Gurlt, Ernst Julius

Gurlt, Ernst Julius
Gurlt, Ernst Julius

[657] Gurlt, Ernst Julius, zu Berlin, daselbst als Sohn des bekannten Veterinär-Anatomen Ernst Friedrich G. (1794 bis 1882) 13. September 1825 geb., studierte dort 1844 bis 48 und wurde im letztgenannten Jahre mit der Diss.: »De ossium mutationibus rhachitide effectis« Doktor, machte eine 1 1/2, jährige wissenschaftl. Reise nach Oesterreich, Frankreich, Grossbritannien, war 1852 bis 56 Assistent in B. v. Langenbeck's Klinik, habilitierte sich 1853 für Chirurgie an der Berliner Universität und wurde 1862 Prof. e. o. An den Feldzügen von 1848, 64, 66, 70 bis 71 nahm er in verschiedenen ärztl. Stellungen Anteil. G. der 19. April 1898 noch sein 50 jähriges Doktor-Jubiläum beging, starb 18. Jan. 1899 an Influenza-Pneumonie. – G. war langjähr. Schriftführer und zuletzt Ehrenmitglied der D. Ges. f. Chir. Er war einer der gelehrtesten und federgewandtesten Chirurgen der Neuzeit. Die Zahl seiner Schriften, unter denen die litterarhistor. und Sammelarbeiten überwiegen, ist ausserordentlich gross. Wir zitieren möglichst chronol.[657] als die wichtigsten: »Beiträge zur vergleichenden pathologischen Anatomie der Gelenkkrankheiten« (Berlin 1853) – »Über einige durch Erkrankung der Gelenkverbindungen verursachte Missgestaltungen des menschlichen Beckens« (Ib. 1854) – »Über die Cystengeschwülste des Halses« (Ib. 1855) – »Über den Transport Schwerverwundeter und Kranker im Kriege« (Ib. 1859) – »Handbuch der Lehre von den Knochenbrüchen« (Tl. 1; Tl. 2; 1. u. 2. Lfg. 1860 bis 65) – »Leitfaden für Operationsübungen am Cadaver u.s.w.« (Berlin 1862; 6. Aufl. 1885; ins Polnische 1874, Italien. 1875, Ungar. 1880 übersetzt) – »Militär-chirurgische Fragmente« (Ib. 1864) – »Abbildungen zur Krankenpflege im Felde u. s. w« (Berlin 1868, 16 Taff., Text deutsch und französisch) – »Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege« (Leipzig 1873) – »Die Kriegs-Chirurgie der letzten 150 Jahre in Preussen« (Berlin 1875) – »Die Gelenk-Resectionen nach Schussverletzungen u.s.w.« (Ib. 1879). Ausserdem Aufsätze in der Deutsch. Klinik (1853, 57), M. f. G. (1857, 60, 62), Preuss. Militärärztl. Zeitung (1861), dem A. f. klin. Chir. (1862, 66, 80, 83; darin auch für 1859 bis 65: »Berichte über die Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiete der Chirurgie«); ferner zahlreiche Artikel in Prosch und Ploss' Mediz.-chirurg. Encyklopädie (2. Aufl.), der Allgem. Deutschen Biographie, Eulenburg's Real-Encyklopädie der ges. Medizin, dem älteren Biograph. Lexikon, dessen Redaktion er (anfangs 1885) vom Buchstaben G. an übernommen hatte. Er war ferner Mitbegründer und Mitredakteur des »Archivs für klinische Chirurgie« seit 1860, Redakteur der Zeitschrift »Kriegerheil. Organ der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz« (darin eine Reihe von Aufsätzen von ihm) seit 1867, Redakteur der »Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie«; er war Mitredakteur von Virchow-Hirsch's Jahresbericht für 6 Jahrgänge (1866 bis 71) und bis zu seinem Tode Mitarbeiter an demselben. Das bedeutendste Werk G.'s, an dem er 15 Jahre lang gearbeitet hat und dessen Erschein., er nur kurze Zeit überlebt hat ist seine aus 3 voluminösen Bänden bestehende »Geschichte der Chirurgie« (Berlin 1898), ein Werk, das bisher in seiner Art einzig dasteht.[658] Es giebt eine ebenso bibliogr.-litterar. wie pragmatisch erschöpfende Darstellung der Chir. bis zur Renaissance, ist mit zahlreichen Abbildungen, Instrumententafeln ausgestattet und dadurch besonders verdienstlich und wertvoll, dass es zum erstenmale auch eine umfassende Schilderung der Volks-Chirurgie aller Nationen der Welt bringt. Das Werk ist eine Zierde der deutschen Litteratur und für seinen Verfasser thatsächlich ein Monumentum aere perennius.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 657-659.
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