Bergmann, Ernst

Bergmann, Ernst v.
Bergmann, Ernst v.

[141] Bergmann, Ernst v., in Berlin, ist in Riga (Livland) 16. Dezember 1836 geb. und in der Privat-Erziehungsanstalt Birkenruh bei Wenden zur Universität vorgebildet worden. Von 1854 bis 1860 studierte er in Dorpat, wo er am 13. November 1860 auf Grund seiner Dissertation: »De balsamo copaivae cubebarumque in urinam transitu« promoviert wurde. Unmittelbar darauf erhielt er in der chirurgischen Universitätsklinik daselbst, welche abwechselnd von den Professoren v. Adelmann und v. Oettingen geleitet wurde, die Assistentenstelle. In dieser habilitierte er sich nach Verteidigung seiner Schrift über die Fettembolie 1864 als Privatdozent für Chirurgie und trat bald darauf eine Studienreise nach Wien und Berlin an. Einer Aufforderung des Professors und Generalarztes Wagner in Königsberg folgend, ging B, als dessen ausserordentlicher Assistent 1866 mit ihm in den[141] böhmischen Krieg, in welchem er teils in Königinhof, teils als Begleiter seines Chefs Verwendung fand. 1870 in Amsterdam, im Laboratorium von Professor Kühne thätig, eilte er beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges nach Berlin und fand dort in der ärztlichen Armee-Reserve seine Anstellung. Mit zahlreichen anderen Ärzten nach den Schlachten von Weissenburg und Wörth in die Pfalz geschickt, blieb er zuerst unter Volkmann und dann unter Billroth in Mannheim, wo er das Kriegs-Reserve-Lazarett »Seilebohn« leitete. Mit dessen Aufhebung im Oktober wurde er nach Karlsruhe gerufen, um die Stelle eines dirigierenden Arztes der im Bau begriffenen Friedrichsbaracken zu übernehmen. Bis zu deren Vollendung machte er mit dem badischen Sanitätszuge die Touren nach Raon l'Etappe, nach Belfort und nach den Belagerungslinien von Paris mit. Vom Januar bis April 1871 stand er den Friedrichsbaracken in Karlsruhe vor, bis sie die heimkehrenden Militärärzte übernahmen und kehrte dann nach Dorpat zurück, nachdem eine Berufung als Professor der Chirurgie nach Königsberg sich zerschlagen hatte und eine nach Freiburg i. B. von ihm nicht angenommen worden war. In Dorpat wurde er im Juli 71 Nachfolger v. Adelmann's im Ordinariat für Chirurgie und blieb dort bis zum russisch-türk. Kriege von 1877 und 78, in welchem er als Konsultant-Chirurg der Donauarmee ins Hauptquartier des Grossfürsten Nikolai Nikolajewitsch ging. Hier machte er den Übergang über die Donau mit und die Schlachten bei Plewna, sowie Felisch und Gornji-Dubniik und kehrte mit dem Fall Plewnas in seine Dorpater Stellung zurück. Vorher für St. Petersburg als Professor der operativen Chirurgie in Aussicht genommen und gleichzeitig nach Kiew und Würzburg berufen, wählte er Würzburg, wohin er am 15. April 1878 als Nachfolger Linhardt's zog. 1882 im August erhielt er vom Minister v. Gossler die Berufung nach Berlin an Stelle von Langenbeck's, wo er an der Kgl. chirurg. Universitätsklinik, nachdem er noch einmal 1884 einen Ruf nach St. Petersburg als Professor der klinischen Chirurgie ausgeschlagen hatte, noch jetzt thätig ist. v. Bergmann ist k. russ. wirklicher Staatsrat während[142] des Krieges 77/78 geworden. Bei der Berufung nach Berlin wurde er Kgl. Preuss. Geh. Medizinalrat. In Würzburg zum Kgl. Bayerischen Generalarzt ernannt, wurde er in der Stellung eines solchen mit dem Range eines General-Majors in das Kgl. preuss. Sanitäts-Corps 1888 übergeführt. Er ist Ehrenmitglied der Kaiserl. russ. medico-chir. Akademie, und zahlreicher in- und ausländischer med. Gesellschaften, so der chirurgischen Nord-Amerikas, der Londoner klinischen, der schwedischen Akademie in Gothenburg, der Moskauer, Bukarester, Wiener, Münchener, Magdeburger u.s.w. Schriften: »Die Lepra in Livland« (Petersburg 1867) – »Das putride Gift« (Dorpat 1868) – »Die Fieber und Entzündung erregenden Wirkungen der Produkte des fauligen und entzündlichen Gewebszerfalls« (Petersb. med. Wochenschr.) – »Das Sepsin« (gemeinsam mit Schmiedeberg; Ctrbl. f. d. med. Wiss. 1868) – »Zur Lehre von der putriden Intoxication« (Ztschr. f. Chir. 1872) – »Die gegenwärtigen Forschungen in der Krebslehre« (Rede zum Stiftungsfeste der Dorpater Universität 1876) – »Die Lehre von den Kopfverletzungen« (in Pitha-Billroth's Handbuch d. Chirurgie 1877, 2. Aufl. in »Dtsch. Chir.« 1881) – »Über die Endresultate der Gelenkresektionen im Kriege« (Petersburg und Giessen 1872) – »Die Behandlung der Schusswunden des Kniegelenks im Kriege« (Stuttgart 1878) – »Die Fermentintoxication« (gemeinsam mit Angerer, Festschr. z. 300jährigen Jubiläum der Universität Würzburg 1882) – »Die Unterbindung der Vena femoralis« (ebendaselbst 1882) – »Die Krankheiten der Lymphdrüsen« (Gerhardt's Handbuch der Kinderkrankheiten 1881) – »Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium« (Berlin 1883). In Würzburg und Dorpat erschienen kasuistische Mitteilungen in den Dorpater und Petersburger med. Zeitschriften, in den Verhandlungen der Würzburger physikal. med. Gesellschaft, im Münchener ärztlichen Intelligenzblatt, der Berl. klin. u. deutsch. med. Wochenschr., in den Verhandl. d. dtsch. Ges. f. Chir., so über blaue Schweisse, akute Osteomyelitis, cartilaginöse Exostosen, infektiöse Pneumonie, Anheilung völlig gelöster Knochensplitter, Kehlkopfexstirpationen, erste Anwendung der Sublimatlösungen[143] und Sublimat-Verbände in der Chirurgie, Durchstichfracturen, plastische Operationen bei Hirnverletzungen, Trepanationen, Hirndruck u.a.m. Seine und seiner Schüler kasuistische und kleinere Studien sammelte v. B. in 14 Bänden: »Arbeiten aus den chirurgischen Kliniken Berlins« (Berlin 1886 bis 99) – Ebendaselbst erschienen: »Die chirurgische Behandlung bei Hirnkrankheiten« (3. Aufl., 1899) – »Anleitende Vorlesungen zum Operationskurs« gemeinsam mit Rochs (4. Aufl.) – »Handbuch der speziellen Chirurgie« (hrsg. gemeinsam mit v. Bruns und v. Mikulicz-Radiecki, Stuttgart 1899). In demselben hat v. B. die Kopfverletzungen und Hirnkrankheiten bearbeitet – »Die Entwicklung des chirurgischen Unterrichts in Preussen«. (Rede in der Berliner Aula 1893.) Gedächtnisreden auf v. Langenbeck, zur Totenfeier desselben 1888, auf v. Siemens und v. Hofmann (Naturforscher – Vers. Nürnberg 1893), auf v. Volkmann (Verhandlungen des Kongresses deutscher Chirurgen), auf Schimmelbusch, Nasse u.s.w. v. B. giebt mit Erb und Winckel die von v. Volkmann begründete Sammlung klinischer Vorträge heraus. In ihr erschienen von ihm: Die Diagnose der Meningitis, Hirnverletzungen mit lokalen und allgemeinen Symptomen, die tuberkulöse Entzündung der oberen Halswirbel, die Behandlung des Lupus mit Tuberkulin, die chirurgische Behandlung von Hirngeschwülsten. Mit Koenig und Richter ist v. B. Herausgeber des Ctrlbl.'s f. Chir., mit Gussenbauer und Koerte des Archivs für klin. Chir.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 141-144.
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