Loblied Kĭ-fù's auf den Fürsten Schīn.

[445] Vom aufgethürmten Hochgebirge,

Deß First sich bis zum Himmel spannt,

Ward einst ein Geist herabgesandt,

Durch welchen Fù und Schīn entstand.

Nun ist es Schīn und mit ihm Fù,

Die beide Tschēu als Pfeiler stützen,

Die alle Lande deckend schützen,

Dem ganzen Reich zum Antrieb nützen.


Den rastlos thät'gen Fürsten Schīn

Erhielt der König seinem Stande,1

Daß er in seiner Stadt, in Sié,

Das Vorbild sei der Mittagslande.

Der König hieß den Fürsten Scháo's,2

Dem Fürsten Schīn bestellen Hof und Haus;

Daß er die Mittagslande hebe,

Dieß Thun in seinem Stamm fortlebe.


Dem Fürsten Schīn gebot der König:

»Sei Mittagslanden Vorbild nun,

Und laß dir Sié's Bewohner dienen,

Um dein Verdienst hervorzuthun.«

Dem Fürsten Scháo's gebot der König,

Fürst Schīn's Gebiet und Äcker auszuleih'n.3

Dem Hofmarschall gebot der König,

Ihm hinzuschaffen Groß und Klein.4
[446]

Für das Verdienst des Fürsten Schīn

Ward da der Scháo-Fürst zum Erbauer,

Errichtete zuerst die Mauer,

Zuletzt den Ahnensaal auf Dauer.

Als der gebaut war tief und lang,

Verlieh dem Fürsten Schīn der König

Ein Hengstgespann von stolzem Gang,

Am Brustgespänge funkelnd blank.


Vom König ward Fürst Schīn entsendet

Mit Staatskaross' und Viergespann:

»Ich wählte dir den Wohnsitz aus;

An's Mittagland reicht nichts hinan.

Ich gebe dir das große Scepter,

Um deine Würde darzuthun.

Geh' hin, mein königlicher Oheim,

Und sei des Südlands Schirmer nun!«


Fürst Schīn vermeinte schon zu scheiden,

Da lud nach Mêi der König ihn.5

Dann wandte sich Fürst Schīn gen Süden,

Um nun bestimmt nach Sie zu zieh'n.

Hieß doch den Fürsten Scháo der König,

Fürst Schīn's Gebiet und Marken auszuleih'n,

Die Zinsvorräthe trügen ein,

Der Fahrt zur Förderung zu sein.


Fürst Schīn in kriegerischer Kraft

Kam nun in Sié hereingezogen;

Viel Fußvolk, Wagenkämpferschaft,

Daß alle Lande Tschēu's sich freuten:

»Nun ist euch wackrer Halt verschafft!

Ist nicht Fürst Schīn, der hochberühmte,[447]

Des Königes erhab'ner Oheim,

In Krieg und Frieden musterhaft?«


Die Tugend, die Fürst Schīn bewahrt,

Ist gütig, wild ächter Art.

All' dieser Lande wird er walten,

Bis alles Reich voll Rühmens ward. –

Kĭ-fù hat den Gesang gemacht,6

Es ist ein Lied von hohen Dingen.

Sei'n dessen Töne gut genug,

Dem Fürsten Schīn es darzubringen.

1

Er ließ ihn das Fürstenamt seiner Vorfahren fortsetzen.

2

Der Fürst von Scháo war Minister der öffentlichen Arbeiten.

3

Die Ländereien wurden an die Unterthanen gegen bestimmte Naturalabgaben angewiesen.

4

Alle, die zu seinem Hausstande gehörten.

5

König Siuân verzögerte die Abreise des Fürsten von Schīn noch durch die Einladung zu einem Abschiedsmahle in Mêi.

6

Vgl. II. 3, 3 und II. 8, 3.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 445-448.
Lizenz:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon