Unzeitige Hoflustbarkeiten.1

[345] Da schlägt man Glocken, kling und klang!

Der Hoâi-Fluß strömt in Überschwang.

Mir ist im Herzen weh und bang.

Die sittenreinen, hohen Fürsten

Sind mir im Sinne sonder Wank.


Da schlägt man Glocken, weidlich weit;

Des Hoâi Gewässer strömen breit.

Mir ist im Herzen weh und leid.

Die sittenreinen, hohen Fürsten,

Kein Fehl hatt' ihre Trefflichkeit.


Die Glocke tönt zu Paukenklang;

Drei Inseln giebt's den Hoâi entlang.

Mir ist im Herzen angst und bang.

Die sittenreinen, hohen Fürsten, –

Nicht so war ihrer Tugend Gang.


Da schlägt man Glocken hell und fein,

Und spielt mit Harf' und Laute drein,

Und Pfeif' und Klingstein stimmen ein

Zum Festlied, zu des Südens Lied,2

Zum Flötentanze fehlerrein.

1

Man weiß nicht, weßhalb die Überlieferung dieses Lied auf König Jēu bezieht. Es deutet nur an, daß ein König sich an den Ufern des Hoâi sorglos der Liebhaberei für die Musik, den Gesang und Tanz überläßt, während der Sänger sich über den Verfall des Reichs ängstiget, der bei den alten großen Königen nicht eingetreten sein würde.

2

Im Grundtext steht für Festlied »Jà« und für des Südens Lied »Nân«. Tschū-hī bezieht das Erste auf Lieder des zweiten und dritten Theiles, das Zweite auf Lieder des ersten Theiles des Schī-kīng, von denen – wie auch Legge meint – wol damals schon Anfänge einer Sammlung bestanden hätten.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 345-346.
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