ziemlicher Kälte geöffnet bleiben, und das mit kölnischem Wasser getränkte Schnupftuch vor Nase und Mund haltend, fühlte er den Puls aus möglichster Entfernung. Er hielt Vorlesungen[64] über Physiologie und Pathologie, und erklärte in der Einleitungsrede, das Einzige, was man mit Grund gegen die Einrichtung der Universitäten einwenden könne, bestehe darin, daß jeder einzelne Zweig der Wissenschaft von einem eigenen Lehrer vorgetragen werde; er wolle daher mit der gegenwärtigen Vorlesung einen vollständigen Cursus der Medicin eröffnen. Ich begnügte mich, in seinen Vorlesungen, so wie bei seinen Krankenvisiten, einige Mal zu hospitiren.

Fleißiger wohnte ich den Visiten eines anderen Primärarztes im allgemeinen Krankenhause, des Dr. Nord, bei. Er war ein Schüler Stolls und befolgte eine, der Brownschen in Hinsicht auf Einfachheit verwandte, an sich aber entgegengesetzte Methode, indem er vor allem gewaltsamen Eingreifen in den Gang der Krankheit sich hütete, mehr beobachtete und das Meiste der Heilkraft der Natur überließ, wobei ich denn auch grobe Vernachlässigungen kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Ueberhaupt fand ich bei mehreren Aerzten Wiens einen Geist des Skepticismus, dadurch hervorgerufen, daß sie die Herrschaft so verschiedener Heilmethoden und die nicht immer rühmlichen Kämpfe, die deshalb geführt worden waren, erlebt hatten. – An Nords Besuchen im Narrenthurme nahm ich ebenfalls Theil.

Bei Beer und Boer hospitirte ich blos, da ich für Augenoperationen und Geburtshülfe keinen Beruf in mir fühlte; eben so ließ ich die von meinen Freunden veranlaßten Uebungen in chirurgischen Operationen unter Dr. Hirtels Leitung unbenutzt. Solche Enthaltsamkeit gehört zu denjenigen meiner Eigenthümlichkeiten, die ich nur entschuldigen kann: Dinge, für die ich keine Anlage zu haben glaubte, interessirten mich nicht, und im Bewußtsein der Beschränktheit meiner Kräfte mochte ich keine Zeit darauf verwenden.

In meinem Privatstudium beschäftigte ich mich besonders mit Franks Epitome, Reils Fieberlehre, von welcher eben der erste Band erschienen war, und Röschlaubs Pathogenie.

Von älteren Aerzten lernte ich den Baron Quarin kennen, einen wohlgenährten, mit beträchtlicher Unterkehle begabten[65] munteren Mann, der seinen größten Ruhm darein setzte, ein vollkommener Hofmann zu sein. Er bewirthete oft und vortrefflich, weßhalb auch eine Menge gnädiger Herren in großer Unterthänigkeit sich um ihn drängte. Mit der Wissenschaft hatte er seine Rechnung geschlossen. Um so lebhafter war seine Unterhaltung über andere Dinge; unter Anderem erzählte er gern vom Kaiser Jo seph, der ihm besonders wohl wollte und, um ihm mehr Ansehen beim Publikum und dadurch eine reichere Praxis zu verschaffen, so oft er zu Pferde ihm auf der Straße begegnete, anhielt und über irgend etwas Gleichgültiges mit ihm sprach. – Plenck erzählte mir seine Lebensgeschichte zu Erklärung seiner drei Porträts, wo er zuerst als junger Professor in Tyrnau, dann als Professor in Wien und endlich als Feldstabschirurgus dargestellt war; er zeigte sich ganz als Militärchirurg der alten Schule. – Interessanter war Dr. Careno, der früher schon mit dem Gedanken, die Pocken auszurotten, sich beschäftigt hatte und eben im Begriffe stand, Jenners große Entdeckung in Deutschland bekannt zu machen.

Von Nichtärzten, mit welchen ich bekannt zu werden Gelegenheit hatte, nenne ich vor Allen den Freiherrn von Sonnenfels. Ich erkannte in ihm den Biedermann, der für das Rechte und Gute warm fühlte, für das Gemeinwohl uneigennützig wirkte, einfach in seinen Sitten war, offen und freimüthig sich äußerte. Er war für die Brownsche Lehre eingenommen und wollte sie auf die Staatswissenschaft angewendet wissen, wo es auch Princip sein müsse, ein Gleichgewicht und ein gehöriges Verhältniß der Erregung herzustellen. Uebrigens fand ich auch in seinem Urtheile über Frank, wie die alten Wiener Aerzte dessen Ruf beim Publikum untergraben hatten. – Er sprach gern von dem neuen Criminalgesetzbuche, an dessen Ausarbeitung er eben Theil nahm; er vermißte Strafbestimmungen gegen Medicinalvergehen und tadelte die preußische Gesetzgebung wegen ihrer Principien, ihrer Weitläufigkeit und ihrer theilweisen Härte, z.B. in Verschärfung der Todesstrafe und in Betreff der Verheimlichung unehelicher Schwangerschaft. – Einen sehr liebenswürdigen Mann, ebenfalls aus der Zeit[66] Josephs II., lernte ich in der Person des Freiherrn von Retzer kennen, der sein fortdauerndes Interesse für Freimaurerei nicht verleugnete.

Unter den vielen jungen Aerzten, die aus allen Gegenden Deutschlands sich um Peter Frank, Beer und Boer geschaart hatten, waren mehrere, die späterhin durch literarische Verdienste sich ausgezeichnet haben, wie Froriep, Wendt und Doutrepont. Die liebsten Freunde waren mir J.F. Hensler aus Schleswig und C.W. Heyck aus Holstein, zwei Männer von höchst ehrenwerthem Charakter und universeller Bildung: Ersterer mehr ein philosophischer Kopf, der in seinen Studien sich so vertiefen und mit solcher Ausdauer sich ihnen dahin geben konnte, daß er alles Andere darüber vergaß und deßhalb oft mehrere Tage hintereinander uns unsichtbar blieb; Letzterer ein mehr poetisches Gemüth, herzig und voll kindlichen Vertrauens. Mit diesen und andern Freunden verlebte ich recht frohe Stunden in dem freundlichen Wien: Vormittags im Krankenhause, Mittags im Wirthshause, fanden wir uns oft Abends im Schauspielhause oder im Weinhause wieder zusammen; nicht selten wurde auch nach dem Leopoldsberge und Kahlenberge gewandert. Die Polizei hatte ein Augenmerk auf die fremden Aerzte und ihre Zusammenkünfte, verfuhr aber mit aller Vorsicht, um kein Aufsehen zu erregen, denn den éclat zu vermeiden, war schon damals österreichisches Princip. So wurde auf einem Kaffeehause in der Alstergasse, wo wir nach dem Mittagsessen zusammen Kaffee zu trinken und Literaturzeitungen zu lesen pflegten, die Haltung der Letzteren verboten; da aber der Kaffee erlaubt blieb, so blieben wir auch. Wir wollten auf dem Leopoldsberge einige Theaterstücke aufführen, und als wir mit den »beiden Billets«, worin ich den Barbier Schnaps spielte, den Anfang machten, hatten sich auch einige ungebetene Zuschauer eingefunden, und unter diesen wurde ein geheimer Polizeibeamter aufgespürt, der denn sogleich als ein ehrenwerther Gast mit Artigkeiten überhäuft, reichlich bewirthet und aufgefordert wurde, ganz unbesorgt zu sein, da er sich hier unter lauter Ehrenmännern befinde, die keinen Spion unter sich duldeten;[67] es dauerte nicht lange, so schlich sich der saubere Gast davon. Schlimmer ging es einem ähnlichen Beamten, der in einem Gasthause einen kürzlich erst angekommenen Mediciner auszuforschen suchte und, um ihn dreister zu machen, auf den Kaiser schimpfte: der Wirth und die Gäste, die ihn früher schon erkannt und beobachtet hatten, fielen unter der Maske patriotischer Entrüstung über ihn her, bezahlten seinen Frevel reichlich mit Ohrfeigen und ließen ihn von herbeigerufenen Polizeisoldaten verhaften, so daß er wenigstens in diesem Gasthause sich nicht wieder zeigen durfte.

Fußnoten

1 Commentarii in Hippocratis librum primum de morbis epidemicis specimen. Lipsiae 1798. 4.


Quelle:
Burdach, Karl Friedrich: Rückblick auf mein Leben. Selbstbiographie. Leipzig 1848, S. 69.
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