Fürst Scháo's Gesang an König Tschhîng.1

[423] Am eingebog'nen Bergeshang

Kam frischer Süd geweht in Menge.

Der freundlich mildgesinnte Fürst

Lustwandelte dabei und sang;

Und dazu bracht' ich diese Klänge:


Lustwandle du mit fröhlichem Behagen,

Zufrieden wandle hin bei Ruhetagen,

O freundlich mildgesinnter Fürst!

Und mögst du so vollenden deinen Lauf,

Wie ihn die Fürsten vor dir ausgetragen.


Dein Länderkreis ist groß und hochberühmt,

Gar viel des Guten wird dir zugeführet,

O freundlich mildgesinnter Fürst!

Und mögst du so vollenden deinen Lauf,

Wie dir's als aller Geister Wirth gebühret.2


Das Amt empfingst du, lange vorbeschieden,

Das Glück, die Segnung wurde dir in Frieden,

O freundlich mildgesinnter Fürst!

Und mögst du so vollenden deinen Lauf,

Daß reines Glück dir immer sei hienieden.
[424]

Du hast die Helfer, hast die Stützen,

Die treu und tugendsam dich schützen,

Um dich zu leiten, dich zu stützen;

O freundlich mildgesinnter Fürst,

Du sollst dem Reich zum Muster nützen.


Mit Ehrenvollen, Würdereichen,

Mit Scepter-, mit Halbscepter-Gleichen,3

Mit Hochberühmten, Hoffnungreichen, –

O freundlich mildgesinnter Fürst,

Bist du des Reiches Führungszeichen.


Das Phönixpaar hat sich erschwungen,4

Sein Flügelrauschen ist erklungen,

Es fliegt herab nach seinem Ziel.

Der königlichen wackern Diener sind gar viel,

Dem hohen Herrn bestellt am Thron,

Die liebend schau'n zum Himmelssohn.


Das Phönixpaar hat sich erschwungen,

Sein Flügelrauschen ist erklungen,

Es steigt hinauf zu Himmelshöh'n.

Viel sind der königlichen wackern Leut' erseh'n,

Dem hohen Herrn zu Dienst zu steh'n,

Die liebevoll auf Alle seh'n.


Es tönt des Phönixpaar's Gesang

Vom Gipfel hoch in's Weite her;

Die Herzblatt-Albe wächst entlang5

An Berges Morgenseite her –

In grüner Fülle prächtiglich –

In Harmonie'n einträchtiglich.
[425]

Des hohen Herren Wagen sind

Gar viele und gar mancherlei;

Der hohen Herren Rosse sind

Gar wolgeübt und schnell dabei. –

Ich fügt' an Lied nur wenig bei,

Daß dein Gesang erweitert sei. –6

1

König Tschhîng, der sehr jung auf den Thron kam, regierte von 1113 bis 1078 v. Chr.

2

Der allen Geistern Speiseopfer darbrachte.

3

Die so rein und so werthvoll sind wie die Rangzeichen von Nephrit, welche die höchsten Würdenträger führten.

4

Dies Wundervögel sollten erscheinen; wenn ein Weiser den Thron bestiegen oder wenn die rechten Grundsätze im Reiche herrschten.

5

Nur auf diesen Wunderbäumen, sagte man, ließe sich der Phönix nieder.

6

Diese beiden Schlußverse weisen auf die Anfangsstrophe zurück.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 423-426.
Lizenz:

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