Hueter, Karl

[787] Hueter, Karl, als Sohn von Carl Christoph H. (1803 bis 57) 27. Novemb. 1838 in Marburg geb. begann, erst 16 Jahre alt, daselbst das Studium der Med., bestand 1858 das Fakultätsexamen und kurz nachher das Staatsexamen in Kassel. Darauf begab er sich mehrere Jahre auf Reisen, besuchte Berlin und Wien, 1860 England und die folgenden 2 Jahre Paris.[787] Daselbst widmete er sich, neben dem Besuche der Kliniken, im Amphithéatre Clamart mit besonderem Eifer der chir. Anatomie und veröffentlichte in der Folge seine »Anatomischen Studien an den Gelenken Neugeborener und Erwachsener« (Virchow's Archiv, XXV, XXVIII), welche für viele seiner späteren Arbeiten über Gelenkdeformitäten und Gelenkerkrankungen grundlegend wurden. 1883 kehrte er nach Marburg zurück und trat bei seinem früheren Lehrer Roser als Assistent der chir. Klinik ein, ging jedoch bereits Ende d. J. nach Berlin. Hier war er zunächst Assistent am pathol.-anat. Institute bei Virchow, nahm dann 1864 am Schleswig-Holstein. Kriege als Arzt eines Johanniter-Lazarettes teil, trat 1865 als Assistenzarzt v. Langenbeck's in die chir. Universitätsklinik zu Berlin ein und habilitierte sich für Chirurgie Schon 1860, als in Rostock die Professur für Chir. durch G. Simon's Abgang frei wurde, ging H. als Prof. und Direktor der chir. Klinik dorthin. 1869 leistete er einem Rufe nach Greifswald Folge, um dort als Nachfolger Bardeleben's die Professur für Chir. zu übernehmen. Dort wirkte er mit der seinem Wesen eigentümlichen Frische und Vollkraft bis zu seinem 12. Mai 1882 erfolgten Tode, nachdem er in der letzten Zeit seines Lebens auch noch Abgeordneter zum deutschen Reichstage gewesen war. Unter der grossen Zahl seiner Publikationen, die mit seiner 1860 verfassten Dissert. beginnen, bis 1881 reichen und nach einem von König gegebenen Verzeichnis 74 Nummern umfassen, befinden sich zahlreiche selbständige Schriften, deren Titelverzeichnis im älteren Lexikon gegeben ist. Am bekanntesten sind: »Klinik d. Gelenkkrankheiten m. Einschluss der Orthopädie« (2 Bde, Leipzig 1870, 71; 2. Aufl., 3 Bde., 1876, 78) – »Die allgemeine Chirurgie, eine Einleitung in das Studium der chirurgischen Wissenschaften« (Ib. 1873) – »Grundriss der Chirurgie« (2 Bde., allgem., spez. Chir., Leipzig 1881; 2. umgearb. Aufl. von Lossen, 1883, 84; 3. Aufl. 1884, 85); ferner die von ihm zus. mit Lücke 1872 begründete »Deutsche Zeitschrift für Chirurgie«. Dazu kommen noch einige Abhandlungen in Volkmann's Sammlung klin. Vorträge (Nr. 9, 22): »Über das Panaritium. seine Folgen und seine Behandlung« [788] und »Über die chirurgische Behandlung des Wundfiebers bei Schusswunden«. H. hat sich durch seine Arbeiten über die Gelenkkrankheiten ein Verdienst um die Kenntnis dieses Zweiges der chir. Pathologie erworben. Dagegen fanden seine theoret. Ausführungen zur allgem. Chir., namentlich die Begründung der accidentellen Wundkrankheiten durch die sogen, »monadiche Theorie« als phantast. u. extrem von allen Seiten Widerspruch. H. war ein vielseitig gebildeter, rhetorisch veranlagter, praktisch tüchtiger Chirurg, ein hinreissender klin. Lehrer. Auch andere Kapitel der Chir. hat er durch wesentliche Einzelheiten bereichert. Eine ausführliche Würdigung der Leistungen H.'s lieferte Gurlt im älteren Biogr. Lex.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 787-789.
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